Kapitel 17

361 17 0
                                    

„Ich habe so Schiss vor der Klausur, Keith! Du musst mir helfen. Ich kapier von dem ganzen Zeugs absolut gar nichts. Nada. Niente", schimpfend lässt sich Fiona auf dem Boden nieder. Rick muss heute arbeiten und ist deshalb nicht dabei. So saßen bis vor wenigen Minuten nur Keith und ich auf der Liegewiese der Uni. Ich lerne gerne mit den anderen. Ich kenne sie zwar immer noch kaum, aber das macht nichts. So muss auch ich nichts von mir preisgeben.

„Also, wo drückt der Schuh?" Keith lacht und erklärt ihr dann den Stoff der letzten Vorlesung.

„Dieser Dude macht mich fertig. Echt jetzt. Kann der nicht einfach mal Klartext reden. Wenn du es mir erklärst, check ich es ja auch."

Die Klausur ist zwar erst in vier Wochen, aber auch ich muss zugeben, dass ich schon angespannt bin. Das Lernpensum oder Verständnis ist dabei mein geringstes Problem, denn die Prüfung ist mündlich. Ich male mir jetzt schon die schlimmsten Horrorszenarien aus, die mir bei meinem Glück passieren werden.

Mein Blick fällt wieder auf meine Notizen und innerhalb weniger Sekunden habe ich das Gespräch der beiden ausgeblendet.

Ich mag Literaturwissenschaften. Was den Unterschied zwischen verschiedenen Textgattungen ausmacht, hat mich schon immer interessiert. Brechts episches Theater stellt für mich einen echten Fortschritt des Dramas dar. Der Mensch als Prozess, die Perfomanz, wechselseitige Strömungen von Text und Inszenierung, die Abkehr von strikten Regeln hin zur Sinnlichkeit macht das Theatererlebnis real. Dass die Ratio und nicht das Gefühl im Vordergrund steht, eröffnet dem Zuschauer ganz neue Perspektiven. Leider ist meine nächste Prüfung aber nicht die über Literaturepochen, sondern über Mediengeschichte. Ich blättere in meinen Unterlagen weiter, bis ich bei den relevanten Mitschriften angelangt bin und versuche mich dann darauf zu konzentrieren, den Prüfungsstoff mir zu merken.



„Maddie! Wie geht's?"

Gedanklich befinde ich mich noch immer in der für den europäischen Kulturraum relevanten Phänomenen der internationalen und deutschen Mediengeschichte der Hoch- und Populärkultur, als Maddie sich neben mich fallen lässt.

„Was ist denn mit dir los?"

Fiona und Keith haben aufgehört, sich über Literaturwissenschaft zu diskutieren. Erst jetzt fällt auch mir auf, was Fiona meint. Maddie ist ganz blass im Gesicht.

„Ich weiß nicht, was ich tun soll. Nächste Woche ist Rylees Beerdigung und irgendwie gehört es sich, dass ich dort aufkreuze, oder?"

Fragend schaue ich zu den anderen beiden, um herauszufinden, was sie mit dieser Aussage wohl gemeint haben wird.

„Rylees Eltern sind vor ein paar Jahren in die Nachbarschaft ihres Elternhauses gezogen", flüstert mir Keith ins Ohr, der meinen verwirrten Ausdruck wohl bemerkt haben muss.

„Das schaffst du schon."

„Fiona, du verstehst das nicht. Ich habe solche Angst vor Friedhöfen. Diese ganzen verstorbenen Seelen, da läuft es mir beim Gedanken daran schon eiskalt über den Körper."

„Ich gehe auch hin, dann bist du nicht allein."

Ich weiß nicht, woher ich den Mut nehme. Eigentlich hatte ich mir bisher auch noch gar keine Gedanken darüber gemacht, ob ich dorthin gehen werde oder nicht.

„Echt?"

Ich nicke. Jetzt gibt es eh kein Zurück mehr. Mich Ally, Cathy, Will und Mason anzuschließen, fände ich ohnehin unpassend. Schließlich kannten sie Rylee oder sind zumindest gute Freunde von Tini. 

Behind my maskWo Geschichten leben. Entdecke jetzt