Akzeptanz

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Kapitel 25

Fünf Minuten später kehrte die junge Kellnerin mit einer weitaus älteren Frau wieder zurück. Sie war unglaublich mager und buckelig und ihre Haare waren strohig und schienen schon vor vielen Jahren ergraut zu sein, doch in ihren Augen blitzten Neugier und Lebensfreude.
„Das ist Raluka. Wenn ihnen jemand helfen kann, dann ist das sie. Sie ist die Dorfälteste und wohnt hier seit sie geboren wurde. Sie kennt alles und jeden der sich die letzten 90 Jahre hier herumgetrieben hat.“ Die Kellnerin schaute auf und erspähte einen jungen Mann, der sie zu sich winkte, wohl schon seit längerer Zeit, wie Severus feststellte, da er ungeduldig mit den Fingern auf dem Tisch trommelte. „Ich muss dann. Viel Glück ihnen. Ich hoffe sie finden Ihren Richard Hope.“

„Danke. Auf Wiedersehen“, verabschiedete sich die Heilerin, dann wandte sie sich an die alte Frau.

„Hallo Raluka. Ich heiße Sententia und das hier ist Severus." Er nickte der alten Dame zu.
„Hallo Kindchen. Ihr sucht also Richard Hope?“, sprach sie in gebrochenem Englisch, aber so deutlich das man sie trotzdem verstehen konnte.

„In der Tat, das tun wir. War er hier?", wollte Severus wissen.

„Oh ja, das war er. Das ist allerdings schon ein paar Monate her.“

„Ja. Wir wussten nicht wo wir suchen sollten. Wir haben diesen Ort auch nur durch einen glücklichen Zufall gefunden“, erwiderte Sententia.

„Nun, es ist gut, dass ihr jetzt hier seid, denn ich denke, ich kann euch helfen. Hope war vor nun ziemlich genau einem Jahr hier. Er hat nach einem gewissen Viorel Kruoris gesucht. Wollte irgendetwas von ihm kaufen, aber Kruoris war nicht am verabredeten Ort. Hope hat einen Brief bekommen, er solle eine Woche später nach Iașu kommen. Ihr müsst wissen, Kruoris ist ein vielbeschäftigter Geschäftsmann, da kann schonmal etwas dazwischenkommen.“

„Sie wissen nicht zufällig was er kaufen wollte, nehme ich an?“, fragte Severus.

„Nein, tut mir leid. Er hat es erwähnt, ein paar Mal sogar, aber es ist mir wohl entfallen. Wie lange wollt ihr zwei denn noch bleiben?“

„Wir wollten eigentlich nur noch die Nacht über bleiben, nicht wahr?“ Sententia schaute zu Severus, welcher knapp nickte, dann sagte er: „Wir sollten ihn so schnell wie möglich finden.“ „Na dann. Also ihr solltet nach Iașu und Viorel Kruoris dort suchen. Aber nehmt euch vor ihm in Acht. Er war mir noch nie wirklich geheuer.“

„Das werden wir.“

„Nun, Auf Wiedersehen, Kindchen. Oh und wenn ihr doch so lieb wärt und mir eine Eule schicken würdet, wenn ihr ihn gefunden habt, ich würde gern wissen wie es ihm geht.“ Raluka zwinkerte verschwörerisch und humpelte grinsend zur Tür. Sententia und Severus starrten ihr beide perplex hinterher bis Sententia gerade noch ein „Sicher…Danke!“ hervorbrachte und nachdem die Heilerin bezahlt hatte, verließen sie und Severus ebenfalls die Kneipe.

„Was er wohl bei Kruoris kaufen wollte?“, fragte Sententia, nachdem sie am Esstisch saßen und über einer Karte brüteten.

„Wenn ich das nur wüsste. Iașu liegt hier. Wenigstens wissen wir das.“

„Meinst du es ist Kruoris, der ihn festhält?“ „Das kann gut sein. Ich vermute Richard wollte eine wertvolle Zaubertrank Zutat erwerben und irgendetwas ist beim Handel schief gelaufen. Raluka hat selbst gesagt, dass ihr Kruoris suspekt ist. Wir sollten den Weg nehmen.“

„Ich denke nicht, dass Kruoris Richard in Iașu gefangen hat. Er wird ihn woanders hingebracht haben. Vielleicht eine Burg oder ein Schloss?“

„Du meinst wegen dem Kerker? Am besten halten wir hier.“

„Genau. Ich bezweifle, dass es in Iașu ein solches Gebäude gibt.“

„Vermutlich hat er Hope in das Dorf gelockt, Gott weiß warum, und ihn dann in dieses ominöse Schloss verschleppt, dass du gesehen hast.“

„Kann ich den Altlas bitte haben?“

Severus reichte der Heilerin den Wälzer. Welch ein Glück, dass er ihn überhaupt mitgenommen hatte, denn sonst würden sie jetzt in einer ziemlichen Sackgasse stecken. Sententia hatte so etwas völlig vergessen, als sie so schnell wie möglich loswollte und kaum Zeit zum Packen hatte. Gerade noch an das Foto, das Zelt und ein paar Kleidungsstücke hatte sie gedacht und eine Hauselfe losschicken können, um in Gringotts Geld zu holen, dann hatte Fran sie zu einem Notfall gerufen.
Severus hingegen hatte bis jetzt immer einigermaßen ruhige Nachmittage gehabt, im Vergleich zu dem stressigen Schulalltag früher, und hatte so für alles weitere, wenn auch etwas widerwillig, sorgen können.

„Also hier müssen wir als nächstes hin und hier sind wir gerade.“ Sententia umkreiste zwei Punkte mit einem Bleistift auf der Karte im Atlas, was Severus zu einem empörten Schnauben brachte.

„Ich denke wir sollten die direkte Route nehmen", überging sie ihn einfach. „So sind wir zwar nicht sonderlich geschützt aber wenigstens fliegen wir keinen Umweg. Mit einem Desillusionierungszauber sollte es gehen.“

„Gut, meinetwegen“, sagte Severus.

„Severus, ich habe fürchterliche Angst, dass er verrückt wird, während wir ihn suchen und nicht finden.“

„Weil er isoliert ist?“, vervollständigte Severus ihren Gedanken.

„Ja. Es ist schlimmer als jegliche Art von Folter. Es treibt einen letztendlich in den Wahnsinn…“ Severus beäugte sie etwas misstrauisch. Es schien sie wirklich zu belasten, aber er wagte es nicht weiter nachzufragen. Er mochte es ja selbst auch nicht, wenn jemand in seiner Vergangenheit herumbohrte.

„Wir werden ihn finden. Das verspreche ich dir.“ Sententia nickte. „Du solltest dich ausruhen. Morgen wird ein anstrengender Tag“, fügte Severus hinzu.

„Du auch. Gute Nacht“, erwiderte die Heilerin. „Und…Danke, Severus. Danke für alles.“ Mit diesen Worten verschwand sie hinter ihrem Vorhang.

'Wie gut ein Danke doch tut´, dachte der Zauberer sich. Selten hatte man sich bis jetzt bei ihm bedankt.

Nie hatte ein Harry Potter auch nur Anstalten gemacht, ihm zu danken, nach all dem was er für den Jungen getan hatte. Selten hatte Dumbledore auch nur einen Funken von Dankbarkeit ihm gegenüber gezeigt, hatte Forderung nach Forderung gestellt. Doch hatte er auch nur einmal ein 'Dankeschön´ von ihm erhalten, obwohl er Jahre lang sein Leben für ihn, für Potter und für die gesamte Wizarding World riskiert hatte? Hätte es irgendjemandem mehr als ein wenig Überwindung gekostet, dieses kleine Wort zu sagen? Nein. Er hatte es auch nie verlangt, zu sehr fühlte er sich noch schuldig, aber jetzt war er frei. Er musste seine Maske nicht mehr tragen, musste nicht mehr alles Gute von sich stoßen. Er war frei und erst jetzt wurde ihm das schlagartig bewusst. Er hatte Lily nicht retten können, doch er konnte sich retten. Er musste aufhören im Selbstmitleid zu versinken und endlich anfangen zu leben. Das hatte er über die Jahre völlig vergessen, hatte für sie gelebt, für Harry. Severus wollte keine Marionette der Vergangenheit mehr sein, er wollte der Puppenspieler der Zukunft sein. Seiner Zukunft. Lily würde immer ein Teil von ihm bleiben, fast sein ganzes Leben lang war sie es ja gewesen, doch jetzt gehörte dieser Teil der Vergangenheit an. Er hatte sein Versprechen an Lily erfüllt, Harry Potter zu beschützen, soweit es ihm möglich war. In ihm machte sich ein Gefühl bereit, dass er so nicht kannte. Akzeptanz. Akzeptanz für Lilys Tod, dafür, dass er eine selbstständige Person war, die für sich selbst leben konnte und dafür, dass er endlich froh sein konnte, hoffen konnte auf Liebe und Vertrauen. Er wollte Vertrauen von anderen, lachen, gesund lieben und frei sein, denn bis jetzt war er immer Gefangener von Trauer, Wut und Verbitterung gewesen. Er war frei und er akzeptierte. Endlich. Freudentränen rannen an seinen Wangen hinunter und er begann zu lachen. Scheinbar war auch ihm etwas Glück vergönnt. Er lachte sich in einen tiefen traumlosen Schlaf, denn sein Gehirn war derartig von dem neuen Gefühl verwirrt, dass es die Bilder und Eindrücke im Unterbewusstsein nicht ordnen konnte und es schließlich aufgab. Sententia währenddessen stand nur neben seinem Bett und machte gar nichts. Sie wusste zwar nicht, was es war, aber sie wusste, dass er gerade mit etwas abschloss und sie wusste auch, dass ihm das bestimmt nicht leichtgefallen war.

Akzeptieren ist niemals leicht, doch egal wie lange es dauert, irgendwann kommt der Tag an dem sich das Blatt wendet…

Schwarze Nacht und dunkelblauer SternenhimmelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt