Borderline

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Als ich wieder zu mir komme, liege ich zusammengerollt auf meinem Bett.              
Tränen rinnen über mein ganzes Gesicht und benetzen auch mein Krankenhausnachthemd.
Erst jetzt realisiere ich, dass ich zu viel verdrängt hatte.

" If you keep it all locked up one day it might explode.
But you know I'll be your back up 
If you ever head down that road
I'd expect that you'd be shoot up 
But none of it has showed"

Dieses Lied passt gut zu meiner Situation.
Anna Graceman heißt die Sängerin und ihr Song namens "Living in denial" erzählt eine eigene Geschichte.

Es ist wahr, dass wenn man zu vieles einfach verdrängt, eines Tages explodieren wird.
Es mag vielleicht schlimm sein, wenn man still und heimlich innerlich zerbricht, aber es ist schlimmer, wenn diese Phasen der Verzweiflungen und Ernüchterungen immer wieder einschlagen.

Es ist schlimm Schwäche zu zeigen und um Hilfe zu bitten, da niemand es verstehen wird, warum man immer schwächer und schwächer wird.
Doch, wie könnte es bloß jemand verstehen?
Niemand macht die gleichen Erfahrungen, da  jedes einzelne Leben unterschiedlich gelebt wird.
Es könnte sein, dass es Menschen gibt die ähnliche negative Ereignisse durchlebt haben oder durchleben, aber dies hat nicht zu bedeuten, dass sie diese auch auf die gleiche Art und Weise verarbeiten.

Manche Menschen versuchen ihre Probleme durch den Alkoholkonsum zu  "ertränken".
Und andere wiederrum, greifen zu Drogen um der Realität für eine kurze Zeit zu entfliehen.
Menschen ritzen sich mit Rasierklingen, Messern oder mit Scherben um ihren psychischen Schmerz zu betäuben oder damit sie sich selber klar machen, dass sie noch am Leben sind.
Denn Schmerz kann auch betäuben.
Irgendwann wird es Zeit dass man kalt wird damit der Körper und die Seele nicht mehr leidet.

Ich fühle mich so schwach und zerbrechlich.
Ausgelaugt.
Zerstört.
Trostlos.
Ich hasse es all das Geschehene zu verarbeiten!
Ich bin noch nicht bereit!
Doch, war ich es denn jemals gewesen?

" Sie sind ein sehr nachdenklicher Mensch, Melinda."
Erschrocken zucke ich zusammen, als ich Dr. Peppers Stimme vernehme.
Ich habe nicht bemerkt, dass sie mein Zimmer betreten hat und dass sie sich auf einem Stuhl vor meinem Bett gesetzt hat.

Ich schweige, sehe sie nur an und warte darauf, dass sie weiterredet.
Am liebsten würde ich mit meiner Katze in meinem Bett in der Villa liegen und mit ihr kuscheln.

Bei diesen Gedanken stockt mir der Atem.
"Ursa!
Ich habe eine Katze und sie ist allein zuhause!"

Die Psychotherapeutin lächelt wissend.
"Keine Sorge.
Sie haben Ihrem Freund Jacob die Schlüssel gegeben und ihn darum gebeten auf Ihr Haustier zu achten."
Ein großer Brocken fällt mir vom Herzen und ich atme erleichtert aus.

"Nun widmen wir uns Ihnen zu, Melinda.
Wir haben bei Ihnen eine eindeutige Diagnostik erhalten.
Sie haben Borderline mit 4 zusätzlichen Indikatoren.
Doch sie ist mit einer Psychotherapie positiv zu beeinflussen."

Meine Therapeutin sieht mich vielsagend an.
Ich erwidere ihren Blick kalt.

Coolest winter rainWhere stories live. Discover now