Kapitel 32

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„Willst du mir davon erzählen?"

Wir stehen vor Masons Auto und ich frage mich, wie wir hierhergekommen sind.

Ich beginne von meiner Vergangenheit zu sprechen. Es ist merkwürdig, dass alles in Worte zu fassen. Ich erzähle ihm von der Effi Briest – Sache und dass ich immer uncool war. Wegen meiner Kleidung, weil ich zu Lehrern freundlich war und wegen meinen Noten. Und dann erzähle ich ihm von Tristan.

„Tristan war mein bester Freund. Wir wohnen in derselben Straße. Aber als wir in die Schule kamen, war es ihm peinlich, sich mit mir abzugeben. In der Grundschule, weil ich ein Mädchen war, und dann in der Highschool, weil ich uncool war. Ich war das kleine Strebermädchen."

Mason schaut mich mitleidig an.

„Das stimmt doch nicht."

„Sag sowas nicht, wir wissen es beide besser", schnaube ich.

„Naja, jedenfalls hatte er sogar bessere Noten als ich, nur, dass er nicht dem Streberklischee entsprach und das demnach durfte. Außerdem zählte er zu den Anführern von so einer „Coolen-Gang", die es wahrscheinlich an jeder Schule gibt."

„Oh ja", murmelt Mason und scheint sich an seine eigenen Schulcliquen zurückzuerinnern. Ob er wohl auch eher zu den Coolen gehört hat? Mich beschleicht das Gefühl, dass er Teil genau so einer Gruppe war.

„Tristan durfte gute Noten haben, ich nicht, mir war das nicht gegönnt. Ich weiß nicht mehr, wann oder warum es begonnen hat, aber irgendwann tat er alles dafür, mir das Leben zur Hölle zu machen. Aber ohne selbst einen Finger zu rühren oder Ärger für irgendwelche Aktionen zu kassieren. Er schickte seine Freunde vor, damit sie mich vor der halben Schule runtermachten, wie bei der Effi-Sache zum Beispiel. Aber er tat ja nie was. Er war immer der Unschuldige. Er hat das alles geschickt im Hintergrund eingefädelt, die anderen waren es, die es ausführten. Ein einziges Mal habe ich ihn über mich reden gehört. Es war das letzte Mal, dass ich mit ihm zu tun hatte. Er hat gesagt"

Ich schlucke und unterdrücke ein Schluchzen. Mason berührt sanft meine Schulter, um mich zum Weiterreden zu animieren.

„Hey, alles ist gut, Em! Schau mich an!"

Ich blinzle ihn durch meinen tränenverschleierten Blick an und schaue zu ihm auf. In seinen Augen liegt Aufrichtigkeit, er wird mich nicht ausnutzen, sagen sie, und ich kann mich etwas beruhigen.

„Du bist jetzt nicht mehr dort, hier tut dir niemand was. Okay?"

Ich weiß, dass mir Mason nur gutzuredet, weil ich mental down bin. Aber versprechen kann er es mir nicht. Es gibt keine Garantie dafür, dass das Ganze nicht auch hier wieder von vorne beginnt. Die gibt es nie.

Mit einem weiteren zittrigen Atemzug spreche ich weiter.

„Er hat gesagt, ich sei ein Nichts. Ich habe mich so in ihm getäuscht. Er war mein bester Freund seit dem Kindergarten."

Ich zucke mit den Schultern.

„Emilia", flüstert Mason. Abwehrend schüttle ich den Kopf. Ich will sein Mitleid jetzt nicht hören.

„Und irgendwann habe ich es geglaubt. Zu dem Zeitpunkt hat das mit meinen Ticks angefangen. Ich habe begonnen, mehr Wert auf mein Äußeres zu legen. Ich habe versucht, alles zu kontrollieren. Ich dachte, wenn ich einen schönen Körper habe, wenn ich so aussehe wie die anderen, dann gehöre ich vielleicht auch dazu."

Oh Gott, muss ich mich verzweifelt anhören! Warum kann ich nicht einmal stark sein?

Ich wische mir eine Träne aus dem Gesicht.

Behind my maskWo Geschichten leben. Entdecke jetzt