Kapitel 49

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Am nächsten Morgen wachte ich schon früh auf, es musste gegen sechs Uhr gewesen sein. Ich wälzte mich hin und her, probierte alle erdenklichen Schlafpositionen aus, doch einschlafen konnte ich nicht mehr. Ich schlug die Decke zurück, legte meine Hände für einen Moment auf mein Gesicht und seufzte leise. Ich schlich ins Badezimmer, wo ich mich wusch und schminkte. Dann zog ich mich fast lautlos an, nahm eine Karte, um später wieder ins Zimmer zu kommen, schlüpfte in meine Schuhe und ging raus, da ich zum Strand wollte. Auf dem Flur stieß ich mit einem muskulösen Typen zusammen.
"Pass doch auf wo du hinrennst", maulte er, doch verstummte, als er mein Gesicht sah. "Oh mein Gott, du bist doch Jessica", flüsterte er erstaunt vor sich hin und half mir hoch, da ich durch den Zusammenprall auf den Boden gefallen war. "Es tut mir wirklich schrecklich leid!", stotterte er. "Ich bin Marley, ich habe Taddl und dich beim Karaoke Abend gesehen. Ich bin der Typ, der mit euch eine Platte aufnehmen will! Ich hoffe doch, dass dieser Ar... Ard..."
"Ardy", half ich ihm auf die Sprünge.
"Ardy euch informiert hat. Da ich dich jetzt selbst sehe, frage ich nochmal persönlich. Wollt ihr eine Platte mit mir aufnehmen?"
"Wir überlegen es uns", antwortete ich leicht genervt. Dieser Typ musste seinen Redebedarf für heute ja mal bald gedeckt haben.
"Meine Nummer habt ihr ja. Ich wohne auch in Köln, ihr könnt anrufen und dann machen wir einen Termin und..."
"Wir werden uns bei Bedarf melden", unterbrach ich ihn mit einem falschen Lächeln und quetschte mich an ihm vorbei.
"Schönen Rückflug!", wünschte er mir noch und ging dann grinsend weiter.
"Danke gleichfalls", murmelte ich. Ich ging an der Rezeption vorbei nach draußen und hatte schon bald den Strand erreicht. Ich setzte mich kurz vorm Wasser in den Sand und beobachtete die kleinen, ruhigen Wellen. Ich saß eine lange Zeit dort ohne irgendwas zu tun. Irgendwann stand ich auf, zog meine Schuhe aus, krempelte meine Hose hoch und ging am Ufer entlang, sodass meine Füße nass wurden. Nach einer Zeit ging ich wieder zurück. Die ganze Zeit dachte ich über mein Leben nach. Für wen ich mich entscheiden sollte, warum das alles passierte, was in Deutschland sein wird und so weiter. Alles war so unvorhersehbar. Ich war noch am Anfang des Erwachsenseins und musste schon solch schwere Entscheidungen treffen. Einen positiven Aspekt hatte das Ganze aber doch irgendwie. Ich hatte viele neue und auch gute Freunde gefunden, die ich auch nötig hatte. Ohne meine Freunde hätte ich das alles wohl nicht durchgestanden. Und am Ende werde ich, dass weiß ich jetzt schon, dankbar sein, das hier erlebt zu haben.
Ich war am Eingang des Hotels angekommen und trat hinein. Ich zog mir meine Schuhe wieder an, krempelte die Hose runter und schlurfte zum Zimmer. Ich zog die Karte durch das Kartenlesegerät an der Tür und trat leise ein. Felix und Taddl schliefen immer noch. Vorsichtig zog ich mir die Schuhe aus, stellte sie hin und ging zum Bett. Ich legte mich drauf und starrte die Decke an.
"Wie lange bist du schon wach?", erkundigte sich Felix, der neben mir lag, plötzlich.
"Schon lange", gab ich zurück. Es war bereits halb zehn.
"Wann fliegen wir?", fragte Felix mich.
"Um 12", antwortete ich.
"Was?", fragte er nur ungläubig. "Wir müssen in einer Stunde losfahren", erklärte er mir die Lage und sprang aus seinem Bett. Er nahm seine Kleidung und hastete ins Badezimmer. Ich stand auf und setzte mich aufs Bett von Taddl. Ich weckte ihn mit einem Stirnkuss.
"Na du Schlafmütze", begrüßte ich ihn lächelnd. Er lächelte zurück und richtete sich auf.
"Wir schaffen das schon, in einer Stunde loszufahren. Ansonsten fahren wir eben ein bisschen später los", sagte er zu meiner Überraschung und grinste. Er hatte seinen Schlaf nur vorgetäuscht. Zur 'Bestrafung' kitzelte ich ihn durch. Als Felix aus dem Bad kam, verschwand Taddl mit seiner Kleidung auf dem Arm darin. Felix verließ das Zimmer mit den Worten: "Ich trommle die anderen zusammen, damit wir frühstücken können. Wir warten im Frühstücksraum auf euch." Ich nickte nur und tippte mit dem Fuß auf dem Boden herum. Als Taddl fertig war, gingen wir in den Frühstücksraum, wo die anderen schon saßen und warteten.
"Leute, der Urlaub mit euch war wirklich fantastisch. Ich finde, das hat Wiederholungsbedarf. Lasst uns auf das letzte Frühstück anstoßen", rief Simon in die Runde und hob sein Orangensaftglas. Wir stießen lachend an und frühstückten. Nachdem wir das Besteck und die Teller weggeräumt hatten, gingen wir auf unsere Zimmer, putzen Zähne und packten die restlichen Sachen. Um Punkt halb elf standen wir mit unseren Boards und Koffern unten und verluden diese ins Caprio und ins andere Auto. Durch die Gepäckverteilung kam es dazu, dass ich mit Felix, Izzi und Caty im anderen Auto fuhr. Felix setzte sich ans Steuer und fuhr los. Auf dem Beifahrersitz saß Izzi, hinten Caty und ich. Im anderen Auto saß Simon am Steuer, Taddl auf dem Beifahrersitz und Ardy hinten.
Nach einer halben Stunde waren wir am Flughafen angekommen. Wir gaben unser Gepäck ab und warteten ca. eine Stunde lang darauf, aufgerufen zu werden, um einsteigen zu können. Als wir aufgerufen worden, stiegen wir im den Bus und dann ins Flugzeug.

