Manchmal brennt es mir unter den Fingern, kribbelt in den Füßen und ich habe das Bedürfnis, zu schreiben. So auch jetzt. Es ist wie ein Tick. Meine Ideen müssen zu Papier, bevor ich sie vergesse, und zwar so schnell wie möglich, selbst wenn es nur ein paar Randnotizen sind. Erst sobald ich diese verewigt habe, hört die Nervosität und Hibbeligkeit auf. Dabei fängt erst jetzt der eigentliche Prozess an: Nächte, in denen man plötzlich hellwach ist, weil man eine Idee hat, den Geistesblitz, auf den man gewartet hat. Oft ist es irgendein Begriff, Schlagwort oder Ereignis, das mich fesselt und zu dem ich mir dann eine Hintergrundgeschichte ausdenke.
Eigentlich hört sich das alles ganz simpel an. In meinem Kopf läuft ein Film ab. Ich weiß genau, wie meine Protagonisten aussehen, wo sie wohnen, was sie denken. Aber das auch potenziellen Lesern zu ermöglichen, in mein Kopfkino einzutauchen, das ist eine Wissenschaft für sich.
Dieses Talent hat nicht jeder und kann man sich nur schwer erarbeiten. Selbst die Besten stürzen manchmal in eine Schreibblockade und können ihre Ideen einfach nicht schmackhaft übermitteln. Dabei ist genau das das Ziel: ein Netz aus Gedanken für den Leser zu spannen, von dem er sich gerne umspinnen und einlullen lässt, eine Welt zu erschaffen, in die man voller Spannung gerissen wird und erst wieder aus dieser zurückkehren kann, wenn die letzte Seite gelesen und die Geschichte ein positives Ende gefunden hat. Wenn die Geschichte nicht das Ende, das sich der Leser vorstellt, hat – und das ist ganz schön schwierig: ein Ende zu finden, das jedem einzelnen Leser gefällt – dann sollte er die Möglichkeit haben, noch eine Weile länger in dieser Fantasiewelt zu schwelgen und sich ein eigenes Ende auszudenken, so wie es ihm gefällt, damit er dann damit abschließen kann.
Schließlich will man ja seinem Publikum keine schlaflosen Nächte bescheren, weil die letzte Seite nicht den Vorstellungen entsprach. Ein offenes Ende dagegen würde all diese Probleme lösen. Jeder kann sich dann sein eigenes Happy End erfinden oder aber einfach mit Vorfreude sehnsüchtig auf einen zweiten Band warten – was aber auch nicht immer vorkommt. Oft wartet man nämlich vergebens und der Autor hat das Buch längst als beendet abgestempelt. Für den Autor ist dies aber keineswegs einfacher als für seine Leserschaft. Der Autor hat während des gesamten Schreibprozesses in seiner eigenen Welt – in der Welt, die er für sein Buch geschaffen hat – gelebt. Da kann es schon mal vorkommen, dass ein Autor dann plötzlich erschrickt, wenn er an die frische Luft geht und dort ist es warm und sommerlich, während es in seinem Buch gerade weihnachtet. Schleunigst sollte er jetzt den Schal und die Pudelmütze verschwinden lassen.
Ich erschrecke über meine eigenen Gedanken. Der Traum vom eigenen Buch war schon immer da, aber wer würde sich für meine Ideen schon interessieren. Außerdem sind nicht alle Autoren etwas verrückt? Wer sich fiktive Geschichten ausdenkt, hat anscheinend selbst nicht genug Chaos um die Ohren, dass man noch einen Nebenschauplatz erfinden muss. Deshalb schlage ich mir den Wunsch von meinem Autorendasein schnell wieder aus dem Kopf, bevor er sich auch nur entfalten kann. Ich liebe es zu schreiben, das ist die eine Sache. Aber das kann ich als Journalistin bei Zeitungen oder beim Fernsehen oder Radio genauso. Ich zwinge mich, mit meiner Spinnerei aufzuhören und mich wieder auf meine Arbeit zu konzentrieren.
Als das Jucken in meinen Fingern langsam nachlässt, lehne ich mich zurück und schaue auf den Artikel, den ich verfasst habe. In meinem Kurs „Kreatives Schreiben" haben wir eine Hausarbeit bekommen, die bis Montag fertig sein muss. Aber ich bin schrecklich unzufrieden mit meinem Ergebnis. Mir fehlt die Inspiration, mein Kopf ist so matschig. Ich verstehe ja selbst nicht einmal, was ich schreiben will, wie soll ich da andere von meinen Ideen überzeugen. Das ist doch völliger Schwachsinn.
Ich habe aber auch nicht ewig Zeit, um mein Werk zu perfektionieren. Die Aufgaben stapeln sich auf meinem Schreibtisch und ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht. Dass ich mich zusätzlich zu meinem Hauptfach auch noch in den „Medien und Vertrieb"-Kurs eingetragen habe, macht die Situation nicht unbedingt leichter. Damals habe ich es als sinnvoll erachtet, da mir der Kurs in meinem Beruf vielleicht einen Vorteil bringen mag und sich sicherlich auch gut im Lebenslauf macht. Aber gerade zweifle ich an der Entscheidung. Das macht mir nur mehr Stress und den kann ich gerade überhaupt nicht ertragen.
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Behind my mask
Teen Fiction„Weil ich nichts wert bin." Zischend vor Schmerz will ich ihm meine Hand entziehen, die er noch immer fest umklammert hält. Aber dafür ist es schon zu spät. Mein Ärmel ist ein Stück weit hochgerutscht. Sein Blick ist auf die blauen Flecken, die rote...