Geblendete Augen

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Kapitel 48

„Was- was ist das? Wer-?“, stieß sie erschaudern hervor.

„Ich habe nicht die leiseste Ahnung, was das bedeutet oder woher es kommt, aber wenn du noch ein paar Jährchen leben möchtest, sollten wir uns beeilen und schleunigst von hier verschwinden“, erwiderte Severus. Die Bäume schwangen gefährlich hin und her und Äste brachen hinunter, so stark war der Wind geworden. Er packte sie und riss sie gerade noch rechtzeitig zu Seite, denn auch von der Linde brach ein schwerer Ast ab und landete nur einen Zentimeter entfernt von der Stelle, an der sie vor wenigen Sekunden noch gestanden war.

„Um Himmels willen, was passiert hier!“ Sie war erstarrt und schaute entsetzt auf das große Holz, das sie um Haaresbreite erschlagen hätte.

„Ich weiß es nicht.“ Es war so kalt, dass er seine Hand nicht mehr spüren konnte und seinen Zauberstab in seinem Umhang nicht fühlte. Er griff nach Sententias Hand, wobei er sich nicht sicher war, ob er zu fest zugriff oder zu leicht, aber sie verstand und stolperte weg vom Baum und durch die Sträucher, die ihren Umhang zerrissen. Blut vermischte sich mit Wasser und rann an ihrer Hand entlang und hinterließ tiefe Kratzer, aber auch sie konnte nichts fühlen, weil ihre Hände taub waren. Es schienen Stunden zu vergehen, oder Minuten, aber es fühlte sich an wie Ewigkeiten und der Nebel verhüllte ihnen die Sicht.

'Konzentrier dich endlich. Du wirst es doch wohl nach 30 Jahren auf die Reihe kriegen, deinen verfluchten Zauberstab rauszuziehen und ein paar Meter zu apparieren´, sagte es sich wie ein Mantra immer wieder auf, bis er sich selbst so in Rage geschimpft hatte, dass er es schaffte, den Stab zu greifen. Er drückte die Heilerin an sich und innerhalb eines Wimpernschlags materialisierten sie auf der Lichtung vor der verborgenen Klinik.

Die Sonne schien, müde, aber sie schien, und der Wind wehte, eisig, aber ruhig.

„D- Das macht doch keinen Sinn. W-Wie kann das Wetter so- so schnell umspringen? Hier hat es überhaupt nicht geregnet, die Bl-Blätter sind ja ganz trocken.“ Sie konnte sich kaum bewegen, so geschockt war sie und dass ihre Gliedmaßen Eis waren, unterstützte die ganze Situation nicht unbedingt.

Severus schüttelte nur den Kopf. Es war wie Zauberei.

„Wir sollten reingehen. Wir wissen nicht, wie lange es noch so bleibt“, sagte er und reichte ihr die Phiole mit dem lavendelfarbenen Pulver, die aufgefüllt war und in dem Loch im Baumstamm lag. Wie immer. Aber sie hielt sie nur und wusste nicht, was sie jetzt tun sollte. „Heilerin, du musst das Pulver auf die Lichtung streuen. Ich bin kein Arzt, bei mir funktioniert es nicht.“

Sie hatte auf einmal diesen leeren Blick, als würde sie fieberhaft überlegen, was sie gerade tat.

„Wie sind wir denn hierhergekommen? Wir waren doch gerade noch auf der kleinen Lichtung. Warum ist es so kalt, Severus?“, fragte sie und seufzte, weil sie selbst nicht verstand, warum ihr Gehirn immer noch aussetzte, vor allem, wenn sie unter Druck war.

„Lass uns einfach reingehen. Ich habe einen Trank aufgesetzt, der dir helfen wird. Es fehlt nur noch das Mondkraut. Hast du es noch?“, fragte er ruhig. Sententia zog den Beutel mit dem Kraut aus der Innentasche ihres kaputten Umhangs hervor, die zwar völlig durchtränkt war, aber trotzdem war der Beutel trocken. „Gut.“

Sententia warf das Pulver in die Höhe, legte die Phiole wieder zurück in den Baumstamm, dann ging sie entschlossen, aber kopfschüttelnd durch die Flügeltür.

„Himmel, was ist denn mit euch passiert? Seid ihr in den See gefallen?“, fragte Polly, die hinter der Anmeldung saß, und musterte sie durch ihre großen Brillengläser hindurch. „Kindchen, du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.“

Schwarze Nacht und dunkelblauer SternenhimmelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt