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Hätte ich gewusst, dass mein eigentliches Abenteuer erst heute beginnen würde, wäre ich gerne weiter liegen geblieben. Was ich ab heute durchmachen werde, wünsche ich keinem! Es übertrifft absolut alles, was ich bisher in der Wildnis durchmachen musste.

"Aufstehen, Schlafmütze!" bellte meine Schwester freudig und stupste mir mehrere Male in die Seite. Gestern war so viel losgewesen, dass ich gar keine Lust hatte aufzustehen. Das war aber überhaupt nicht typisch für mich - normalerweise war ich immer als erster wach.

Noch total übermüdet stand ich auf und streckte erst einmal alles Viere von mir. "Was hat Lexio denn überhaupt mit uns vor?" gähnte ich und leckte mir erst einmal den Dreck von meiner rechten Pfote. "Ich habe keine Ahnung." meinte meine Schwester und schaute dabei zu wie meine Zunge über meine stumpfen Krallen fuhr. "Und wo ist Jay?" fragte ich und schaute mich um. In dem Moment kam Lexio durch den Eingang der Höhle. "Er ist schon sehr früh wieder losgezogen, aber wo ist euer Bruder?" fragte er, legte ein frisch gefangenes Kaninchen vor seinen Pfoten ab und leckte sich die Schnauze.

"Er ist am Fluss etwas trinken." antwortete meine Schwester. Lexio nickte nur und schob uns beiden das Kaninchen vor die Pfoten. Dann lief er aus der Höhle. Meine Schwester drehte sich weg und legte sich in eine Ecke ungefähr einen Meter von mir entfernt. "Guten Hunger." sagte sie und legte den Kopf auf die Pfoten. "Willst du denn gar nichts essen?" fragte ich verwundert und schaute sie misstrauisch an. Sie schüttelte den Kopf. "Ich bin viel zu aufgeregt, um jetzt etwas zu essen." meinte sie und lächelte mich kurz an. Ich musste anfangen zu lachen. "Was gibt's denn jetzt zu lachen?" fragte sie und konnte sich ein Lächeln ebenfalls nicht verkneifen. Mit einem geschickten Sprung stand ich vor ihr und kitzelte sie erst einmal richtig durch. "Wer bist du und was hast du mit meiner Schwester gemacht?" bellte ich lachend und sie versuchte sich von mir zu befreien, musste jedoch viel zu sehr lachen um das nur ansatzweise zu schaffen. "Lass das, das kitzelt!" jaulte sie und drängte meine Pfoten von ihr weg. "Okay, okay ich esse ja was!" Gab sie nach und ich ließ von ihr ab.

Sie setzte sich hechelnd auf und musste erst einmal kurz verschnaufen. Wir schauten uns gegenseitig an und fingen noch einmal an zu lachen. Dann setzte sie sich zu mir und verschlang das Kaninchen mit mir. Unser Bruder kam rein und fraß den Rest, den wir noch für ihn übrig gelassen hatten. Etwas später waren nur noch ein paar Hautfetzen und Knochen von dem Kaninchen übrig. Lexio kam durch den Eingang der Höhle und schaute sich um. "Gut, alle da." meinte er zufrieden und setzte sich zu uns. "Was hast Du denn heute mit uns vor?" fragte mein Bruder neugierig. "Wir gehen auf Futtersuche!" meinte Lexio. Wir schauten Lexio ungläubig an. "Futtersuche?! Ist das dein ernst?" Ich seufzte. "Irgendwann werdet ihr für euch selbst sorgen müssen, ob ihr wollt oder nicht und ich habe eurer Mutter versprochen, dass ich euch alles beibringen werde, was ihr wissen müsst, um in der Wildnis zu überleben." Wir nickten nur. "Und wo gehen wir auf Futtersuche?" fragte meine Schwester.

Lexio legte ein leichtes Grinsen auf, welches jedoch sofort wieder verschwand. "Wir gehen in die Stadt!" sagte er. Ruckartig spitzten sich gleichzeitig unsere Ohren auf. "In die Stadt?! Ist ja cool!!" freute sich mein Bruder, sprang aufgeregt hin und her und wedelte dabei freudig mit dem Schwanz. "Wo soll es denn bitte in der Stadt etwas Vernünftiges zu Fressen geben?" fragte ich noch nicht ganz überzeugt und schaute Lexio mit schiefgelegtem Kopf und einem misstrauischen Blick an. "Du wirst sehen... in den Gassen der Städte bewahren die Zweibeiner ganz viel zu Fressen in Metallbehältern auf. Das schmeckt echt super!" erklärte Lexio und grinste. Manchmal fragte ich mich jedoch, woher Lexio so viel wusste und wer ihm das Leben als Streuner so zeigte, wie er es heute lebt. Aber noch mehr als das wollte ich zu gerne wissen, warum wir ständig gehungert hatten, wenn es doch so viel zu fressen in den Gassen der Städte gab. "Von hier aus gibt es eine Stadt, ganz in der Nähe." meinte Lexio. Wir gingen aus der Höhle. Das Tageslicht blendete mich und meine Schwester, weil wir heute das erste Mal aus der Höhle herauskamen. Nach einer kurzen Weile hatten wir uns jedoch daran gewöhnt.

