Buße

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Kapitel 52

„Oh Severus…Ich-Ich hatte ja keine Ahnung…“

Severus wollte aus dem Bett flüchten, war sich sicher, dass Sententia mit ihm nichts mehr zu tun haben wollte. Er war schwach, feige, nicht gut genug für sie. Es war vorbei, der schöne Traum hatte ein Ende.

„Severus…“, sagte sie leise und hielt ihn an der Hand fest. „Hey. Es ist in Ordnung, Liebling. Es ist in Ordnung. Du bist in Sicherheit. Komm wieder ins Bett, es ist doch kalt.“

„Es tut mir leid. Ich hatte keine Ahnung, was ich anrichten würde.“

„Du hattest keine Wahl, Severus.“ Sie setzte sich auf und zog ihn zurück, sodass er sich auch setzen musste, um nicht umzukippen. Sententia suchte nach Worten, aber sie fand keine, die die Wut für das, was man ihm angetan hatte, ausdrücken konnten. Sicher, das Leben war nicht fair, aber seines war einfach nur grausam.

„Es war ein Fehler, dir das zuzumuten“, sagte er und vergrub sein Gesicht in den Händen.

„Liebling, ist ja gut, beruhige dich.“ Ganz sanft strich sie über seinen Rücken und nahm ihn dann vorsichtig in den Arm. Severus tat gar nichts. Er bewegte sich nicht, sagte kein Wort und starrte nur stur gerade aus. „Severus…“

„Ich kann nicht- Lass-“, presste er hervor und drückte sie von sich weg.

„Severus, ich bin da. Stoß mich nicht von dir weg, dann könnte ich dir vielleicht helfen“, sagte sie ruhig. „Das ist deine Vergangenheit, Liebling, nicht deine Zukunft. Es wird alles wieder gut werden, du musst mir nur vertrauen, dass ich dich nicht verletze.“

„Das tu ich…“

„Siehst du? Beruhige dich erstmal. Wir kriegen das schon wieder hin, ja?“, flüsterte Sententia sanft und ließ sich mit ihm vorsichtig zurück in die Kissen sinken. „Siehst du die Sterne? Ich finde, man kann sie heute Nacht besonders gut sehen, was meinst du?“

Severus nickte erschöpft. Er hatte noch nie so lange eine Verbindung aufrecht gehalten und er hoffte, es auch nicht mehr tun zu müssen. Es war kräftezehrend.

„Weißt du, Mum hat mir früher immer erzählt, dass für jedes verstorbene Geschöpf ein Stern am Himmel aufgeht, damit sie über uns wachen und auf uns aufpassen können“, sagte sie leise. „Solange die Sterne am Himmel sind, sind wir nie wirklich allein. Sie beschützen uns und geben uns Hoffnung und Kraft, man muss nur ab und zu mal zu ihnen hochschauen.“

„Ihr Lavenderfrauen seid weise Menschen, klug, schön, freundlich. Was bin ich?“

„Gut, brillant, beschützend, mutig, talentiert. Soll ich weiter machen? Severus, du redest dich klein. Du schätzt dich selbst viel zu gering, aber wenn du es nicht tut, wird es kaum ein anderer tun. Du bist mir wichtig und ich sehe, dass du es gut meinst.“

„Wegen mir sind-“

„Hörst du wohl damit auf. Es war nicht deine Schuld. Ich bin mir sicher, dass du nicht die Absicht hattest, jemanden zu verletzen. Du hättest es nicht vor ihm verbergen können, Liebling, und du musstest dein Leben retten. Jeder hätte es so gemacht.“

„Du nicht.“

„Das kann niemand sagen, vielleicht ja schon.“

„Ich denke nicht, dass du es getan hättest.“

„Du willst unbedingt, dass ich dir recht gebe, oder? Damit du wieder da stehst, wo du dich siehst. Aber das stimmt nicht. Du bist bei weitem nicht so schlecht und ich bin bei weitem nicht so gut, wie du denkst. Dein Vater hat dir und deiner Mutter schreckliche Dinge angetan und die Spinner auf Hogwarts haben dort weitergemacht, wo er aufgehört hatte. Du warst so unschuldig und sie haben dir so weh getan. Kein Mensch kommt aus sowas unverletzt heraus. Niemand kann das von dir verlangen.“

„Aber nicht jeder schließt sich danach Voldemort an. Nicht jeder wird zu einem Todesser.“ Das letzte Wort würgte er fast hervor, als würde der Klang ihn innerlich töten.

