Zuhause

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Kapitel 32

Wenige Tage später waren sie wieder auf dem Rückweg nach Hause. Sie hatten Demeter und Obsidian in Blutroth abgefangen, waren eine weitere Nacht geblieben, wobei Raluka ihnen bereitwillig Zimmer zur Verfügung gestellt hatte und in aller Frühe am nächsten Tag aufgebrochen um noch vor Einbruch der Finsternis zurück in der Klinik zu sein. Severus schwor sich, nie wieder in seinem Leben einen Besen auch nur anzufassen und er konnte sehen, dass Richard und die Liggeris ebenfalls ihre Probleme mit dem unbequemen Sitz hatten. Nur Sententia thronte auf dem Stiel, als wäre es das alltäglichste überhaupt und ließ ihren Blick über das Wasser des Ärmelkanals unter ihnen schweifen.

„Sieh nur, wie die Sonne glitzert. Es ist fast so schön wie am Waldsee, findest du nicht?“, fragte sie ruhig. „Wenn es doch nur nicht so tief wäre“, fügte sie hinzu. Severus nickte. Es war wirklich ein schöner Anblick. Bald würden sie zuhause sein und bald würde alles wieder ruhig werden.

Nach wenigen Minuten tauchten vor ihnen die Lichter der Englischen Küste wie aus dem Nichts auf, die sich wie Lichterketten zur Weihnachtszeit an dem Land entlangschlängelten.
Und nach etwa einer halben Stunde erschienen ein gewaltiges Schloss mit unzähligen Türmen und ein noch größerer Wald in der Ferne. Severus hörte die Heilerin neben sich seufzen, als sie über die dunklen Bäume flogen, die wohl schon vor einiger Zeit von der Abendsonne berührt worden waren und nun in einem tiefen grau emporragten. Es war nicht so, dass Sententia Heimweh hatte, ganz im Gegenteil, sie wäre liebend gerne noch ein wenig geblieben und hätte sich die Städte und Landschaften angeschaut, aber Reisen mit Zelt und Besen war nicht gerade bequem und der plötzliche Abschied von Alice beziehungsweise der fehlende Abschied von Fran und Polly bereitete ihr ein unwohles Gefühl im Magen.

Und dann landeten sie.

Eine altbekannte Wärme durchfuhr die Heilerin, als sie das kleine Häuslein durch das mehr oder weniger dichte Blätterdach der Bäume blitzen sah. Sie liebte die Welt und ihre Abenteuer, aber das hier war ihr Zuhause und von allen Orten war sie doch hier am liebsten. Sie stieß ein herzhaftes Lachen aus und Richard grinste neben ihr.

Krissi am Empfang klappte, noch während sie mit Polly sprach, die Kinnlade herunter, als sie die fünf Zauberer durch die Eingangstür kommen sah. Polly sah sie daher kurz verwirrt an, aber als auch ihr Blick auf die Personen fiel, stieß sie einen überraschten spitzen Schrei aus und durchquerte mit riesigen Schritten die Halle, die zu solch später Stunde bis auf ein paar wenige Heiler leer war und umarmte Richard unter Tränen. Richard war jahrelang ein guter Freund von Polly gewesen, war es doch ähnlich wie mit Fran, Alice und Sententia, dass sie gemeinsam auf der Schule waren und studiert hatten, bevor sie begannen, in der Klinik zu arbeiten.

„Wo warst du? Um Himmels willen, wir hatten solche Sorge um dich! Du kannst doch nicht einfach verschwinden ohne Tschüss zu sagen“, sagte Polly etwas vorwurfsvoll. Sententia und Severus sahen sich kurz an, als auch Alice und Fran in die Eingangshalle stürzten.

„Ihr seid wieder da! Ihr habt ihn! Oh Sententia du wirst nie wieder verschwinden ohne dich zu verabschieden, damit das klar ist!“, rief Fran ihr entgegen und umarmte ihre Freundin stürmisch. Nachdem sie von ihr abgelassen hatte um weiter zu Richard zu gehen, wurde Sententia auch schon von Alice in Beschlag genommen.

„Also an eurem Benehmen müssen wir wirklich noch arbeiten. Muss das unbedingt hier sein?“, fragte Sententia leise und lächelte froh. Severus fühlte sich ein bisschen fehl am Platz, deshalb ließ er sich in einen Sessel an der Glasfront der Eingangshalle sinken. Man konnte auf den kleinen Garten sehen, mit seinen Blumenbeeten und dem Apfelbaum, der sich hinter dem Schutzzauber befand. Es war zwar schon recht dunkel und er konnte nicht leugnen, dass die Tiefe des Waldes bei Nacht ein Unwohlsein bei ihm auslöste, aber in seinem rechten Augenwinkel konnte er die Silhouetten der anderen sehen.

Schwarze Nacht und dunkelblauer SternenhimmelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt