Usually

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Es ist 14:45 Uhr.
Um 15:00 werde ich von meinem besten Freund abgeholt.
Zu Mittag habe kaum ein Bissen vom Mittagessen hinunter bekommen und ich habe nach alle paar Minuten sehnsüchtig auf die Uhr geschaut.
Die Zeiger der Uhr sind langsam vorgeschritten.
Zu langsam sind sie vorgeschritten.
Ich nervös.
Sehr nervös.
Ich frage mich wie ich bloß in meinem alltäglichen Leben nur zurecht kommen soll.
Wie ich wieder dazu fähig sein soll, mein Leben zu führen.
Aber möchte ich denn dieses elendige Leben führen, das ich einst führte?
Möchte ich mich denn weiterhin von meiner Vergangenheit überfallen lassen?

Nein!
Das will ich nicht!
Ich muss mich unbedingt ablenken, sonst werde ich hier noch ganz verrückt und Dr. Pepper wird mich dann weiter hier gefangen halten wollen, wenn ich irgendwelche Symptome vorweise.
Erneut prüfe ich wie spät es ist.
14: 57 Uhr!
In 3 Minuten werde ich abgeholt!
In 3 Minuten werde ich endlich frei sein!
Ich denke an mein alltägliches Leben vor meinem Aufenthalt in der Psychiatrie und seufze betrübt.
Morgens läutet mein Wecker und ich stehe auf.
Meine Katze Ursa liegt neben mir eingerollt oder sie ist schon wach und stupst mich mit ihrer kühlen Nase an.
Ich stehe auf und richte mich für die Arbeit her.
Bevor ich gehe fülle ich Ursas Wasserschüssel und ihr Futternapf auf und mache mich dann auf dem Weg.
Bei der nahe gelegenen Bäckerei hole ich mir manchmal etwas zu essen und einen Kaffee.
In meinem Unternehmen informiert mich meine Partnerin über unseren heutigen Tagesablauf und ich setze mich entweder in mein Büro oder ich sitze im großen Verhandlungsraum und verhandle mit Kunden über unsere Verträge.
Nach einem anstrengenden Arbeitstag gehe ich zu Fuß nachhause oder ich nehme ein Taxi und lasse mich nachhause fahren.

Zuhause in meiner Villa werde ich von Ursa freudig begrüßt.
Ich hebe sie meistens hoch und setze mich mit ihr auf meine Couch.
Manchmal verbringe ich meine Abende vor dem Fernseher oder ich lese ein Buch.
Es gibt auch Abende wo ich sofort schlafen gehe, weil ich einfach sehr müde zuhause ankomme.
Eigentlich sieht mein Leben von außen gesehen, ganz normal aus.
Wenn nicht dieses Monster von Chef nie in mein Leben getreten wäre, dann wäre womöglich alles normal.
Aber wer oder was ist denn schon normal?

Plötzlich wird meine Tür aufgerissen und Jacob kommt mir strahlend mit Dr. Pepper entgegen.
"Meli!
Endlich ist es soweit!
Jetzt bist du endlich raus hier!"
Große Freude schwingt in seiner Stimme mit und seine Augen leuchten.
Auch meine stationäre Psychotherapeutin grinst.
Ich zwinge mich zu einem Lächeln und falle Jacob um den Hals.
"Endlich!
Ich bin endlich raus hier!", brülle ich ihm ins Ohr und lasse ihn los, um einen wilden Freudentanz aufzuführen.
Schließlich nimmt er meinen Koffer wo meine ordentlich zusammengefalteten Klamotten gepackt sind.
Ich sehe mich kein letztes Mal in meinem ehemaligen Patientenzimmer um und betrete mit Dr. Pepper und Jacob den Gang.
Gestern wäre ich fast ertappt worden.
Ich wäre fast erwischt worden.

Elisa Pepper begleit uns bis zur gläsernen Flügeltür und wir verabschieden uns.
"Wenn Sie sich zu einer Psychotherapie entscheiden, dann können Sie sich bei mir melden.
Sie haben ja meine Kontaktinformationen, Melinda."
Ich nicke und bedanke mich für ihre Hilfe.
"Viel Glück!", wünscht mir Dr. Pepper und ich verlasse mit Jacob das Gebäude der psychiatrischen Anstalt.

Da Jacob mit seinem schwarzen Fiat her gefahren ist, möchte er mich mit seinem Auto in meine Villa fahren.
Es herrscht Stille im Auto und auf dem ganzen Weg zu mir.
Leise ertönt Musik aus Jacobs Musikanlage.
"We learn so much
but we still don't understand.
It hurts so bad
Wish you were here so I could hold your hand"
Anna Gracemans Stimme erfüllt den ganzen Wagen und ich entspanne mich etwas.
Musik hat eine heilende und lösende Wirkung auf mich, deswegen liebe ich es zu singen und Klavier zu spielen.
Aber durch die Arbeit komme ich nicht mehr in die Gelegenheit zu musizieren.
Als Kind habe ich in Festen gesungen oder habe Klavierstücke performt.

Als Jacob mich endlich zuhause abgesetzt hat, betrete ich mit aufstauender Anspannung meine Villa.
Als ich hereintrete werde ich sofort von meiner Schmusekatze begrüßt.
Liebevoll hebe ich Ursa hoch und gebe ihr einen Kuss auf ihrer feuchten Nase.

In diesem Moment vermag ich fast zu glauben, dass ich mich nie in der Psychiatrie befunden hätte.

Coolest winter rainWhere stories live. Discover now