104. Tonnenschwer

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So jetzt bin ich wieder da. Tut mir leid!
Erzählt mir mal etwas über eure Woche! Wie geht es euch? Ehrlich?
This feel like home

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Pov Franzi

Natürlich versuchte ich Harry zu wecken, als wir die Farm erreichten.

Es war immerhin ein Versprechen gewesen, das ich gegeben hatte. Und ich gab mir alle Mühe, mein Wort zu halten. Aber der Lockenkopf schien so tief in den Wogen des Schlafes versunken zu sein, dass nicht mal Nils genervtes Gestöhne beim Aufwachen ihn seien Augen hatte öffnen lassen. Und erstrecht nicht mein sanftes Schütteln.

Meine Oma warf einen Blick nach hinten und ihr Grinsen vertiefte sich, als sie den träumenden Haz und den schlaftrunkenen Nils entdeckte. Sie zwinkerte mir zu.

,,Wie wärs, wenn du die zwei Jungs die Treppe hoch balancierst und ich mich um die Köfferchen kümmere, hm? Ich hab dir und Nils eure Zimmer fertig gemacht, ihr kommt schließlich nach Hause in eure eigenen Räume. Für Harry hab ich das alte Zimmer von Monika geräumt, sie braucht es ja nicht mehr, wo sie sowieso nur bei deinem Vater schläft."

Ich nickte. Der Gedanke an mein altes, gemütliches Zimmer voller halbantiker Möbel, die meine Mom als Kind besessen hatte, wärmte mein Herz und spornte mich dazu an, Nils aus dem Auto und Harry aus dem Schlaf zu schubsen. Nicht die feine englische Art, aber da waren wir ja auch grade nicht. Hier galten andere Regeln. Nämlich meine. Punkt.

,,Au! Bist du noch ganz dicht?!", zickte Nils, als er in die australische Nacht flog und beleidigt auf dem Hinterteil landete. Ich fands lustig. Monikas Blick zufolge tat sie das nicht. Mir doch egal.

,,Hazzyyyyyy", jammerte ich in Harrys Ohr und zog an seinem Arm herum, um auch den Grünäugigen wach zu kriegen. Den schubste ich nämlich sicher nicht aus dem Auto, da war er viel zu lieb für. Außerdem verdiente er seinen Schlaf eigentlich, denn mit Sicherheit hatte der Schlumpf im Flugzeug nicht eine Sekunde die Augen geschlossen, um zu träumen, sondern nur um seine Angst zu vergessen. Der Junge brauchte Schlaf, neues Selbstwertgefühl, was zu Essen und Menschen, die ihm Liebe bewiesen. Wenn da mal nicht diese Farm perfekt für ihn war!

,,Sind wir schon da?", murmelte Harry leise und ich beobachtete amüsiert, wie er schwerfällig die Lider hob, nur um sie sofort wieder zu schließen, obwohl die Innenbeleuchtung des Wagens wirklich schwach war. Die Kiste hatte aber auch schon einige Jahre auf dem Buckel.

,,Genau, Schlafmütze. Ich bring dich zu deinem Bett, aber laufen musst du selbst, ja?", erwiderte ich etwas sanfter und stupste meinem besten Freund nochmal aufmunternd in die Seite, damit er auch wirklich nicht mehr schlief.

Harry rieb sich die Augen und gähnte.

,,O-okay."

Mit einem beruhigenden Grinsen hievte ich mich aus dem weichen Sitz und plumpste neben Nils auf den gekiesten Vorplatz der Ställe, bei denen wir geparkt hatten. Augenblicklich schloss ich die Augen und sog die vertraute Luft in meine Lungen.

Der Geruch von Heu, Pferdehaaren, Leder und natürlich Mist, den Monika gerne als Gestank abtat, kroch durch meine Luftröhre und hinterließ eine Spur aus Heimat in meinem Inneren. So war ich aufgewachsen, mit Tieren, Schmutz, Natur und Leben. Der Gestank der Abgase in London würde mich niemals so enthusiastisch begrüßen wie das Schnauben der Pferde in den Ställen. Alles in mir vergaß die Anstrengung der Reise und die Jungs und die Urzeit, ich wollte jetzt dort rein!

Ich öffnete die Augen und gab meine anderen Sinne frei, um mein Zuhause zu begutachten.

Draußen war alles schwarz, die dröhnende Stille wurde durch das Geflüster meiner Familie und das Schlagen von Autotüren durchbrochen, aber die Atmosphäre glühte trotzdem vor lauter Vertrautheit hell und strahlend.

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