Kapitel 25

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Die nächsten Tage vergehen wie im Flug. Ich bekomme kaum jemanden zu Gesicht, sondern stürze mich in eine Lernodyssee. Es bleiben nur noch ein paar Wochen bis zu den ersten Klausuren. Joleen lächelt mich jeden Tag wissend an, wenn ich wieder völlig abgehetzt in der Bib auftauche.

An solchen Tagen bereue ich es, mir einen derart vollbepackten Stundenplan auferlegt zu haben. 30 ECTS werden empfohlen, ich habe 37 ECTS, schreibe dementsprechend viele Klausuren und habe umso weniger freie Zeit. Freie Zeit, die ich unglaublich gerne nur für mich nutzen würde. Aber andererseits lenkt mich das Lernen von meinen inneren Kämpfen ab und ich muss nicht allzu viel über die Geister meiner Vergangenheit und Mason nachdenken.

Letzterem laufe ich ihn den letzten Tagen nur sporadisch über den Weg. Nur selten tragen mich meine Füße in die Cafeteria, in welcher Mason, Will, Ally und Cathy ihren festen Stammplatz haben. Die vier hätten bestimmt einen Sitzplatz für mich frei, aber nur, weil ich mich dank Mason immer mehr mit dem Thema Essen auseinandersetze, heißt das noch lange nicht, dass ich darauf erpicht bin, in einem Raum mit hunderten von Studenten Nahrung in mich hineinzuschaufeln. Allein beim Gedanken daran spüre ich ein unangenehmes Pochen in meiner Magengegend.

Auch das Wochenende verbringe ich nahezu alleine. Mason und seine Mannschaft haben ein Auswärtsspiel. Sie sind mit dem Flugzeug zum Gegner geflogen. Wann immer ich Mason in letzter Zeit begegnet bin, hat er von nichts anderem gesprochen.



Und so kommt es, dass wir uns pünktlich zum Anpfiff alle in der Küche versammeln, um den Jungs bei ihrem wichtigen Spiel zuzuschauen. Wir haben in der Küche einen kleinen alten Fernseher an der Wand hängen. Ally zappt sich nervös durch die Kanäle, bis sie den Sportkanal findet, auf dem die Live-Übertragung ausgestrahlt wird. Die Spiele der Major League sind etwas Besonderes und dass es Mason und Will beide soweit geschafft haben, noch viel mehr. Beide haben einen Vertrag bis Ende der Saison. Und beide hoffen, dass sie bleiben können.

Doch das heutige Spiel entscheidet, ob sie in die Playoffs kommen oder nicht. Das Spiel findet in Cincinnati gegen den Football Club Cincinnati statt. Und die verstehen was vom Soccer.

Ich kann Allys Nervosität verstehen. Dieses Spiel ist wirklich entscheidend. Wenn sie gewinnen, kommen sie in die Playoffs und haben eine Chance auf den MLS-Cup. Das wäre hammermäßig, galaktisch, ping pong fantastisch geil. Sowas macht mich wahnsinnig. Auf heißen Kohlen sitzen und nichts tun zu können, als abzuwarten. Die Jungs haben die ganze Saison über so gut gespielt, sie hätten es wirklich verdient.

Schon nach der ersten Halbzeit liegen meine Nerven blank. Jerry Hartig hat die perfekte Vorlage fürs 1:0 gegeben, die der Stürmer der Cincinnatis natürlich genutzt hat. Da hat Allys wütender Aufschrei, Will soll endlich seinen Arsch dorthin bewegen und Harry McKaile zeigen, wo's lang geht, auch nichts geholfen.

„Ich bekomm keine Luft mehr, Ally!", jammert Cathy, die als mentale Stütze herhalten muss. Ally klammert sich verzweifelt an ihr Handgelenk.

Ein Gegenspieler läuft gerade auf das Tor zu. Ich halte die Luft an. Mason als Torwart und er liefern sich ein faires eins zu eins.

Doch dann grätscht er ihn und erobert den Ball zurück.

Ich springe empört auf. Cathy und Ally schauen mich überrascht an, während ich voll in meinem Element gegen den Schiedsrichter zu schimpfen beginne.

„Habt dir das gesehen! Das war ein klares Foul. Und der Schiri macht nichts: kein Elfmeter oder Freistoß! Das kann doch nicht deren Ernst sein."

Die einzige Reaktion, die ich von beiden erhalte, sind bedeutungsschwere Blicke. Was? Noch vor wenigen Minuten haben beide mitgerissen aufgekreischt, als ein anderer unserer Spieler gefoult wurde.


Gerade ist Mitch Anderson eingewechselt worden. Will ist jetzt draußen.

Aber das nimmt dem Spiel kein Stück seiner Spannung. Luiz Díaz schießt unser 1:1.

Wir drei fallen uns übermütig in die Arme. Zum Glück. Der Ausgleich in der 79. Minute!

Das wurde aber auch Zeit.

Und von da an scheint das Eis gebrochen. Die Zuschauer drehen durch, die Jungs spielen mehr als souverän und fegen wie Wildgewordene über den Platz.

„Wie kann man den Opa nur pfeifen lassen?", ruft Cathy wütend aus, als einer unserer Spieler mit einer gelb-roten Karte gesperrt wird.

Aber auch das hält die Mannschaft nicht davon ab, mit einem 1:3 aus dem Spiel zu gehen.

Mir fällt ein Stein vom Herzen. Sie haben es geschafft sie sind in den Playoffs. Am liebsten würde ich Mason anrufen und ihm zum Sieg gratulieren. Aber das käme total seltsam, nicht? Außerdem wollen die Jungs jetzt bestimmt feiern. Da kann ich nicht einfach so stören.

Und zack bin ich zurück in meinem Schneckenhaus. Wem mache ich eigentlich was vor? Ich rufe ihn nicht an, weil ich nicht stören will, sondern weil ich verdammt nochmal eine riesige Angst hab. Und dabei weiß ich nicht einmal so genau, wovor.

Behind my maskWo Geschichten leben. Entdecke jetzt