Kapitel 15

389 18 1
                                    

Mason lehnt an meinem Türrahmen, als ich von meinem Laptop aufschaue, da ich ein Rascheln gehört habe, und ich zucke erschrocken zusammen.

„Was machst du denn hier?", frage ich überrascht.

Er hebt seine Schultern, aber um seine Mundwinkel zuckt es verdächtig.

„Hast du heute schon was gegessen?"

Ich nicke. Mason scheint seit unserer letzten Begegnung zu wissen, dass das Thema Essen etwas kompliziert ist, was mich betrifft. Aber das scheint ihn nicht zu stören, sondern sogar noch anzuspornen.

Vermutlich wirkt er deshalb nicht sonderlich überzeugt von meinem Nicken. Er betritt den Raum und stellt sich neben mich. Interessiert fällt sein Blick hinter mich. Ich habe bis eben noch einen Artikel über Berichterstattung und Pressefreiheit in Diktaturen auf meinem Laptop gelesen.

„Komm. Wir gehen jetzt zusammen essen. Dieser Artikel verschwindet nicht, außerdem sieht das auch nicht besonders spannend aus."

Und noch bevor ich überhaupt protestieren kann, hat Mason schon nach meiner Hand gegriffen und mich hinter sich hergezogen. So bleibt mir nichts anderes übrig, als hinter ihm die Treppen hinunterzustolpern. Gemeinsam treten wir nach draußen. Der kühle Wind des Abends bringt ein Willkommen mit sich und lässt mich dankbar dafür sein, dass meine Bluse langärmlig ist. Ich unterdrücke ein Erschaudern, aus Furcht, Mason könnte mir seine Jacke anbieten. Diese Dynamik zwischen uns verwirrt mich. Ich weiß nicht, was das ist.

Nach einem kurzen Spaziergang sind wir an einem Restaurant angekommen und ich bin mir mehr als bewusst, wie nah wir uns sind, wie groß er ist. Ich bin so verwirrt von diesem Mann. Er macht mich nervös.

Mason wirft mir einen Seitenblick zu. „Wir können einen Tisch hier draußen nehmen, wenn du willst."

Es ist nicht überfüllt und so können wir uns einen der fünf freien Tische hinter der Holzbalustrade aussuchen.

Ich lasse mich auf einen Stuhl fallen. Sofort streicht der Wind über mich hinweg und entlockt mir ein Zittern, bevor ich meine Reaktion im Zaum halten kann. Als ich aufschaue, steht Mason vor mir.

„Du frierst." Es ist keine Frage, sondern eine Feststellung.

„Nein, alles gut", versichere ich ihm. Es ist nicht nur der Windstoß, der mich überrumpelt und meine Zähne zum Klappern bringt, sondern auch die Nervosität, die ich in dieser Umgebung verspüre. Ich will nichts essen. Vor allem nicht vor Mason.

Zu meiner Überraschung legt er seine Finger sanft um mein Handgelenk und zieht mich auf die Füße. Fußspitze an Fußspitze stehen wir da. Ich spüre seinen Atem, so nah sind wir uns. Seine Berührung verjagt die Kühle, die ich bis eben noch verspürt habe, und ein Hitzegefühl bahnt sich seinen Weg über meinen Arm.

Ein weiterer Windstoß lässt mir meine Haare vor meine Augen wehen. Mason lässt meine Arme los, nur um mir die Strähne sanft aus dem Gesicht zu streichen. Seine Finger verweilen auf meiner Wange.

„Du brauchst keine Angst zu haben. Alles ist gut, okay?" Seine Stimme ist behutsam. Mein nervöser Herzschlag beginnt sich beim Klang seiner rauen und zugleich sanften Stimme zu beruhigen. Ich nicke.

Mason lässt mit einem letzten mich eindringlich musternden Blick seine Finger langsam von meinem Gesicht sinken, bevor er sich auf seinen Platz setzt.

Leise italienische Musik dringt an meine Ohren. Ich nehme die laminierte Speisekarte, die in der Tischmitte liegt. Mason tut es mir gleich. Unsere Finger streifen sich für einen kurzen Moment. Ich blicke auf. Mason scheint diese Elektrizität ebenfalls bemerkt zu haben, die ich gespürt habe, als seine Finger meine gestreift habe. Ich schnappe nach Luft. Mein Blick ist für mehrere intensive Sekunden in seinen gefangen. Mason lächelt mich an.

Eine kräftige italienische Kellnerin in den Vierzigern kommt an unseren Tisch und begrüßt uns. Mühsam löse ich meine Augen von Mason und schaue zu der Frau auf, die vor unserem Tisch steht und erwartungsvoll einen Block und einen Stift bereithält.

„Was wollen Sie denn essen?" Ihre Aussprache ist gebrochen. Ich lächle, als ich ihren Akzent höre. Er lässt mich an Urlaub denken und hebt meine Stimmung.

Ich schaue Mason hilflos an. Ich weiß nicht, was ich bestellen soll. Ich will nicht in seiner Anwesenheit oder überhaupt in der Anwesenheit von irgendjemanden essen. Mason scheint mein Unbehagen bemerkt zu haben, denn er nennt der Kellnerin eine Nummer aus der Karte.

Mit einem Blick auf einen der wenigen Nachbartische, die besetzt sind, erklärt mir Mason, dass die Portionen hier riesig sind und es deshalb doch sinnvoll ist, wenn wir uns ein Gericht teilen. Das klingt einleuchtend. Ich nicke nur, aus Angst, meine Stimme könnte versagen, wenn ich jetzt den Mund öffne.

Übelkeit steigt in mir auf, als ich daran denke, dass in kurzer Zeit ein Teller vor mir stehen wird. Ein Anflug von blanker Panik erfüllt mich. Ich atme tief und ein und wieder aus. Dabei versuche ich meine Atemgeräusche zu unterdrücken, damit Mason meine Angst nicht bemerkt. Am liebsten würde ich die Augen schließen, aber das wäre nur noch auffälliger.

Die Stille zwischen uns macht mich zusätzlich wahnsinnig. Ich weiß aber nicht, über was wir reden könnten. Mason sagt ebenfalls kein Wort, sondern mustert mich eindringlich. Seine Augen liegen auf mir, sein Gesichtsausdruck ist unergründbar. Ich weiß nicht, was er gerade denkt. Ich befürchte, im Gegensatz zu ihm bin ich ein offenes Buch und ich bin sicher, man sieht mir an, dass ich kurz vor einer Panikattacke stehe. Meine Atmung wird nicht ruhiger. Auch, dass meine Hände sich mittlerweile tief in die Haut meines Handgelenks gebohrt haben, führt nicht zu dem üblichen Gefühl der Selbstkontrolle. Ich habe schreckliche Angst.

Gerade als ich doch meinen Mut zusammennehmen will, um diese erdrückende Stille zu durchbrechen, bringt ein Kellner uns zwei Gläser Wein. Mason nimmt einen großen Schluck, als wüsste auch er nicht, wie er mit der Situation umgehen soll. Ich nippe an meinem Glas und muss feststellen, dass er überraschend gut schmeckt.

Als ich mein Glas wieder abgestellt habe, greift Mason über den Tisch nach meiner Hand.

„Was tust du da?", wispere ich leise. Meine Stimme ist rau und heiser. So als hätte ich die letzten Wochen kein Wort gesprochen.

„Dich auf andere Gedanken bringen", antwortet er leicht schmunzelnd. Er haucht einen Kuss auf meinen Handrücken.

„Du solltest dir nicht so viele Sorgen machen, das steht dir nicht", er zwinkert mir zu und reibt mit dem Daumen über meine Fingerknöchel.

Das jagt mir ein Kribbeln durch den ganzen Körper. Es ist angenehm und reißt mich tatsächlich aus meinem Panikstrudel. Es beruhigt mich mehr als meine Rituale oder der Alkohol und das macht mir Angst.

Dankbar lächle ich Mason an. Mein Lächeln ist bestimmt mickrig, aber zu mehr bin ich gerade nicht in der Lage.

Masons Augen beginnen zu leuchten, als er meine Geste bemerkt. Er beobachtet mich so intensiv, dass mir schon fast schwindelig wird.

„Du bist viel schöner, wenn du lächelst, Emilia. Das solltest du öfter machen."

Wieder wird mir im ganzen Körper warm und ich spüre, dass ich rot werde. Fast bin ich schon froh, dass der Kellner gerade in diesem Moment mit einem großen Teller Pasta kommt und vor uns abstellt. Aber eben nur fast. In mir zieht sich alles zusammen, als ich den Duft des Essens rieche. Mir wird schlecht. Ich kann jetzt nichts essen. 

Behind my maskWo Geschichten leben. Entdecke jetzt