Kapitel 26

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„Scheidungsparty?"

Ungläubig schaue ich Mason an. Was zum Henker? Wer veranstaltet denn bitte eine Scheidungsparty?

Das klingt ganz nach dem Motto: Hey, ihr Singles da draußen, ich bin frei. Ich bin wieder zu haben. Das Leben hat mich wieder. Wer bietet am meisten? Wer bietet mehr? Ja, du da hinten bist an einem One-Night-Stand ohne irgendwelche Verpflichtungen interessiert. Ist da noch jemand? Einen Dreier als Auftakt in die neugewonnene Freiheit, das wär doch mal was.

Ist das so eine Art Freiwildjagd-Party?

Oder soll das eine Brautschau werden: Wer ist noch zu haben und an einer langfristigen Beziehung interessiert? Wer meint es ernst? Wer will mich? Wir sind schließlich auch nicht mehr die Jüngsten. Mitte dreißig ungebunden. Letzte Chance auf ein Leben in der Vorstadt-Idylle mit Kind und Minivan.

Ich bin fies, schon klar.

Trotzdem: So eine Feier ist doch geschmackslos, nicht?

Unsere Gesellschaft ist schon krank. Veranstaltet der doch tatsächlich eine Party, um zu feiern, dass er einen Menschen, den er zumindest irgendwann einmal geliebt hat - sonst hätten sie ja wohl kaum geheiratet - losgeworden ist.

Die Welt hat ne Panne.

„Jap."

Mason schaut mich noch immer mit dieser Hoffnung in den Augen an. Allein schon beim Gedanken an meine letzte Party erschaudere ich. Wie die geendet hat, ist mir noch allzu präsent: Zuerst die Sexeskapaden in meinem Zimmer und dann Tanitas Bekanntmachung mit unserer Kloschüssel. Ob eine Scheidungsparty das übertrumpfen kann?

„Wer bitte veranstaltet denn eine Scheidungsparty?"

„Beckett." Also entweder hat er die Ironie in meiner Frage nicht gehört oder er hat sie einfach ignoriert.

Masons Gesichtsausdruck nach zu urteilen, ist dieser Beckett jemand, den man kennen muss. Tue ich aber nicht. Deshalb bin ich froh, als er hinzufügt:

„Williams älterer Bruder.", was gleich mehr Licht ins Dunkel bringt.

Beckett Avery? Da klingelt absolut gar nichts bei mir.

„Er und seine Ex, Eve, haben eine ziemliche Schlammschlacht hinter sich. Beck ist einfach nur froh, dass hinter sich zu haben, und will deshalb etwas mit seinen Freunden feiern."

Um ehrlich zu sein, zähle ich mich nicht zu Becketts Freunden. Bis vor einer Minute wusste ich noch nicht mal von seiner Existenz. Aber ich sage nichts und höre Masons Ausführungen über die Scheidungstragödie von Beckett und Eve weiter zu.

„Naja, jedenfalls wollte Eve unbedingt ein Kind und Beck", Mason hält inne, so als hätte er gerade irgendetwas gesagt, dass nicht für meine Ohren bestimmt war, „ich – ja, ähm – Beck hatte es in letzter Zeit nicht so leicht. Will hat es mir eigentlich eher unfreiwillig im Vollrausch erzählt, was Beck – nun ja, wie soll ich es am besten sagen? – was halt mit Beck ist, deshalb weiß ich nicht, ob ich dir das erzählen darf."

Ich runzle die Stirn und frage mich, warum Mason so eine Riesensache daraus macht.

„Ist doch logisch. William ist dein bester Freund. Ich kenne diesen Beck nicht, du brauchst mir nicht davon erzählen."

Mason atmet erleichtert auf.

„Echt?"

„Klar, alles gut", ich lächle ihn an. Was auch immer ihm beinahe über die Lippen gekommen wäre, es geht mich nichts an und ist eine Sache zwischen Mason, William und Beckett.

Was soll ich schon mit einer anscheinend skandalösen oder zumindest geheimnisvollen Info über einen Wildfremden anfangen? Ich habe selbst schon genügend Probleme, da brauche ich nicht noch die von irgendwelchen mir vollkommen unbekannten Personen obendrauf.

„Also kommst du mit? Das wird bestimmt klasse. Alison und Cathy sind auch dabei. Sie haben schon einen Termin beim Friseur und bei ihrer Kosmetikerin ausgemacht. Für drei Personen."

Anscheinend ist das alles schon im Vorhinein geplant worden. Stellt sich nur die Frage, warum ich erst jetzt gefragt werde.

„Widerstand ist zwecklos?"

Mason lacht: „So siehts aus. Ich wusste, du würdest Nein sagen, aber jetzt bleibt dir fast nichts anderes mehr übrig."

Mir ist klar, dass mich Mason niemals dazu zwingen würde, mit ihm mitzugehen, wenn ich es nicht wollte. Aber ich will das nicht ausnutzen. Er hat so viel für mich getan und es scheint ihm aus irgendeinem Grund wichtig zu sein, dass ich mitkomme. Ich fühle mich zwar in so großen Menschenmengen nach wie vor unwohl, aber seit Mason und ich „shoppen" waren, fällt es mir leichter und ich fühle mich gelöster.

„Außerdem ..."

Er macht eine übertriebene Spannungspause und zwinkert mir geheimnisvoll zu.

„Die Party findet im Ocean Eight statt."

DAS ist jetzt kein wirklicher Pluspunkt, aber das reibe ich ihm lieber nicht unter die Nase, wo er schon so sorgfältig Argumente gesammelt hat, um mich zu dieser seltsamen Fete zu überreden.

Das Ocean Eight ist eine Bar, die sich im obersten Stockwerk des höchsten Gebäudes der Stadt befindet und damit wirbt, den besten Ausblick zu haben. Darüber kann man zwar streiten, aber nur die wenigsten haben die Gelegenheit, sich davon selbst zu überzeugen. Ist dieser Beckett etwa stinkreich?

„Er hat die ganze Bar gemietet?", vergewissere ich mich noch einmal ungläubig.

„Jap. Keine Mühen gescheut. Das soll sein Neubeginn in ein neues Kapitel seines Lebens werden."

Ah ja. Noch immer nicht überzeugt von dem eher zwielichtigen Charakter dieses Becketts ziehe ich die Augenbrauen in die Höhe.

„Und begleitest du mich?"

Mason setzt einen Hundewelpen-Blick auf, zieht einen Schmollmund und blinzelt bettelnd. Wird er sich gleich noch vor mich auf die Knie schmeißen?

„Hat das schon mal funktioniert?", frage ich, noch immer über diese Grimasse schmunzelnd.

„Die eigentliche Frage ist doch: Funktionierts bei dir?", übergeht er geschickt meiner Frage nach seinen Exfreundinnen oder früheren Bettgeschichten. Wobei man anmerken muss, dass ich ja nicht wirklich seine Freundin bin. Wir haben uns einmal geküsst und das nicht wirklich. Es war eher aus einer Notlage heraus. Aber wäre ich als Masons Begleitung nicht sein Date?

„Meinetwegen!", seufze ich ergeben.

Mason lässt seine kindische Miene fallen und umarmt mich übermütig.

„Das wird super, Em, du wirst es nicht bereuen."

Das werden wir ja noch sehen. 

Behind my maskWo Geschichten leben. Entdecke jetzt