Wir liefen eine Weile durch einen Wald. Als wir dessen Ende erreicht hatten, konnte man die Stadt mit den riesigen Gebäuden der Zweibeiner schon erkennen. Sie ragten bis in den Himmel - einfach gigantisch! Als wir endlich an der Stadt angekommen waren gab es nur ein Hindernis: Um die Stadt herum hatten die Zweibeiner eine riesige Mauer gebaut. Da konnten wir unmöglich drüber springen. Wir liefen hinter Lexio her. Er lief die Mauer entlang und fand dann endlich ein Schlupfloch. "Allererste Regel: Wenn ein Zweibeiner euch sieht, dann rennt so schnell ihr könnt vor ihm weg."

Waren etwa die Zweibeiner der Grund dafür, dass wir nicht in einer Stadt lebten?! Lexio kannte sich fast überall aus, dennoch fragte ich mich, ob er hier schon einmal gewesen ist. Oder hatte etwa jede Stadt ein geheimes Schlupfloch?! Wohl kaum... ich und meine Geschwister nickten nur auf seinen Befehl, dann forderte er uns auf, ihm zu folgen. Wir liefen ihm hinterher und waren dann in einer Gasse dieser riesigen Stadt. Wir liefen diese entlang und kamen nach einer Weile an einer Straße an. Darauf fuhren riesige Metallmonster und es sah aus, als hätten diese die Zweibeiner aufgegessen, denn diese saßen wie angewurzelt darin und bewegten sich nur selten - mal mehr mal weniger.

"Auf 3 rennen wir auf die andere Seite!" bellte Lexio und zählte los. "1... 2... 3!!" Ich konnte nicht einmal reagieren, da rannte Lexio schon zwischen den Monstern hindurch. Wie eine tollwütig gewordene Hundemeute stürmten wir über die Straße und sprangen zwischen den Metallmonstern her. Laut dröhnend bewegten sie sich immer auf der Straße, wichen nicht davon ab, aber steuerten auf uns zu als wir die Straße betraten, sodass wir nur ganz knapp ausweichen konnten. Auf der anderen Seite angekommen, mussten wir erst einmal kurz verschnaufen, mit einem freudigen Grinsen im Gesicht, dass wir es geschafft hatten. "Das war ein Adrenalinkick! Ich schwör's euch!" lachte mein Bruder.

Lexio lief voraus in eine der Gassen, wir hinterher. Er schaute meinen Bruder an. "Stell dich an den Anfang der Gasse und pass auf, dass keine Zweibeiner in diese Gasse kommen. Und wenn sich uns ein Zweibeiner nähern sollte, dann bell 3 Mal und renn, so schnell du kannst, zu uns zurück. Achso und pass natürlich auf, dass dich keiner sieht." Mein Bruder nickte, dann lief er zurück an den Anfang der Gasse. "Ihr beiden - mitkommen!!" befahl uns Lexio. An einer Stelle führte die Gasse nach rechts weiter. In der Ecke standen Metalltonnen und ein paar Plastiktüten mit etwas essbaren darin. Die Gasse selbst war ziemlich dunkel, obwohl etwas weiter oben Licht aus den Fenstern der Gebäude schien. Man musste sich hier schon etwas auf seine Nase verlassen können.

Lexio stemmte sich gegen eine der Tonnen, welche mit einem lauten Knall zu Boden fiel. Der Deckel fiel ab und das was sich in der Tonne befunden hatte, fiel heraus. "Nehmt euch was." sagte Lexio und nahm sich etwas von den Essensresten vom Boden. Plötzlich ertönte ein Bellen - Dreimal hintereinander!! Lexio ließ alles zu Boden fallen und lief den Weg rechts der Gasse entlang. "Kommt!" rief er.

Plötzlich trabte mein Bruder gelassen auf uns zu und lachte nach Luft schnappend. "Ihr hättet eure Gesichter sehen müssen!" keuchte er lachend und kugelte sich fast. Lexio erschien aus der Gasse. "Sag mal, hast du sie noch alle?! Knurrte er meinen Bruder an. Dieser zog sofort den Schwanz ein und duckte sich. So wütend hatte ich Lexio selten erlebt. "War doch nur Spaß..." wimmerte er und musste trotzdem leicht grinsen. "Spaß, von wegen Spaß! Das hier ist totaler....." Plötzlich sank Lexio zu Boden. Ich erschrak. "Lexio!" jaulte meine Schwester. Aus seiner Seite schaute ein kleiner Pfeil. Dann sah ich einen Zweibeiner etwas weiter von uns weg, welcher mit einem Rohr auf meine Schwester zielte. Ich sprang dazwischen und der Pfeil, der sich in dem Röhrchen befand und eigentlich meine Schwester hätte treffen sollen, traf mich. Ich konnte nur noch sehen, wie er meine Geschwister ebenfalls mit dem Pfeilen abschoss, dann wurde ich ohnmächtig...

Sky - Hunde an die MachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt