Ich versuche, durchzuatmen, doch erneut bricht der Damm und ich kann mich nicht mehr auf meinen Füßen halten. Masons Arme halten mich. Ich werde nicht wieder in dieses Loch fallen, dieses Mal nicht. Dieses Mal ist alles anders. Es gibt jemanden, der mich festhält. Wieder beginne ich zu schluchzen.
Eng umschlungen stehen wir da, bis ich keine Tränen mehr habe und scheinbar die letzte Träne versiegt ist.
„Emilia, alles wird gut, hörst du?"
Masons T-Shirt ist komplett durchnässt. Würde ich die Kraft dafür haben, würde ich mich für diese Tatsache schämen.
Aber so kann ich mich nur noch näher an seine Brust schmiegen, um ihm zu zeigen, dass seine Worte mich erreicht haben.
Und aus irgendeinem Grund glaube ich ihm.
Mason begleitet mich nach einer Ewigkeit in mein Zimmer. Ich glaube, alleine hätte ich mich nicht auf den Füßen halten können. Ich fühle mich so schwach und das gefällt mir nicht.
Ich atme einmal tief durch und denke nach. Mason würde mir nie etwas tun. Dafür hat er sich mir heute viel zu ehrlich verhalten. Und ich habe beschlossen, mich auch ihm mehr zu öffnen. Nur mein Verstand spielt da noch nicht mit.
Wie aus dem nichts höre ich mich sagen: „Bitte bleib."
Ebenfalls überrascht scheint Mason einen Augenblick zu brauchen, bis er versteht, dass ich möchte, dass er heute Nacht hier bei mir bleiben soll.
Ich setze mich steif in mein Bett und warte darauf, dass Mason sich neben mich legt. Wie selbstverständlich breitet er meine Decke über uns aus und ich kuschle mich an ihn. Seltsamerweise habe ich keine Angst, ihm so nah zu sein.
Vorsichtig streift mir Mason meine Brille, durch die ich ohnehin nicht mehr viel außer Tränenspuren und Schmierer gesehen habe, ab und legt sie neben sich auf meinen Nachttisch.
Ich will etwas von ihm abrücken, weil ich nicht weiß, wie ich mich verhalten soll, wenn ich ihm so nahe bin. Aber Mason hindert mich daran und legt einen Arm um mich und zieht mich näher zu sich, sodass ich meinen Kopf auf seine Brust betten kann. Ich dachte, ich würde mich unwohl fühlen, aber das tue ich nicht.
„Willst du mir erzählen, warum du das machst?"
Für einen Moment zucke ich zusammen. Ich will ehrlich mit ihm sein und ich will mit ihm auch darüber sprechen. Aber ich weiß nicht, ob ich schon dafür bereit bin. Jetzt, heute und hier. Ich antworte nicht, weil in mir Gefühle an die Oberfläche kommen, die ich schon längst verdrängt hatte.
„Ja, irgendwann."
Wenn ich es ihm jetzt erzählt hätte, hätten wir beide kein Auge mehr zugemacht.
„Lass uns morgen die Vorlesungen ausfallen lassen."
Masons Vorschlag überrumpelt mich. Wo kommt denn dieser plötzliche Themenwechsel her?
„Was? Wieso?"
„Damit wir einen schönen Tag verbringen können."
Das „Wir" in seiner Antwort lässt mein Herz höherschlagen, auch wenn ich weiß, dass ich viel zu kaputt bin, als dass dieses Wir jemals Wirklichkeit werden könnte.
„Also was sagst du?"
Die Uni zu schwänzen, steht definitiv nicht auf meiner To-do-Liste für morgen. Wenn schon würde das auf meiner No-Go-Liste stehen, wenn ich denn eine hätte.
„Ja, sehr gerne. Was machen wir?"
Habe ich das gerade wirklich gesagt?
„Wow, das ging ja schnell. Wer bist du und was hast du mit meiner Emilia gemacht?"
Ich kichere. Ich habe ja selbst nicht einmal mit meiner Antwort gerechnet.
„Das wird super. Lass dich überraschen."
Ich versuche, beleidigt dreinzuschauen, lasse es dann aber doch bleiben.
„Aber ich mag nur gute Überraschungen."
Mason lacht leise und legt seine Arme fester um mich. Meine Wange streift den Kragen seines Pullovers.
„Das will ich doch hoffen."
Er greift nach dem Schalter an der Nachttischlampe und knipst das Licht aus.
„Mason?"
„Hmh?"
Ich schlucke. Mein Verstand weiß, dass alles in Ordnung ist. Aber mein Herz kann diese Tatsache nicht akzeptieren. Zumindest nicht, wenn es um Dunkelheit geht.
„Kannst du bitte"
Doch weiter brauche ich gar nicht zu sprechen, denn Masons Finger hat bereits den Schalter betätigt und das Licht wieder eingeschaltet. Bin ich so leicht zu durchschauen?
Mason zieht mich zu sich heran und ich vergrabe mein Gesicht an seiner Halsbeuge. Es ist, als sei genau dort ein Platz für mich. Es ist vollkommen verrückt, aber das alles hier fühlt sich so richtig an. Und auch irgendwie gut. Von meiner eben noch dagewesenen Schwäche und inneren Zerrissenheit ist nichts mehr vorhanden. Ich fühle mich wohl hier. Es fühlt sich absolut richtig an, Masons Atemzügen zu lauschen und seinen Herzschlag unter mir zu spüren. So als wäre es das Normalste der Welt.
„Schlaf gut, Em." Er haucht mir einen Kuss auf den Scheitel und lässt dann seinen Kopf ins Kissen sinken.
„Gute Nacht", flüstere ich.
Aber an Schlaf ist nicht zu denken. Ich lausche, wie Masons Atemzüge gleichmäßiger und ruhiger werden. Ich betrachte ihn näher. Kurz bin ich versucht, seine Bartstoppeln zu berühren, kann mich dann aber doch beherrschen. Seine Gesichtszüge sind entspannt. Meine Augen gleiten über sein Gesicht zu seinem Haaransatz.
Seine Haare stehen in alle Richtungen von seinem Kopf und ich will gar nicht wissen, wie ich selbst aussehe. Bestimmt sind meine Augen gerötet, wenn nicht geschwollen. Wie konnte mich Mason nur mit so einem liebevollen Ausdruck in den Augen ansehen, während ich aussehe wie ein Zombie?
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Behind my mask
Teen Fiction„Weil ich nichts wert bin." Zischend vor Schmerz will ich ihm meine Hand entziehen, die er noch immer fest umklammert hält. Aber dafür ist es schon zu spät. Mein Ärmel ist ein Stück weit hochgerutscht. Sein Blick ist auf die blauen Flecken, die rote...