Felix setzte sich neben mich, da Taddl ja auf dem Hinflug neben mir saß. Er nahm meine Hand und lächelte.
"Ich bin bei dir, hab keine Angst", flüsterte er direkt in mein Ohr. Er kannte mich einfach zu gut. Ich lächelte leicht, doch als das Flugzeug kurz ruckelte, zerquetschte ich fast seine Hand. Entschuldigend lächelte ich und ließ seine Hand los. Ich schaute aus dem Fenster und beobachtete, wie wir immer höher stiegen. Felix schlief nach einer Weile ein. Doch ich konnte nicht schlafen. Ich war von den zehn Stunden Flug schon mindestens fünf Stunden wach und hatte nach draußen gestarrt, Gespräche von anderen belauscht und neun Mal erfolglos versucht einzuschlafen. Als es beim zehnten Mal immer noch nicht klappte, wurde ich langsam wütend. Plötzlich wachte Felix auf. "Alles okay?", fragte er besorgt.
"Nein. Ich kann nicht schlafen", jammerte ich leicht verzweifelt.
"Zähl' von 99 langsam rückwärts runter, so oft, bis du schläfst. Wenn du willst, kann ich auch so lange wach bleiben, bis du schläfst", bot er mir an.
"Danke Felix", sagte ich und küsste ihn. Unser letzter Kuss lag schon ein bisschen länger zurück, das merkte ich auch. Die Art wie Felix küsste, hatte ich wirklich vermisst. Er löste sich von mir und ich schaute ihn verwirrt an. "Was ist?"
"Du wolltest doch schlafen, nicht mich aufessen", stichelte er aus Spaß und lächelte. Ich zog eine Schnute und schloss die Augen. 99, 98, 97, ..., 21, ...

"Wir setzen jetzt zur Landung an, bitte schnallen Sie sich an und bleiben sitzen, bis das Symbol über Ihnen aufgehört hat zu leuchten", hörte ich die Stimme der Stewardess aus den Lautsprechern. Ich öffnete meine Augen, rieb mir den Schlaf aus den Augen und schaute aus dem Fenster. Es war ziemlich dunkel draußen.
"Wie spät ist es?", wollte ich schlaftrunken wissen.
"Es ist vier Uhr morgens", antwortete Felix.
"Mein Schlafrhythmus ist am Arsch", murmelte ich und wuschelte mir durch die Haare. Als das Symbol nicht mehr leuchtete, schnallte ich mich ab. Ich seufzte. Erneut hatte ich einen Flug überstanden. Die Leute klatschten nochmal, um dem Piloten zu danken, dass er sie sicher an ihr Ziel gebracht hatte. Ich fand das ein wenig sinnlos. Ich meine, es ist doch irgendwie seine Pflicht, uns sicher zum Ziel zu bringen. Trotzdem klatschte ich kurz mit und wartete dann, bis wir aufsteigen konnten. Wir gingen zur Kofferschlange, warteten auf unsere Koffer und verließen dann den Flughafen. Erleichtert atmete ich die frische Luft ein. Es war sehr kühl hier in Köln.
"Da drüben stehen Palle und Rewi", bemerkte Simon, stellte sich auf sein Longboard und fuhr los. Dabei zog er den Koffer neben sich her. Ich trug mein Longboard lieber unterm Arm und zog den Koffer so hinter mir her.
"Hallo schöne Frau", begrüßte Paluten mich charmant.
"Hey, sie ist schon doppelt vergeben, halt dich zurück", lachte Taddl. "Pack lieber ihren Koffer ein, als sie anzuflirten", fügte Er hinzu und schob meinen Koffer und das Longboard zu Paluten rüber. Natürlich wusste ich, dass es von Paluten nur ein Spaß war und dass Taddl ebenfalls nur einen Spaß gemacht hatte. Wir saßen so wie auf der Hinfahrt vor einer Woche - Simon, Caty, Taddl und ich in Taddls Auto, welches von Paluten gefahren wurde und Izzi, Felix und Ardy in Rewis Auto. Nach einigen Minuten waren wir am Youtuber-Haus angekommen.
"Danke fürs Fahren", bedankten sich die Fahrmitglieder inklusive mir bei den beiden. Wir holten das Gepäck aus den Kofferräumen und jeder betrat seine Wohnung.
"Bis nachher", verabschiedete ich mich von den anderen, da sich alle erst mal ausruhen wollten. Felix nahm mein Gepäck, während ich sein Longboard hochtrug. Als er die Tür aufschloss, stieg mir der altbekannte Geruch in die Nase. Ich lächelte, trat ein und legte die Longbords in den Flur. Nachdem ich meine Schuhe und meine Jacke ausgezogen hatte, zog ich die beiden Koffer ins Schlafzimmer. Ich holte alle Klamotten aus den Koffern, trug sie ins Badezimmer und stopfte alles, was reinpasste, in die Waschmaschine, welche ich dann anschaltete. Der Rest blieb davor liegen. Felix packte währenddessen die Kulturtaschen aus. Als wir fertig und es sechs Uhr am Morgen waren, fragte er:
"Und jetzt?"

Zeit zu gehenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt