Heilende Tränen

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Kapitel 11

Die Tür zur Cafeteria stand offen und schon von weitem konnte man das knacken des brennenden Holzes im Kamin hören. Es waren nur noch wenige Menschen da, war es doch schon kurz nach 11. Der Tag war für alle anstrengend gewesen und die wenigen stürzten sich hungrig auf die Reste des Buffets.

„Oh, Ich bin mir sicher, dass noch genug da ist“, meinte die Heilerin zu Severus, die seinen kritischen Blick auf die vollen Teller der Anderen bemerkt hatte.

Und tatsächlich. Als sie vor den Töpfen und Rechauds standen sah Severus, dass die meisten davon noch halb voll waren. Er nahm sich einen Teller und häufte einiges an Essen darauf, die Frau tat es ihm gleich. Dann setzten sie sich an den Tisch, an welchem sie am Morgen bereits gesessen hatten.

Sententia begann das Gespräch: „Sie sagten, sie waren auf Hogwarts? In welchem Haus waren sie?“

„Slytherin. Sie wissen schon, die hinterlistigen Bösen“, meinte er sarkastisch und verdrehte die Augen.

„Die ehrgeizigen und entschlossenen“, fügte Sententia hinzu.

„Mag sein. In welchem Haus waren sie?“

„Ich war eine Ravenclaw. Hätte mir nicht besser passieren können. Es gab einige nette Leute dort.“

„Die gab es, ja.“ Sententia meinte ein wenig Traurigkeit in seiner Stimmer mitschwingen zu hören.

Abwesend starrte er auf den Boden. Er dachte an Lucius. War er noch sein Freund? Stand er bis zuletzt auf Voldemorts Seite? Was er wohl jetzt tut? Weiß er, dass ich am Leben bin?, fragte er sich. Seine Gedanken schweiften ab zu Lily. Er hatte fast einen ganzen Tag nicht mehr an sie gedacht, zu sehr war er abgelenkt gewesen. Er vermisste sie nach so vielen Jahren immer noch. Er bereute das, was er zu ihr gesagt hatte, damals, zu tiefst. Und obwohl es im Streit passiert war, wusste der Mann nicht, ob sie ihm jemals verziehen hatte. Dann dachte er daran, was wohl passiert wäre, wenn er ihr damals erzählt hätte, dass er sie liebte. Hätte Lily seine Gefühle erwidert? Wären sie zusammen gekommen oder wäre sie jetzt trotzdem, wäre sie noch am Leben, mit James Potter verheiratet?

„Severus? Severus ist alles in Ordnung?“, entfernt drang die Stimme der Heilerin zu ihm hindurch, aber sie wurde immer klarer. Severus schaute wieder vom Boden auf und schüttelte energisch den Kopf um die Gedanken zu vertreiben. „Severus ist alles in Ordnung?“, wiederholte die Frau nochmal, „Hören sie, ich weiß wir kennen und noch nicht lange, aber wenn sie jemanden zum reden brauchen, werden sie bei mir und jedem anderen hier immer ein offenes Ohr finden.“

„Ich denke nicht, das meine Probleme irgendjemanden etwas angehen. Ich frage mich nur was ein alter Freund von mir wohl gerade macht.“

Sie nickte, denn sie verstand, dass er gerade nicht darüber reden wollte.

„Vielleicht ein andern Mal", sagte sie daher nur. "Soll ich ihnen eine Eule rufen? Also später? Sie könnten ihm schreiben."

„Wenn es ihnen keine Umstände macht“, erwiderte er knapp und sie aßen weiter.

Irgendwann unterbrach Severus die Ruhe. „Sagen sie, wie funktioniert das mit ihren „Heilkräften“?“ Das spukte ihm tatsächlich schon den ganzen Tag lang im Kopf herum. „Darüber hab ich noch nichts gelesen.“

„Darüber werden sie höchstwahrscheinlich auch nichts finden. Es weiß niemand genau, wie es funktioniert. Ich weiß nur, dass es bei mir über viele Generationen zurück geht. Meine Mutter hat mir schon sehr früh darüber erzählt. Sie wollte dass ich weiß wie sie zu nutzen sind. Sie erzählte, dass sie, als sie klein war, mit ihrer Freundin im Wald spielte und ihre Freundin von einer Doxy gebissen wurde. Sie wussten nicht wie sie Hilfe holen konnten und vor Panik hat meine Mutter angefangen zu weinen. Irgendwie müssen die Tränen auf den Biss gekommen sein, denn er verschloss sich sofort und hinterließ keine Spuren. Meine Großmutter hatte ihr nie von ihren Kräften erzählt. Sie meinte es wäre noch nicht an der Zeit gewesen“, sie verdrehte die Augen, „Naja auf jeden Fall… Wenn eine Wunde, ein Biss zum Beispiel, noch ganz frisch ist und nicht zu groß, reichen Tränen. Je älter oder größer sie ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht ausreichen. Sie sind zwar stark aber an manches Gift kommen sie alleine einfach nicht ran. Alice und ich haben lange an einem Gegengift gegen Naginis Biss herum experimentiert. Wir wussten, dass es dagegen noch nichts gab und deshalb dachten wir, wir sollten eines bereit haben, wenn der erste Fall eintrifft. Wir sind kurz nachdem Arthur eingeliefert wurde auf die richtige Mischung gekommen. Sie wissen noch woraus das Gegengift bestand?“

„Natürlich. Halten sie mich für so vergesslich? Ihre Tränen, Phönixtränen und drei Bezoarteile.“

„Genau. Meine Tränen sind das menschliche Äquivalent zu Phönixtränen.“

„Dieser Vogel. Celeste nicht wahr?“ Sententia nickte. „Gehört sie ihnen?“

„Nein nicht direkt“, antwortete sie. „Sie ist die Begleiterin meiner Mutter und davor war sie die meiner Großmutter. Mum schickt sie immer mal wieder vorbei, aber Celeste würde auch so kommen. Celeste ist sehr hilfsbereit, wissen sie, und sie spürt wenn sie gebraucht wird. Auch wenn sie in Wales bei Mum ist.“

„Phönixe sind interessante Wesen. Dumbledores wurde Fawkes genannt. Nach seinem Tod ist er verschwunden. Er hat den jungen Harry einmal fast zu Tode erschreckt, als er plötzlich zu Asche zerfallen ist“. Seine Augen blitzten ein wenig schadenfroh.

„Sie meinen Harry Potter? Er war ihr Schüler, nicht wahr?“

„Ja das war er.“ Mein Schüler… Eher mein Schützling, dachte Severus. Ohne ihn wäre er vielleicht schon in seinem ersten Hogwartsjahr gestorben. Sie unterhielten sich noch ein wenig, dann standen sie auf, reinigten ihre Teller mit einem „Ratzeputz!“ und gingen aus der Halle.

„Wäre es möglich, dass ich mir noch ein oder zwei Bücher von unten als Lektüre mitnehme?“, fragte Severus.

„Natürlich dürfen sie! Nehmen sie so viele wie sie wollen. Ich kann ihnen morgen auch unsere kleine Bibliothek zeigen, wenn sie möchten. Ich hab meinen freien Tag und wollte selbst noch ein Buch suchen.“

„Das ist doch nicht nötig“, erwiderte der Mann. Doch in ihrem Blick sah er, dass sie sich nicht davon abbringen lassen würde.

Sententia lächelte, dann wandte sie ihren Kopf zur Seite und blickte abwesend zu Boden.

Sie blinzelte schnell, schüttelte den Kopf und sagte dann: „Verzeihung. Wir haben gerade einen Notfallpatienten rein bekommen. Da muss ich hin.“

„Dann retten sie ihn mal“, sagte Severus matt.

„Gute Nacht. Bis morgen“, lächelte die Hexe, dann drehte sie sich um und lief eilig in die Eingangshalle, ihre langen Haare mit einem Gummi zu einem Zopf flechtend. Gute Nacht, dachte Severus, aber sagen tat er es nicht. Er sah ihr noch kurz hinterher, dann verschwand er, die Treppe hinunter, in dem Tränkeraum. Nach wenigen Minuten entschied er sich für zwei Bücher, das eine mit der Aufschrift „Gegengifte aller Art“ und das Zweite, ein rotes auf dem in großen goldenen Buchstaben „Phönixe“ stand. Er hoffte, die Nacht würde so schneller vorbeigehen und er hoffte, weniger Albträume zu haben, wenn er seinen Kopf mit anderen Dingen vollstopfen würde. Es klappte eigentlich nie, aber es hatte sich einiges verändert.

Bereits in das zweite Buch vertieft kehrte er in sein Zimmer zurück…

Schwarze Nacht und dunkelblauer SternenhimmelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt