Es gibt wenige Themen, über die ich mich stundenlang unterhalten könnte. Aber Bücher und Literatur gehören definitiv dazu.
„Kennst du den neuen Roman von Lara Jones?", Joleen schaut zu mir auf, als ich die Bücher auf die Ablage vor ihr lege. Ich runzle die Stirn und überlege, welchen sie meinen kann. Ich liebe es zu lesen und über Geschichten zu philosophieren.
„Ich denke nicht. Ist der denn lesenswert?", hake ich nach.
Joleens Augen fliegen in die Höhe und sie gestikuliert begeistert mit den Händen.
„Und wie! Ich liebe ihren Schreibstil, sie hat so viel Herzblut und Spannung in der Handlung. Ich war richtig neidisch, wie sie es schafft, so gut mit Worten umzugehen. Weißt du was, ich bring dir das Buch einfach mit, dann kannst du dich selbst davon überzeugen."
Verblüfft von ihrer gutherzigen und zuvorkommenden Art schrecke ich zurück. Sie will mir ihr Buch leihen?
„Das musst du nicht. Ich kann es mir auch selbst kaufen."
„Nichts da. Bei mir steht es eh nur im Regal rum und verstaubt, also ist es viel sinnvoller, wenn es wenigstens noch einmal gelesen wird."
Ich nestle an dem Verschluss meiner Weste. Wie immer packt mich die Unsicherheit, wenn mir jemand ein so großzügiges Angebot macht. Ich weiß einfach nie, wie ich reagieren soll. Aus Höflichkeit will ich am liebsten ablehnen. Es ist mir unangenehm, ein Buch kostenlos geborgt zu bekommen, das neu fünfzehn Euro kostet.
Neuanfang schreit da eine Stimme in mir und erinnert mich, mich nicht immer sofort zurückzuziehen, sondern Kontakte zu knüpfen. Ich atme tief durch, bevor ich Joleen mit einem Lächeln auf den Lippen antworte.
„Das ist nett. Danke!"
Erst letzte Woche habe ich mit Joleen über ein Sachbuch gefachsimpelt, in dem es um Feminismus geht. Joleen und ich teilen da eine ganz ähnliche Meinung, was unser Gespräch erst so richtig interessant gemacht hat. Ich denke, dass Feminismus wichtig ist, aber zurzeit in die falsche Richtung läuft. Das, was die meisten Feministen fordern, ist Gleichberechtigung. Als Frau möchte ich aber nicht gleichberechtigt wie ein Mann werden, sondern gerecht gegenüber dem anderen Geschlecht behandelt werden. Für mich besteht ein riesiger Unterschied zwischen Gerechtigkeit und Gleichberechtigung in dieser Debatte. Vermutlich mache ich da mal wieder ein riesiges Drama um nichts, weil ich so fixiert auf die Begrifflichkeiten bin. Aber ich finde in einer so modernen Gesellschaft sollte es möglich sein, offen und ehrlich seine Meinung als Frau kundtun zu dürfen. Ich finde es schade, dass man als Frau in der Gesellschaft schief angesehen wird, wenn man sich bewusst dafür entschieden hat, auf Karriere zu verzichten und stattdessen als Mutter zu Hause bleibt. Dabei sollten diese Frauen genauso akzeptiert und ihnen mit Respekt entgegengetreten werden wie Frauen, deren Kinder in die Kita gehen und die Karriere machen. Jedes dieser Lebenskonzepte hat seine Vor- und Nachtteile und ich vertrete den Standpunkt, dass keine Frau dafür verurteilt werden sollte, wie sie ihr Leben gestaltet. Das Buch spricht genau diesen Aspekt an und beleuchtet das moderne Bild der Karrierefrau.
Als ich in die WG komme, hat Cathy Besuch von Samuel und bei Alison sind zwei Kommilitoninnen zum Lernen da. Cathy und Samuel stehen in der Küche.
„Hey, Emilia. Willst du mit uns essen? Wir machen Pilzrisotto a la Catherine e Samuél."
Cathy, die wenig begabt versucht ihre beiden Namen französisch auszusprechen, bringt Samuel zum Lachen. Ich wünschte, ich könnte mit Mason auch so ungezwungen und ausgelassen umgehen. Es muss wunderbar sein, wenn man so eine starke Beziehung zueinander hat. Samuel trägt Cathy auf Händen, liest ihr jeden Wunsch von den Augen. Die beiden geben ein Power-Pärchen, wie es im Buche steht, ab.
„Nein danke, ich muss noch etwas lernen."
Mit einem Blick in den Topf, in dem sie die Champignons anbraten, lächle ich die beiden an. „Sieht lecker aus. Lasst es euch schmecken."
Die beiden scheinen aber nicht wirklich enttäuscht darüber zu sein, dass ich ihnen keine Gesellschaft leiste. Vermutlich haben sie mich sowieso nur aus Höflichkeit gefragt, ob ich mich zu ihnen setzen will. Ich kann es ihnen nicht verdenken.
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Behind my mask
Roman pour Adolescents„Weil ich nichts wert bin." Zischend vor Schmerz will ich ihm meine Hand entziehen, die er noch immer fest umklammert hält. Aber dafür ist es schon zu spät. Mein Ärmel ist ein Stück weit hochgerutscht. Sein Blick ist auf die blauen Flecken, die rote...