Lykanthrophie und andere tragische Themen

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Kapitel 15

Die nächsten Tage verliefen nicht weniger hektisch als der Tag nach der Schlacht. Es wurden immer noch Massen an Verletzten eingeliefert, die sich entweder bisher nicht aus ihren Häusern getraut hatten oder noch so in Schock waren, dass sie gar nicht erst gemerkt hatten, wie schwer sie wirklich verletzt waren.

Die Lavenderklinik war eine besonders geschützte Klinik, weil hier die schweren Fälle wie Werwolfsbisse oder Vergiftungen hinkamen, die im St. Mungo ein zu hohes Risiko für die anderen Patienten wären. Sententia wollte sich nicht vorstellen, wie beschäftigt das St. Mungo gerade war, nahmen sie hier oft nur die schlimmsten Fälle oder den Überfluss an Patienten, und waren sie doch momentan schon selber schrecklich überfordert.

Severus hatte angeboten, fehlende Zaubertränke zu brauen und die Vorräte aufzustocken. Es fühlte sich immer noch so an, als musste er eine Schuld begleichen. Wieder mal. Sententia hatte zunächst gezögert, gab jedoch dann nach, mit der Bedingung, er müsse eine Blattspange bei sich tragen, falls er sich schlecht fühlte. Sie hatte hinzugefügt, er müsse sie sich ja nicht in die Haare klemmen, an den Kragen reiche auch. Widerwillig hatte er das Blatt an seinen Kragen geheftet, war dann in den Brauraum gegangen und die nächsten Tage so gut wie nie herausgekommen.

Severus beschloss gegen Donnerstag Mittag noch einmal die Bibliothek aufzusuchen. Gerade als Mrs Krouge ihm eine provisorische Karte gegeben hatte, da sie auf irgendetwas buchen müsste, und er sich umdrehte, um noch einmal in den Regalen nach Büchern über Lykanthropie und Werwolfsbisse zu suchen, stand die Heilerin vor ihm.

„Oh Severus. Hallo. Was machen sie hier?", fragte sie lächelnd. Ja, was mache ich wohl in einer Bibliothek?, dachte er und verdrehte innerlich seine Augen. „Schon gut. Dumme Frage. Denken sie, sie könnten einen winzigen Moment ihrer Zeit für mich opfern? Ich suche ganz dringend ein nützliches Buch über Bisse, aber ich kann keines finden."

Er kräuselte die Lippen und wollte etwas bissiges erwidern, besann sich dann aber darauf, einfach nur zu nicken. Es war nur ein Buch.

Sie gingen zu den Regalen in denen sich Schriften über Tierwesen befanden und machten sich auf die Suche nach einem hilfreichen Buch. Severus staunte insgeheim noch immer, wie alt einige der Bücher hier waren und wie viele er davon noch nicht kannte, ließ sich aber nichts anmerken. Am Schluss jedoch hielt er ein sehr altes, sehr zerfledertes Buch in der Hand. Der Titel war heruntergekratzt und nur ein Bild von einem werwolfsartigen Wesen zeigte an, dass es sich um ein passendes Buch handelte. Sententia fand ein Buch namens 'Haarige Schnauze-Menschliches Herz', eine Autobiografie eines Unbekannten, der an der Lykanthropie leidet und das genaue Beschreibungen der Krankheit, vor allem von den Dingen die in der Vollmondnacht passieren, beinhaltet. Tatsächlich entdeckten sie noch andere Bücher, die so schienen, als könnten sie helfen.

Schließlich verließen sie den Raum und betraten wenige Minuten später die Cafeteria. Seit einigen Tagen herrschte hier schon Trubel; die neuen Patienten hatten die Cafeteria mittlerweile für sich entdeckt, so dass Severus und Sententia ihren Tisch -sie aßen immer zusammen, weil sie sich über die Arbeit unterhalten konnten- reservieren mussten. Fran, Alice, Paul und Polly waren an den Tisch für die Angestellten ausgewichen und unterhielten sich über die kommende Vollmondnacht. Auch auf den Gängen gab es kaum ein anderes Gesprächsthema. Sententia hatte eine große Halle im Keller freimachen können um die Gebissenen, es waren insgesamt 23, dort während der Vollmondnacht am kommenden Sonntag unterzubringen. Die Heilerin fürchtete, der Wolfsbanntrank hatte nicht bei allen gewirkt, war er doch noch relativ neu und noch nicht sehr häufig angewandt worden.

Severus versicherte ihr mehrere Male, dass er beim Brauen keinen Fehler gemacht hatte und ganz sicher niemand bei der Ausgabe des Trankes vergessen wurde. Es bestand jedoch das Risiko, dass einige ihren Trank zu spät eingenommen hatten und er deshalb nicht wirkte. Allerdings wurden dagegen Bannkreise und andere Schutzzauber errichtet um die Halle zu halbieren, damit die Verwandelten, sollte der Trank nicht gewirkt haben, schnell von den anderen getrennt werden konnten. Obwohl sich Werwölfe nicht gegenseitig angreifen bestand die Gefahr, dass sie sich auf einen der Wächter stürzten, die sich bereit erklärt hatten bei den Patienten zu bleiben und aufzupassen.

„Was wenn die Schutzzauber nicht helfen und jemand verletzt wird? Nicht auszudenken wenn...-"

„Sententia, sie sind ja noch hysterischer als Minerva. Und wenn der Trank nicht gewirkt hat. Die Zauber werden halten."

„Meinen sie?"

„Ich bin mir sicher. Wenn es ein Mittel gegen die Lykanthropie geben würde, müssten wir uns darum überhaupt keine Sorgen machen."

„Haben sie denn schon etwas Neues herausgefunden?"

„Nein. Noch nicht. Sobald ich bei einem Brauversuch eine mögliche Zutat hinzufüge, löst sie die Wirkung einer anderen auf."

„Verstehe. Sagen sie, was halten sie davon, wenn wir uns heute Abend mal zusammen setzten und es gemeinsam versuchen? Zwei Köpfe sind immerhin klüger als einer."

Severus zögerte. Normalerweise konnte er sich alleine besser konzentrieren, alles andere lenkte ihn bloß ab. Allerdings hatte er festgestellt, dass die Frau wirklich klug war, auch oft um die Ecke dachte und sich scheinbar auch ein wenig mit Tränken auskannte. Vielleicht fanden sie gemeinsam wirklich eine Lösung.

„Vielleicht haben sie recht. Nach dem Abendessen also?"

„Ja", sagte die Heilerin. Sie aßen fertig und Sententia beschloss zu einigen Patienten zu gehen und nach dem Rechten zu sehen, bevor sie zum dritten Mal die Schutzzauber überprüfte.

Severus hingegen verbrachte die Zeit, wie die letzten Tage auch, im Tränkeraum oder in der Bibliothek. Hier waren nur wenige Menschen und vor allem keine die er kannte, wollte er doch nicht, dass man ihn hier sah.

Sententia hatte ihm zwar eine Eule gezeigt, die er nutzen konnte um Lucius zu kontaktieren, aber er hatte das Tier wieder weggeschickt. Immerhin dachten alle er wäre an dem Biss gestorben. Außerdem war Lucius höchstwahrscheinlich in irgendwelche Gerichtsprozesse verwickelt. Er würde sich sicher dort herauswinden können, nutzte er vermutlich wieder die altbekannte Imperius-Ausrede. So hatte er es davor bereits geschafft; er war eben ein doch zu hohes Tier im Ministerium. Aber immerhin war er für ihn da gewesen. Ja, Lucius hatte ihn oft unterstützt während ihrer Hogwarts-Zeit, wenn James und seine Freunde ihn wieder einmal geärgert hatten. Sie waren auch öfter zusammen in Hogsmeade gewesen vor allem nach dem Streit mit Lily. Lucius und Narzissa hatten ihn aufgeheitert, ihn abgelenkt indem sie Tränke gebraut hatten mit Zutaten aus Professor Slughorns Büro. Es hat ihn immer rasend gemacht, aber er hat sie nie erwischt. Irgendwann aber schloss Lucius sich Voldemort an. Narzissa hätte das nie getan, aber sie unterstützte ihn bei allem was er tat. Sie waren trotzdem noch befreundet obwohl Lucius weniger Zeit für ihn hatte, denn nach seinem Abschluss war er Vollzeit-Todesser. Er hatte Severus dort mit rein gezogen. Wie er immer von der Macht geschwärmt hatte, die er erlangen konnte, wenn Voldemort doch alles regieren würde. Severus hatte sich letztendlich ebenfalls Voldemort angeschlossen. Die anderen Todesser waren entweder außergewöhnlich klug oder außergewöhnlich dumm gewesen sich ihm anzuschließen, aber Severus fühlte sich endlich zuhause. Sie waren wie eine große Familie. Viele andere Slytherins wurden auch aufgenommen und er konnte sich mit ihnen austauschen - über schwarze Magie und Macht selbstverständlich - aber wenigstens war er dort kein Außenseiter. Doch einige Zeit vor Lilys Tod änderte sich alles. Plötzlich fand Severus das Machtgehabe und den Anfang der Folterungen und Ermordungen von Muggeln und Muggelstämmigen, obwohl er selbst daran nie direkt teilgehabt hatte, nämlich gar nicht mehr gut und berechtigt. Er hatte Voldemort von Trelawneys Prophezeiung berichtet und bereute es kurz danach zu tiefst. Deshalb war Lily jetzt tot und deshalb wechselte er die Seiten. Severus hatte geschworen Harry Potter zu beschützten. Für Lily. Er kehrte als Doppelagent für Dumbledore zurück, so hielt Dumbledore ihn aus den Gerichtsprozessen, die nach Voldemorts verschwinden gegen die Todesser liefen, heraus. Es war sehr gefährlich für ihn, das war es bis zum Schluss, aber es war ihm egal. Er wusste, dass er es nie wieder gutmachen konnte, aber wenigstens das Versprechen an seine Freundin wollte er halten und er wollte sich an Voldemort rächen. Dafür, dass er Harry gewählt hatte und sie eiskalt ermordete. Harrys Eltern. Beide.

Ja, er hatte James Potter gehasst, hatte er ihm doch die Schuljahre zu Hölle gemacht und ihn bei jeder Gelegenheit schikaniert, aber er hatte ihm doch nie den Tod gewünscht. Auch James Potter hatte ein solches Schicksal nicht verdient. Das hatte niemand.

Irgendetwas in Severus hatte begonnen sich zu verändern. Es war als wäre er nach so lange Zeit endlich dabei, zu heilen. Doch bis zu seinem Ziel war es noch ein langer, steiniger Weg.

Schwarze Nacht und dunkelblauer SternenhimmelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt