Last decision

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Mit verweinten Augen starre ich mein Spiegelbild an. Meine Zelle in der psychiatrischen Anstalt raubt mir meine Erinnerungen an die Außenwelt. Der Wahnsinn hat mich innerhalb von ca. zwei Monaten erfasst und hält mich in seinem eisernen Griff. Mr. Davis nutzt immer noch die Gelegenheit mich zu vergewaltigen und mich psychisch wie physisch fertig zu machen. Jetzt bin ich am Ende meiner Kräfte. Er hat es tatsächlich geschafft mich als Sklavin zu halten. Und ich habe keine Möglichkeiten mehr mich gegen ihn zu wehren. Ich bin zu schwach, zu ausgelaugt und zu kaputt. Er hat mich schon vor langer Zeit gebrochen. Ich dachte, dass die Horrorszenarien in seinem Keller mich fertig gemacht hätten. Aber, nein! Jetzt weiß ich, dass ich endgültig keine Kraft mehr habe. Ich bin nicht mehr fähig mich am Leben zu halten. Ausgebrannt. Überfordert. Ich muss aus diesem Kerker entfliehen! Meine Lebensfreude ist längst nicht mehr da, meine Eltern hassen mich jetzt womöglich. Denn sie haben mich in meiner ersten Woche in dieser Anstalt besucht und mich zu Kleinholz verarbeitet. Sie verachten mich dafür dass ich ihren "Alex" getötet habe. Sie haben mich für immer aus ihrer Familie verbannt und mich dazu aufgefordert meinen Nachnamen zu ändern, denn sie wollen keinen Abschaum wie mich als Tochter bezeichnen. Meine kleinen Geschwister Lola und George haben mich mit voller Abscheu angesehen und Lola hat ihr rosa Armband nach mir beworfen, dass ich zu ihrem fünften Geburtstag für sie mit großer Mühe und sehr viel Liebe gebastelt hatte.
Als meine Familie weg war, habe ich unter Tränen alle Papiere für meine Namensänderung ausgefüllt. Seit einem Monat heiße ich Melinda Anastasia Avril Grace Holisons. Es lässt mein Herzen immer wieder vor Schmerz schneller schlagen, wenn ich an dieses Ereignis denke. Sogar Jacob hat sich von mir abgewendet. Ich habe meinen besten Freund verloren!
Aber das ist mir egal.
Ich möchte niemanden zwingen mich zu mögen und niemanden anbetteln, damit sie bei mir bleiben. Wer gehen will, soll bitte gehen, aber auch nie wieder zurück kehren. Ich habe die Nase gehörig voll! Doch, wie soll ich mein Leben hier weiter führen? Soll ich mein restliches Leben hier verbringen, nur weil man mich für verrückt hält? Soll ich es zulassen, dass ich nie wieder meine Flügel ausbreiten darf um in die Lüfte zu schweben? Meine Kraft ist sehr erschöpft und ich habe keine Energiequelle mehr. Einst war es die Musik, doch jetzt ist nichts mehr von meiner Leidenschaft übrig geblieben. Ich sehe einfach keinen Sinn mehr in meinem Leben und ich habe vor kurzem beschlossen, keinen mehr zu suchen.
"Mrs. Holinson? Ihre Therapie beginnt bald!" Erschrocken sehe ich die Wärterin an und nicke langsam. Schwerfällig stehe ich auf und gehe los. Seit kurzem darf ich alleine den Weg zu meinem sogenannten "Therapeuten" antreten. Aber heute lasse ich mich nicht mehr quälen! Heute ist der Tag meiner Befreiung. Der 6. September wird für mein Tag des Glückes sein, auch wenn ich im Reich der Toten erreicht habe. Dieser Tag wird für immer bleiben. Ich habe eine ganz einfache Spritze in meinem Ärmel geschoben, den ich einmal vom Schreibtisch von Dr. Pepper gestohlen habe, und stehe vor Mr. Davis Therapiezimmer. Zögernd klopfe ich an und trete ein, nachdem sein "Herein!", ertönt. Mit einem Lächeln im Gesicht sieht er mich an. "Hey, Schätzchen! Bist du für unsere heutige Partie schon bereit?" Finster blicke ihm in die Augen. Da sich in letzter Zeit meine Augenfarbe verändert, treffen graue mandelförmige Augen auf braune große. "Ich bin bereit, aber heute nöchte ich dir entgegen kommen." Erfreut vergrößern sich seine Augen und ich gehe auf ihn zu. Als ich ihn am Kittel zu mir ziehe und meine Lippen auf seine lege, packt er automatisch meinen Hintern und quetscht meine Pobacken zusammen. Wir vertiefen unseren Kuss und das ist mein Moment um mich entgültig zu rächen. Blitzschnell ziehe ich meine Spritze aus meinem Ärmel und pumpe sie mit Luft. Sofort steche ich ihm in den Hals und entziehe mich ihm. "Waaas? Haaasssstt... du... ge-getahn?" Amüsiert grinse ich diesen Mann an. "Ich habe dafür gesorgt, dass du wirklich stirbst. Viel Spaß beim sterben! Wir sehen uns in der Hölle, Alexander Davis!"
Ruckartig drehe ich mich um und gehe. Aber bevor ich gehe, drücke ich viele Medikamente aus ihren Plastikhüllen. Es ist ein Vorteil für mich, dass der Medikamentenschrank in Mr. Davis Büro ist. Ich nehme mir immer nur eine Tablette aus jeder Packung und verstecke sie in meinem Ärmel. Dann durchsuche ich den Schreibtisch. In einer Schublade finde ich einen Revolver. Schnell nehme ich diese Waffe an mich.Wie ferngesteuert verlasse ich das Zimmer, wo die Leiche eines Monsters liegt. Ich schaffe es unbemerkt auf den Dach der psychiatrischen Anstalt zu kommen. Ich genieße den Ausblick von oben. Langsam lasse ich das Treiben der Welt hinter mir und fange an mir Tabletgen in den Mund zu stopfen und sie zu schlucken. Der kälteste Winterregen wütet in meinem Inneren.
Ich denke noch ein letztes Mal an meine Familie, sehe die Gesichter meiner Liebsten vor mir. Lias Lächeln ist in meinem Kopf eingebrannt. Wir haben seit langer Zeit keinen Kontakt mehr und diese Erkenntnis trifft mich erst jetzt wie ein heftiger Tritt in den Bauch. Ich werde sie nie wieder sehen. Ob meine Eltern weinen werden, wenn sie an meinem Grab stehen? Ob sie mich vermissen werden? Wird es überhaupt ein Grab für mich geben? Ich bin mir nicht sicher, ob ich noch irgendjemandem wichtig bin. Mit ziffernden Händen halte ich den Revolver an mein Herz. Tränen benetzen mein Gesicht. Ich will nicht sterben, doch ich habe keine andere Wahl. Um aus diesem Käfig zu fliehen, muss ich aus diesem Leben scheiden. Der kühlste und härteste Winterregen wütet immer noch in mir.
Meine letzte Entscheidung ist gefallen. Ich schieße. Ein ohrenbetäubender Knall ist zu hören. Einige Leute scheinen den Schuss gehört zu haben und fangen an panisch zu schreien. Ich stehe hier oben und sterbe. Mein Blut fließt aus meiner Wunde. Mein Mund öffnet sich und ein tonloser Schrei entweicht meinen Lippen.

Der Winterregen in mir hat sich in mir beruhigt.
Ich spüre nichts mehr und falle.
Falle in die Tiefe.
Ich fühle mich so leicht wie eine Feder.
Und innerhalb eines kurzen Wimpernschlages sehe ich das weiße Licht und gehe.
Für immer.

Für immer in das Reich der Toten.

Coolest winter rainWhere stories live. Discover now