Herzen und Situs inversi

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Kapitel 43

Die Gäste am Nebentisch waren aufgesprungen und sammelten sich langsam um einen Tisch, an dem zu dem Zeitpunkt, als Severus und Sententia das Lokal betreten hatten, noch ein Mann und eine Frau, doch jetzt? Jetzt kniete die Frau über ihrem Mann am Boden und schrie um Hilfe.

„Han dør, han dør!“, rief sie immer wieder, doch niemand schien mit der Situation umgehen zu können. Sententia griff sich an die Stirn. Es war wie ein Blitz, der sich plötzlich durch ihr Gedächtnis zog und eingestaubte Gedanken sauber wischte. Sie sprang auf und stürzte auf die Menschengruppe, die sich so langsam darum bildete, zu.

„Lasst mich durch, Ich bin Ärztin!“, rief Sententia und bahnte sich einen Weg durch die Leute. Ohne lange nachzudenken kniete sie sich neben den Mann und fühlte seinen Puls. Keiner. Sie begann mit einer Herz-Lungen-Wiederbelebung, als der Patient nicht auf ein „Können sie mich hören, Sir? Wie heißen sie?“ reagierte und er nicht zu atmen schien. Alles war auf einmal wieder da. Sie konnte es, sie wusste, dass sie das alles konnte und es geschah wie automatisch. Es war wie immer. Die ganze Welt um sie herum schien, mit all ihren Geräuschen und Farben aus ihrer Wahrnehmung zu verschwinden bis sie nur noch ein dumpfer, grauer Schleier war. Alles war unwichtig, außer das Menschenleben, dass jetzt auf der Kippe stand.

„Halten sie durch. Sie schaffen das“, sagte sie ruhig, dann fügte sie lauter hinzu: „Und kann bitte jemand endlich den beschissenen Notarzt rufen?“ Noch einmal drückte sie fest auf den Brustkorb des Mannes, dann kam er öffnete er nach Luft japsend die Augen. Die Frau, die zuvor mit ihm an dem Tisch gesessen hatte, atmete sichtlich erleichtert aus. „Schön, sie wieder bei uns zu haben“, sagte sie leise.

„Beeindruckende Arbeit, Ärztin“, meinte Severus zufrieden. Nach Zehn Minuten war endlich ein Krankenwagen vorgefahren, weitere zwei Minuten später konnte jemand übernehmen.

„Danke“, erwiderte Sententia erleichtert, während sie sich wieder auf ihren Stuhl fallen ließ. „Toll, jetzt ist mein Essen kalt.“

„Du kannst meines haben. Ich bin satt“, bot Severus ihr an, aber sie lehnte dankend ab.

„Ich bin eigentlich gar nicht so hungrig. Ich bin mir sicher, dass es bei Liv auch Kuchen gibt.“

Es war kurz vor 5 als sie vor der Tür des Hansen-Hauses standen und Sententia klingelte. Severus warf ihr noch einen reichlich genervten Blick zu, dann wurde die Tür geöffnet und Liv ließ sie herein.

„Es freut mich wirklich sehr, dass sie beide kommen konnten. Es tut gut, mit anderen Menschen zu reden“, sagte sie, während sie sie in das Wohnzimmer führte. Erst jetzt viel der Heilerin auf, dass Liv schwanger war, etwas was gestern durch einen dichten Gartenzaun verborgen wurde, und es ließ sie unweigerlich lächeln. In dem Wohnzimmer gab es einen Fernseher, ein Ecksofa und in der Mitte einen kleinen Holztisch, auf dem Kuchen, Teller und Tassen standen. Auf dem Sofa saß ein Mann mit blondem Vollbart und auf dem Boden malte Freya gerade auf ein leeres Blatt Papier. Als sie die beiden sah, quietschte sie vergnügt auf und krabbelte zu ihrem Vater auf den Schoß. „Nehmen sie doch Platz“, meinte Liv und wedelte mit ihrer Hand in Richtung Sofa. „Das ist mein Mann Alvar.“

„Hi. Liv hat erzählt, sie kommen aus Schottland? Trinkt ihr Briten wirklich so viel Tee wie man sagt?“, fragte er grinsend.

„Trinkt ihr Norweger wirklich so viel Kaffee wie man sagt?“, gab Severus trocken zurück und erntete dafür einen Stoß von Sententias Ellenbogen in die Seite. Liv konnte sich gerade so ein Lachen verkneifen und Alvar hob amüsiert die Augenbraue.

„Ja, wir trinken wirklich so viel Tee. Ich denke, Kaffee ist sicher wichtig, um die kurzen Tage im Winter zu überstehen?“, erwiderte Sententia. Liv nickte.

Schwarze Nacht und dunkelblauer SternenhimmelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt