114. Abschied

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Next one, bissle kürzer als letztes, ja sowas.
Everything that's good comes to an end

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Pov Harry

Als ich das nächste Mal die Augen aufschlug, tat ich das weniger aus freiem Willen, als wegen dem nervtötenden Geräusch meines überpünktlichen Weckers, den mein Wunsch, es solle niemals Morgen werden, nicht die Bohne interessierte.

Zum letzten Mal erblickte ich Sekunden nach dem Aufwachen über mir die krummen Balken, die die oberste Etage des Farmhauses trugen. Zuhause in London tauchte nach dem Augen öffnen nur eine kühle Decke vor mir auf, die Holzbalken hier waren ein Anblick, an den ich mich die letzten Morgende gewöhnt hatte und den ich vermissen würde.

Ein paar schnöde Holzstücke waren allerdings nicht alles, was ich vermissen würde, sobald ich heute Nachmittag in dieses Flugzeug steigen würde. Die frische Seeluft, die das Atmen in London nochmal schwieriger erscheinen ließ. Die Freiheit, die all meine Erinnerungen an enge Gassen, vollgestopfte Straßen und Menschenmassen überall in der Stadt noch bedrückender erscheinen ließ. Die Pferde, die ich aus irgendeinem Grund tatsächlich wirklich gut leiden konnte und die in mir den Wunsch auslösten, mir ein Haustier zu besorgen, auch wenn ich nie darüber nachgedacht hatte. Die gesamte, unheimlich vertraute Atmosphäre hier, die mich wie Zuhause fühlen ließ. Und...das Meer. Das verdammte Meer, dazu gab nichts weiter zu sagen. Und Maya, die mir einfach ans Herz gewachsen war.

Ich schloss die Augen, um wieder in meinen Träumen zu versinken. Da war es deutlich weniger schmerzhaft, mich ein paar Stunden vorauszudenken. Und irgendwohin zurückkehren musste ich auch nicht, nicht mal einen Gedanken fassen war nötig.

Der an London weckte in mir gemischte Gefühle.

Ich freute mich unglaublich auf meine Freunde, sie alle hatte ich die letzte Woche über mehr vermisst, als ich es für möglich gehalten hätte. Trotz Telefonaten und all den Nachrichten war es einfach viel zu ungewohnt, sie nicht tagtäglich in den Arm zu nehmen und lustige Küchengespräche zu führen, ich war nie länger als ein paar Tage von ihnen getrennt gewesen. Und London war mein Zuhause, seit immer. Die Stadt war nicht immer mein Freund und bot andere Ecken und Kanten als Australien, aber eigentlich liebte ich sie aus ganzem Herzen, meine Heimat.

Wieder dort zu sein würde bedeuten, das nur Vertrautes auf mich wartete. Und Vertrautes war eigentlich immer gut.
Hatte ich gedacht, vor Australien, bevor ich darüber nachgedacht hatte, das Veränderungen nicht per se schlecht sein musste.

Andererseits wartete in London nämlich nicht nur Vertrautes, das ich schmerzlich vermisst hatte, sondern auch Einiges, das ich lieber noch eine Weile vergessen wollte. Alles, was meinen Bruder betraf, zum Beispiel. Und noch viel mehr alles, was mit Derek zusammenhing oder mit unserer Beziehung.

Ich musste nachdenken. Meine impulsiven Gedanken von Mittwochabend waren formlos, aber sie waren da. Und all die Gefühle, die mich innerlich auffraßen und dazu treiben wollten, einfach nur zu schreien, waren es ebenso. Die Wut, der Schmerz, die Angst. Und die vermaledeite Liebe. Ich hatte sie immer für das schönste Gefühl gehalten, das man empfinden konnte, für etwas, was einen erst wirklich vollständig fühlen ließ und einem die Möglichkeit eröffnete, die Welt mit ganz anderen Augen zu sehen. Aber jetzt lernte ich, dass die Liebe ebenso schmerzhaft wie schön und ebenso verzaubernd wie trügerisch war. Vielleicht hatte sie mich eine Zeit lang glücklich gemacht und mich fühlen lassen, als würde die ganze Welt schweben, aber jetzt grade sorgte sie dafür, dass ich mich innerlich zerrissen und völlig verblendet fühlte. 

Was in London wartete, war ein Derek, der verdammt sauer auf mich war, weil ich ihn seit meinem Geburtstag nicht nur ignoriert hatte, sondern auch noch nach Australien geflogen war, ohne auch nur ein Wort mit ihm zu wechseln. Ein Derek, vor dem ich fruchtbar Angst hatte. Aber dieses Mal trat ich ihm nicht nur verängstigt, sondern auch noch unglaublich zornig entgegen. Ich wusste bloß nicht, wie ich all meine Gedanken und Gefühle mit ihm teilen sollte, ohne vorher einzuknicken. Wenn er mir überhaupt zuhörte. Vielleicht machte Derek es mir ja auch leicht und machte selbst mit mir Schluss.

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