Kapitel 9

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„Also: Was studierst du?"

Oh! Das hat er gemeint.

„Journalistik."

„Wie immer eine sehr wortreiche Antwort. Vielen Dank für die Auskunft, Emilia Katrina Ryann!"

Mach dich ruhig über mich lustig! Trotzdem bin ich schockiert, dass er sich meinen ganzen Namen gemerkt hat.

Zu einer schlagfertigen Antwort kann ich aber nicht mehr ansetzen, da ein Rums uns aufschrecken lässt. Dann hört man Würgegeräusche aus der Küche.

„Oh nein!"

Mason und ich stürzen in die Küche. Ein Mädchen hat sich mitten auf den Boden übergeben.

„Die Party ist vorbei, Leute, Zeit nach Hause zu gehen!", bestimmt Mason und ich bin ihm im Moment mehr als dankbar dafür. Ich schalte den Lautsprecher und die Musik aus und beobachte die Partygäste, die murrend aus der Küche verschwinden.

Ich begleite das Mädchen auf die Toilette und halte ihre Haare, als sie sich erneut übergeben muss. Ich sollte kein Mitleid mit ihr haben, schließlich hat sie es selbst in der Hand, wie viel sie trinkt, aber sie tut mir schon leid, wie sie sich über die Kloschüssel krümmt.

Vorsichtig streiche ich ihr über den Rücken. Erst als ich ihr silbernes Paillettenkleid unter meinen Fingern spüre, fällt mir auf, dass ich das Mädchen ja kenne. Das ist die, die unbedingt mit Mason zu Footloose tanzen wollte.

„Geht's wieder?"

„Hmh."

Sie lässt sich gegen die Badezimmerwand fallen und zieht ihre Füße eng an ihren Oberkörper.

„Ist Mason noch da?", nuschelt sie schluchzend.

Ich feuchte ihr noch einen Waschlappen an, den ich ihr in den Nacken lege, bevor ich mich auf die Suche nach Mason mache. Diesen finde ich prompt in der Küche, in der er gerade Becher in einen Müllbeutel wirft.

„Danke!" ich will ihm den Beutel aus der Hand nehmen, aber er macht keine Anstalten, ihn mir zu geben, „das wär echt nicht nötig gewesen. Ich mach das schon."

„Du kannst ja tatsächlich auch nett sein!"

„Es ist mitten bei der Nacht, bis vor wenigen Minuten hat hier eine Party gewütet. Es riecht nach Kotze. Ich wollte nie auf diese Party. Meine Mitbewohnerinnen sind vom Erdboden verschluckt und ich steh alleine da in diesem Chaos", fauche ich ihn an. Doch berühre es im selben Moment schon wieder. Ich bin mit den Nerven am Ende und will nur noch ins Bett.

„Entschuldige, ich wollte dich nicht so anschnauzen. Ich bin einfach nur müde", seufze ich schließlich.

Mason atmet rasselnd aus. „Sorry, war doof von mir."

"Haha, wie kommst du denn darauf?" Er soll jetzt einfach seine Freundin einsammeln und dann gehen. Ich will hier aufräumen und dann ins Bett.

Beim Gedanken an mein Bett könnte ich allerdings dem Mädchen im Bad Gesellschaft leisten. Bah! Das ist ja eklig. Ich werde wohl oder übel mit einem Stuhl als Schlafgelegenheit Vorlieb nehmen müssen.

„Wie geht es Tini?", fragt Mason plötzlich, nachdem er stumm weiter Becher ineinander getürmt hat.

„Du solltest lieber mal nach ihr schauen", bringe ich gähnend hervor.

Das scheint sein Kommando gewesen zu sein. Denn Mason drückt mir ohne einen weiteren Mucks den Müllsack in die Hand und verschwindet in den Flur. Ich verschaffe mir einen Überblick über das Chaos hier. Mason hat die Kotze beseitigt. Gott sei Dank! Wenn ich nur daran denke, dass ich das hätte aufwischen müssen...

Kurze Zeit später kündigen sich Schritte aus dem Gang an, bevor Mason eine schlafende Tini – ob das wohl ein Spitzname für Tina oder Martina ist? – an mir vorbei trägt.

„Ich bringe sie heim. Kommst du alleine klar?", flüstert er in meine Richtung.

„Klar, nochmal danke", murmle ich.

Die Tür fällt ins Schloss, dann herrscht Stille. Ich atme erst einmal tief durch. Die Party ist vorbei, keine Menschen mehr, kein Lärm, kein Schein, kein Glanz und Glimmer. Wäre da nicht dieses riesige Chaos um mich herum, wäre meine Situation zu schön, um wahr zu sein.

Aber da von Cathy oder Alison noch immer keine Spur ist, hole ich aus unserer Abstellkammer Schaufel und Besen und beginne damit, die Glasscherben auf dem Boden zusammenzukehren, bevor ich die leeren Glasflaschen sortiere und die restlichen Becher in den Müllsack schmeiße.

Bevor ich aus dem Küchenschrank einen Lappen hole, binde ich mir meine verschwitzten Haare zu einem neuen Zopf zusammen. Ich wische den Tisch ab und versuche, den gröbsten Dreck am Boden zu beseitigen. In dieser Sauerei kann ich nicht schlafen.

Irgendwann frage ich mich, ob mein Zimmer eigentlich noch immer „besetzt" ist oder ob die beiden die Wohnung wohl auch bei der allgemeinen Heimgeh-Aktion verlassen haben. Also tapse ich zu meinem Zimmer. Unter dem Türspalt sehe ich Licht, was ja zunächst nichts heißen braucht. Wenn ich jetzt reingehe und die beiden sind nackt oder irgendwie anderweitig beschäftigt, wäre das einfach nur unangenehm. Andererseits bin ich schrecklich müde und erledigt, schließlich habe ich die letzten beiden Stunden aufgeräumt, also sollte ich es vielleicht wagen, mir zumindest eine Decke zu holen. Soll ich klopfen? Kommt das komisch? Aber immerhin ist es mein Zimmer. Was würden jetzt wohl Cathy oder Alison tun? Die beiden wüssten bestimmt, wie man mit so einer Situation umgeht. Wahrscheinlich wüsste jeder normaler Student, wie man sich jetzt richtig verhält. Aber ich bin eben kein normaler Student! Es ist zum Haare raufen. Naja, was solls! Ich öffne vorsichtig meine Tür einen Spalt weit und versuche, hineinzuspähen.

„Hallo?", frage ich unsicher. Keine Antwort.

Ich bin wirklich nicht mehr zu retten.

Zu meiner Erleichterung finde ich ein leeres Zimmer vor. Schlafen möchte ich in meinem Bett aber nicht mehr. Angewidert verziehe ich das Gesicht, als ich das zerwühlte Bettlaken wie ein Wollknäuel auf meiner Matratze liegen sehe. DAS werde ich morgen als erstes tun: Mein Bett neu beziehen und gründlich reinigen.

In meine Kuscheldecke gewickelt versuche ich eine bequeme Position auf dem Esszimmerstuhl zu finden. Meine Füße habe ich auf einen zweiten abgelegt, aber das trägt auch nicht unbedingt zu mehr Gemütlichkeit bei. Unsere Wohnung hat kein Wohnzimmer, das ist zum einen praktisch, weil wir es eh nicht brauchen würden und es uns deshalb nur unnötige Quadratmeter einbringen würde, die wir bezahlen müssten. In Momenten wie diesen würde ich mir aber nichts mehr als eine Couch wünschen. 

Behind my maskWo Geschichten leben. Entdecke jetzt