„Das war ein Fehler, Severus, einer. Du hast es bereut, du bereust es immer noch und du büßt dafür jeden Tag, aber du bist frei, siehst du?“, sagte sie und nahm seine Hand. Das Dunkle Mal war verblasst, nur noch feine weiße Linien, die kaum mehr zu erkennen waren, ließen darauf hindeuten, dass auf der Stelle einmal ein Tattoo eingebrannt worden war. „Es ist weg. Du gehörst nicht mehr zu ihnen. Du hast nie wirklich zu ihnen gehört.“

„Ich war drei Jahre lang einer von ihnen. Ich habe zwei Jahre lang genau dasselbe gemacht wie sie.“

„Severus, drei Jahre. Die 17 davor nicht und die 17 danach auch nicht. Du hast sie bekämpft. Du hast deine Dämonen besiegt, und du hast sie besiegt. Wir alle verdanken dir unser Leben. Ich meine, ich wusste, dass du eine wichtige Rolle gespielt hast, sonst hätte die Schreiberschnepfe kein Buch über dich geschrieben (Severus schnaubte), aber dass Harry Potter Voldemort ohne dich niemals hätte besiegen können… Liebling, wir alle wären tot.“

„Aber es sind Leute wegen mir gestorben. Nicht jeder verrät seine Freundin“, sagte er und es lag so viel Bitterkeit in seiner Stimme, dass Sententia fast schlecht wurde.

„Ihr wart keine Freunde mehr. Pettigrew hat sie verraten. Du wolltest sie trotz allem beschützen, aber er hat sie betrogen, weil er zu feige und zu selbstsüchtig war. Du hast so viele Leben gerettet, stell dir doch nur vor, wie viele gestorben wären, hättest du ihm nicht geholfen. Du hast dein Leben gegeben und wenn du es so willst, hast du all deine schlechten Taten, die du niemals wirklich begangen hast, damit bezahlt. Du bist in Sicherheit, Liebling. Halt es dir nicht länger vor. Du hast genug gebüßt. Dein Leben lang hast du gebüßt.“

„Vielleicht hast du recht.“

„Es wird alles wieder gut werden. Wir sind zusammen und niemand kann uns mehr wehtun. Dein Vater ist nicht da, Potter und die anderen sind nicht da, Dumbledore und Voldemort sind nicht da, Severus, dieses Leben ist dein Neuanfang. Deine zweite Chance. Du musst sie nutzen. Du musst einfach.“

Der Wind peitschte gegen die Fenster und eiskalter Regen mit ihm und es war trotzdem warm im Zimmer und alle Möbel schienen zu leuchten, obwohl sie es nicht taten. Sententias Augen glitzerten im Mondlicht und seine eigenen funkelten wie schwarze Diamanten.

Für einen Moment schien alles gut zu sein, und so, als hätten ihre Seelen sich ineinander verschmolzen, so wie ihre Blicke es immer und viel zu oft taten, weil es sich dann anfühlte, als wären sie weniger allein und weniger einsam. Als wären weniger schlimme Dinge passiert, die sie zu den Menschen gemacht hatten, die sie jetzt waren. Als würde alles Schlechte von ihnen abprallen, weil sie, wenn sie nur sich hatten, von etwas wie einem unsichtbaren Schutzschild, den es nur in ihren Gedanken gab, umgeben waren.

Es war wie ein stummes Versprechen, das sie sich immer und immer wieder gaben. Das alles gut war und dass das, was noch nicht gut war, gut werden würde. Dass sie im Tod zueinander gefunden hatten und dass es im Leben ein leichtes wäre, es erneut zu schaffen.

Eine Sternschnuppe fiel in dem Moment vom Himmel, stürzte durch tausende Umlaufbahnen, um irgendwann zu vergehen, wie die Flamme einer Kerze oder ein wütender Sturm.

Schwarze Nacht und dunkelblauer SternenhimmelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt