"Nur noch gerade aus." Loki lächelte. Mit Sigyns Reaktion hatte er gerechnet. Wütend stapfte sie davon und verschwand hinter der nächsten Ecke. Langsam schlenderte Loki zurück, um sich ein Stockwert höher vor das große Fenster zu stellen, welches einen hervorragenden Blick auf den Trainingsplatz bot. Wie erwartet trainierten die Soldaten Vanaheims mit der asischen Garde. Loki ließ seinen Blick über den Platz schweifen, als er Sigyn sah, die flink über den Platz huschte und zu einem Hauptmann lief, der sich mit anderen Soldaten unterhielt. Unbemerkt schritt Loki näher an das Fenster, um eine bessere Aussicht zu haben.
Wie ein heimlicher Beobachter ließ er die Szene auf sich wirken, die sich ihm bot: Sigyn und der Vanir, den Loki als Sitznachbar vom Speisesaal der Garde aus Vanaheim erkannte, gingen zum Rand des Platzes, um allein zu sein. Kurz bevor sie aus Lokis Blickfeld verschwanden, blieben sie stehen und Sigyn warf sich dem Vanir förmlich in die Arme.
"So ist das also..." sprach er leise zu sich selbst. Genau konnte er es nicht erkennen, aber sie schien zu weinen und die Garde strich ihr tröstend über den Rücken.
Loki hatte genug gesehen, als er sich mit leichtem Kopfschütteln vom Fenster entfernte und zurück zu seinem Zimmer lief. Das Gespräch mit seiner Mutter würde er verschieben.
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Es war nicht schwer, das bekannte Gesicht von Gavin unter den zahlreichen Soldaten auszumachen; Sigyn kannte ihren Freund seit etlichen Jahren. Ohne auf die anderen Soldaten zu achten, die hier auf dem Platz trainierten, lief sie geradewegs auf Gavin zu, der sie erst freundlich ansah, aber dann ihren Blick bemerkte. Behutsam führte er sie an den Rand des Platzes.
Überwältigt vom Geschehen des Tages fiel Sigyn Gavin in die Arme. Sie hatte ihm gegenüber noch nie solche starken Emotionen gezeigt. Natürlich hatte sie ihm wissen lassen, wenn sie traurig war. Aber dies äußerte sich meist in Wut und manchmal waren sie gemeinsam in den Wald gegangen und Sigyn hatte alles heraus geschrien oder sich dermaßen in Rage geredet, dass selbst Gavin sie kaum beruhigen konnte. Dass sie sich jetzt weinend in seine Arme fallen ließ, war auch für ihn neu.
Sigyn spürte seine Hände, die ihren Rücken streichelten und es beruhigte sie enorm, dass Gavin in Asgard war. "Was ist denn los?" fragte er vorsichtig. Sigyn atmete tief durch und wischte sich die Tränen aus den Augen. "Kannst du dir das vorstellen? Ich soll ihn heiraten! Heiraten! ICH!" Wild fuchtelte sie mit ihrem Armen und wies immer wieder in Richtung des Palastes. Gavin verstand kein Wort, aber Sigyn redete sich weiter in Rage. "Dieser arrogante Fatzke, dieser abgehobene Schnösel! Stolziert hier rum, als wäre er der Allvater höchstpersölich!" Gavin sah sich um, denn auch andere Soldaten wurden von Sigyns lauter Aussprache aufmerksam.
"Sssht!" versuchte er sie zum Schweigen zu bringen. "Wer? Von wem redest du? Wen sollst du heiraten?"
"Loki! Kannst du dir das vorstellen? Wie ist das möglich?! Ich als sein kleines Weib?! Und das Beste kommt ja noch!" Sigyn lachte gespielt auf. "Zusammen sollen wir über Vanaheim herrschen, sobald Vater es nicht mehr kann! Er! In Vanaheim! Hast du dich hier mal umgesehen, wie es hier aussieht? Voller Protz und Prunk und im Gegensatz dazu schöne Vanaheim." Gavin nahm die Hände seiner Freundin und versuchte sie zu beruhigen. "Sprich doch bitte etwas leiser, sie schauen schon alle."
Die Nachricht Sigyns hatte ihn sichtlich getroffen. Es war ihm bewusst, dass der Aufenthalt in Asgard keine Spaßveranstaltung sein wird, aber damit hatte auch er nicht gerechnet. Natürlich wusste Gavin, dass Sigyn irgendwann Vanaheim regieren wird, immerhin ist sie die einzige Erbin von König Lotir. Ihm war aber nie in den Sinn gekommen, dass ein Ehemann dafür gebraucht wurde. Und selbst wenn, dann dachte er zumindest, Sigyn konnte sich ihren Mann selber aussuchen.
"Gavin, ich brauche deine Hilfe." Sigyn sah ihrem Freund tief in die Augen. "Wir müssen Vater davon überzeugen, diesen Gedanken aufzugeben. Es kann doch auch nicht in seinem Sinne sein, mich unglücklich zu machen.
"Und wie kann ich dir dabei helfen?"
"Ich weiß es nicht. Vielleicht sollte ich ihm ein Gegenangebot unterbreiten." Sigyn sah ihm tief in die Augen. Sie wollte es nicht aussprechen müssen, Gavin sollte selbst darauf kommen. Er war ihr Freund seit Kindertagen, aber niemals war sie auf die Idee gekommen, dass er mal mehr für sein könnte. Sie fühlte sie wohl in seiner Nähe und natürlich war sie auch schon eifersüchtig gewesen, wenn er mit anderen Frauen sprach. Aber sie konnte nicht behaupten, verliebt in ihn zu sein. Eher war er wie ein Bruder für sie.
"Was meinst du..." Gavin schien ihre Gedanken lesen zu können und verzog etwas das Gesicht. "Was schaust du denn so seltsam." Sigyn war über den Gesichtsausdruck etwas entsetzt, den sie sah.
"Wenn du 'Gegenangebot' sagst," begann Gavin vorsichtig, "dann meine ich einen anderen Mann, den ich heiraten werde." beendete Sigyn seinen Satz.
"Und wer soll das sein?" fragte er langsam, immer noch in der Hoffnung, das Sigyn es nicht aussprechen würde.
"Dich."
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Macht
FanfictionSigyn ist eine Prinzessin. Ihre Vorfahren waren einst Götter Asgards, als diese sich vor mehreren tausend Jahren dazu entschieden, Vanaheim zu besiedeln, um dort ein einfacheres Leben zu führen. Unter Asgards Schutz haben sich die Vanir eigenständig...