Lagerfeuer

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Kapitel 14

Severus verlor sich in den endlosen Gesprächen der Anderen, er hörte gerne zu, wenn Sententia vom Tränkebrauen oder über ihre Patienten sprach, Alice und Paul ihre Hochzeit planten und Fran von ihren Reisen, die sie in den letzten Monaten gemacht hatte, berichtete. Fran erzählte, dass sie in Japan und Russland für jeweils vier Wochen war um ihr Buch vorzustellen und Vorträge über Medizin zu besuchen. Sie hatte einige seltsame Dinge beobachtet in Japan. Fran wohnte in einer Hütte am Wald, die sie gemietet hatte, nur einen Kilometer von Mahoutokoro entfernt.

Mahoutokoro liegt auf einer Vulkaninsel in Japan und ist die kleinste Zaubereischule der Welt. Die Schüler beginnen die Ausbildung mit 7 Jahren und einem rosafarbenen Umhang, der sich bei guten Noten golden färbt und mit dem Schüler mitwächst. Wenn sich die Uniform weiß färbt, hat der Schüler entweder das internationale Geheimhaltungsabkommen verletzt oder schwarze Magie angewandt. Er wird dann umgehend der Schule verwiesen und muss sich vor dem japanischen Zaubereiministerium verantworten²⁷.

„Der Wald vor der Schule wird von einigen magischen Wesen bewohnt, Zentauren zum Beispiel“, erzählte Fran, „und eines Nachts, ein paar Tage bevor ich den Brief meiner Mutter bekam, dass sie krank sei, bin ich gegen Mitternacht wegen einem seltsamen Geräusch und einem, wie ich zuerst dachte, Erdbeben, aus dem Schlaf gerissen worden. Ich bin zu Fenster gestürzt und habe gesehen, wie doch tatsächlich eine große Herde Zentauren aus dem Wald geflohen ist. “

„Aber Zentauren verlassen nie ihren Wald.“ „Ja normalerweise. Das hat mich ja auch so gewundert. So etwas hab ich noch nie gesehen. Ein Glück, dass auf der Insel keine Muggel leben, wäre ne mords Arbeit für die Vergissmichs aus dem Ministerium gewesen.“

„Was sie wohl vertrieben hat?“, meinte Sententia.

„Ich hab keine Ahnung. Auf jeden Fall muss es etwas sehr schreckliches gewesen sein, wenn sogar Zentauren sich aus ihren Verstecken trauen. Ich habe vor, nächsten Monat noch einmal zurückzukehren.“

„Fran, es ist gefährlich. Du weißt nicht, was dahintersteckt.“

„Alice, vielleicht hatte es auch nur etwas mit Du-weißt-schon-wem zu tun. Und der ist jetzt tot. Du kannst mich so oder so nicht davon abhalten, das weißt du.“

Alice nickte geschlagen und Severus und Sententia hatten gleichzeitig bei 'Du-weißt-schon-wem´ die Augen verdreht.

Sie hatten den Korb mit den Beeren und die Schale mit den belegten Broten geleert und als die Heilerin auf ihre Uhr schaute, war es schon um Acht. Sie hatten tatsächlich vier Stunden lang geredet und die Zeit vollkommen vergessen.

„Wollen wir jetzt das Feuer anmachen, draußen?“, fragte Polly.

„Ich erledige das.“ Severus wollte ein wenig an die frische Luft und so konnte er zwei Sachen verbinden. Er verließ den Pavillon mit seinem Zauberstab in der rechten Hand.

Es war immer noch sehr warm draußen und die Sonne war weit gen Westen gewandert. Die Vögel in den Baumkronen sangen simple Melodien und hier und da war das wilde Zirpen von Heuschrecken zu hören. Severus drehte seinen Zauberstab so, dass er zur Feuerstelle zeigte und murmelte: „Incendio.“ Sofort flammte das Holz auf und begann zu knacken. Die gelben Flammen tauchten die Steine und das Gras um die Feuerstelle herum in einen goldenen Glanz und auch das blasse Gesicht des Mannes, das heute eine gesündere Farbe angenommen hatte, wurde hell und warm erleuchtet. Er ließ sich auf der runden Bank nieder, die die Stelle in einem Kreis einschloss und durch eine kleine Lücke zu erreichen war. Severus blickte in die Flammen. Wie schön sie doch waren, bestanden sie doch eigentlich nur aus Rußpartikeln und Sauerstoff. Sie hatten unendliche Farbdimensionen, schienen sie in einem Augenblick noch gelb, waren sie im nächsten schon tief orangefarben.

Severus hatte den Kopf auf seine Hände gestützt und hörte ruhig den Geräuschen des Feuers und der Tiere zu. Für einen Moment vergaß er die Menschen im Pavillon hinter sich. Er spürte, dass sich jemand neben ihn gesetzt hatte und er wusste, dass es die Heilerin war. Sie sprach nicht und beobachtete ebenfalls den übermütigen Tanz der Flammen.

Irgendwann sagte sie leise: „Es ist ist wunderschön, nicht wahr?“

„Es tut seinen Zweck“, meinte Severus trocken und sie lachte.

Die Ruhe wurde von dem leisen Quietschen der Holztür gestört; Fran trat, gefolgt von Alice, Polly und Paul, ins Freie und setzte sich stumm auf die gegenüberliegende Seite der Bank. Man konnte das Knistern der Tüte mit den Marshmallows hören, dann reichte Polly Stöcke, auf denen sie jeweils zwei aufgespießt hatte, ringsum durch.

Es wurde ein wenig getuschelt, bis Paul kurz wieder verschwand und ruhige, aber dennoch fröhliche Musik, die gut zu der warmen Lagerfeuer-Stimmung passte, anschaltete. Severus fühlte seit langem wieder ein wenig Glück. Er vermutete, dass diese plötzliche Euphorie am Feuer lag und an den Menschen um ihn herum.

Er schätzte es sehr, dass sie ihn nicht über die Schlacht aushorchten oder ihn mit anderen Fragen löcherten, wusste doch jeder von ihnen, wer er war.

Severus erinnerte sich, wie er einmal, ein einziges Mal, mit seinem Vater campen gegangen war. Und er war ganz normal gewesen. Das ganze Wochenende lang war er nicht betrunken gewesen, hatte nicht ganz Spinner´s End zusammengebrüllt. Er hatte ihm gezeigt, wie man Feuer ohne Zauberstab machte und sie hatten Marshmallows gegessen. Sein Gesichtsausdruck wurde für den Bruchteil einer Sekunde weich bei dem Gedanken. Es war sein einzig schöner an seinen Vater.

Severus wurde sanft aus seinen Gedanken gezogen, als die Frauen ein Lied anstimmten, nachdem Pauls Musik verstummt war. Er kannte das Lied. Er hatte es schon einige Male aus Muggelläden in London tönen gehört. 'Let it be´ hieß es, von einer bekannten Muggelband, die sich 'Die Beatles´ nannte. Severus gab keinen Laut von sich, aber ihm viel auf, welch eine wundervolle Stimme Sententia hatte. So unfassbar warm und sanft, wie er noch keine zuvor gehört hatte. Sie alle blieben noch lange am Feuer sitzen, solange bis es langsam zu dunkel und somit zu gefährlich wurde um noch länger zu bleiben.

Dann kehrten sie zur Klinik zurück...

Schwarze Nacht und dunkelblauer SternenhimmelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt