Alchemie und Magie

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Kapitel 50

Sie konnte nicht sagen, wie oft sie die restliche Nacht aufgeschreckt war, weil sie von blinden Augen und Gestalten in grauen Kutten verfolgt wurde. Jedes Mal rannte sie durch den Verbotenen Wald, jedes Mal stand sie einem anderen Dämon ihrer Erinnerungen gegenüber. Ihrem Vater, Kruoris, irgendwelchen mannshohen zerbrochenen Bierflaschen… Und jedes Mal, wenn sie hochfuhr und nach Luft schnappte, fand sie sich in Severus´ Armen wieder, die sie warmhielten und beschützten.

„Ist ja gut“, sagte er dann immer und drückte sie unbeholfen an sich, bis sie aus ihrem Halbschlaf in dem nächsten Traum verschwand. Severus befürchtete, dass sie sich verkühlt hatte bei dem plötzlichen Wetterumschwung.

Der nächste Morgen war regnerisch, eklig und frisch und es gab rein gar nichts, was sie hätten unternehmen können, also setzte sich Sententia nach drei Tassen Kaffee reichlich hibbelig mit Zaubermanns Silbentabelle an den Wohnzimmertisch in ihrer Wohnung und machte sich ans übersetzen, während Severus ins Chalet flohte und mit Richard sprach.
Das Wetter in Wales stellte sich als sehr angenehm raus, denn wenigstens schien die Sonne ein wenig und es war nicht ganz so windig.
Grace Lavender war mit ihrer Nachbarin Novella in die Stadt gefahren, also konnten sie sich ungestört über blinde Augen in Hexagrammen unterhalten.

„Also, ihr habt was gesehen?!“

„Im Wald, kaum zwei Kilometer von der Klinik entfernt. An einer Linde war ein blindes Auge in die Rinde geschnitzt. Die Furchen bluteten“, erklärte Severus. Sie saßen auf dem Sofa und tranken Kaffee.

„Ein blindes Auge?... Gar nicht gut…Ganz und gar nicht gut…“, murmelte Richard und stellte seine Tasse ab. „Wirklich nicht…“

„Wissen sie, was es bedeutet? Es wühlt meine Heilerin auf und ich möchte Schlimmeres vermeiden. Antworten würden ihr sicher guttun.“

„Sie sorgen sich um sie. Das ist gut. Sie braucht jemanden der sie beschützt, aber denken sie nicht, dass sie nicht auf sich aufpassen kann. Sie ist ein taffes Mädchen.“

„Daran habe ich keine Sekunde gezweifelt. Natürlich sorge ich mich um sie. Also? Sie wissen, was die Zeichen bedeuten?“, erwiderte Severus.

„Ich kann ihnen darüber nicht viel sagen. Es ist strengstens geheim. Eine alchemistische Loge, die sich mit der Forschung an Tränken, die weit über unseren Wissensstand herausragen, beschäftigt. Sie sind die besten ihrer Art und ich war einer der Glücklichen, sich zu ihnen zählen zu dürfen, bis Demeter, Obsidian und ich uns entschlossen hatten, die Loge zu verlassen und unsere eigene Arbeit zu machen.“

„An was hat die Loge geforscht?“

„Das kann ich nicht sagen.“

„Sind sie gefährlich?“

„Die Antwort würde ihnen nicht gefallen.“

„Was hat es mit dem blinden Auge auf sich?“

„Der Master ist erblindet. Das Hexagramm steht für die Alchemie. Mehr kann ich nicht sagen. Wenn sie mehr darüber erfahren wollen, müssen sie es selbst herausfinden. Ich kann ihnen nicht mehr über die Loge erzählen.“

„Was suchen sie so weit im Verbotenen Wald? Wieso ritzen sie ihr Zeichen in Bäume?“

„Ich weiß es nicht. Es ist fünfzehn Jahre her, seit ich das letzte Mal bei einem ihrer Treffen war. Ich weiß nicht, was ihr derzeitiges Projekt ist, und ich würde ihnen raten, nicht weiter nachzuforschen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie Neugierige aus dem Weg schaffen.“

Es folgte albernes, sinnloses Geplänkel über Norwegen und alte Pestepidemien, die Dörfer ausrotteten, und Schwarzmärkte, die sich in Bergen befanden und wie neumodische Shoppingmalls aussahen. Es war Mittagszeit, als Grace zurückkehrte und Severus schnell fliehen musste, bevor sie ihm irgendwelche Apfelkuchen aufzwingen und sie zum Abendessen einladen konnte.

Schwarze Nacht und dunkelblauer SternenhimmelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt