Macht

42

Sigyn lag auf dem Bett und hatte die Augen geschlossen, als Loki an ihre Tür klopfte und ohne eine Antwort abzuwarten, hinein trat. Und obwohl sie nicht geschlafen hatte, streckte sie sich müde und gähnte. Loki setzte sich zu ihr und strich ihr über die Wange, was einen angenehmen Schauer über Sigyns Haut laufen ließ. Als wäre es das normalste der Welt, legte sie ihren Kof in seine Hand.

"Ich habe eine Lösung für unser Problem." begann Loki und hatte sofort ihre volle Aufmerksamkeit. Neugierig sah Sigyn Loki an.

"Ich hasse mich dafür, dass wir nicht eher nach dir gesucht haben. Und ich werde es mir niemals verzeihen, welche Qualen du durchleben musstest. Und es gibt nur eine Möglichkeit, meiner Meinung nach, die dir Genugtuung, wenn nicht sogar Linderung verschaffen kann."

"Und die wäre?"

"Laufeys Tod!"

Loki knallte ihr seine Worte um die Ohren. Das war auch genau das, was Sigyn dachte, aber laut ausgesprochen war es doch eine andere Nummer. Natürlich sollte Laufey für das, was er ihrem Vater, Gavin und all den Vanir angetan hatte, büßen. Aber wie, war ihr bis jetzt nicht klar. Zudem hat Laufey sich irgendwo versteckt und selbst Heimdall kann ihn nicht ausmachen.

"Und wie?"

"Er will den Tesserakt. Das hat er selbst gesagt. Also nehmen wir ihn und führen Laufey damit nach Midgard. Midgard ist eher unbedeutend, die Menschen dort sind von weniger Intelligenz und Verluste wären zwar traurig, aber vertretbar."

"Was ist der Tesserakt überhaupt? Umd warum Midgard?"

Sigyn hatte so viele Fragen, aber Loki schien gut vorbereitet zu sein.

"Der Tesserakt ist sehr machtvoll. Am wichtigsten ist zu sagen, dass er wie ein Portal dient. Wenn wir erstmal in seinem Besitz sind, können wir uns überall hin bewegen. Hier in Odins Schatzkammer ist er von allem abgeschirmt. Aber sobald er dort raus ist, kann Laufey ihn spüren, in orten. So wird er uns dann nach Midgard folgen."

Loki war inzwischen vom Bett aufgestanden und lief vor Sigyn auf und ab.

"Und Midgard ist, wie ich schon sagte, eher unbedeutend. Wir wollen keinen Krieg in Vanaheim und auch nicht in Asgard. Zudem soll mein Vater nichts davon mitbekommen. Durch Heimdall wird er sowieso schnell davon erfahren."

Sigyn überlegte.

"Und was machen wir dann auf Midgard, so gänzlich ohne Soldaten? Wir zwei werden es wohl kaum mit ihm und den verbleibenden Eisriesen aufnehmen können..."

Loki schmunzelte.

"Auf Midgard gibt es diese 'Helden'. Sie werden die Arbeit für uns übernehmen, denn wenn Midgard angegriffen wird, sind sie sofort da, um es zu verteidigen. Und wenn wir etwas Glück haben, töten sie sogar Laufey für uns."

Obwohl sie es nicht zugeben wollte, war Lokis Plan besser als ihr eigener. Was ihr nicht gefiel, war Midgard darin einzubeziehen. Die Menschen hatten mit der ganzen Sache nichts zu tun. Dennoch wollte sie Vanaheim schützen.

"Und selbst wenn es so läuft, du sagst, gibt es ein großes Problem." sagte Sigyn schließlich.

"Und das wäre?"

"Der Tesserakt ist in Odins Schatzkammer. Wir können da nicht einfach reinmarschieren und ihn ausleihen."

"Das stimmt. Aber da werden wir uns gut ergänzen." Lokis Augen leuchteten. "Ich bin der Gott der Täuschung und des Schabernacks. Ich kann die Wachen ablenken und lege dann einen Zauber über dich. Du bist eine hervorragende Jägerin! Du schleichst dich lautlos rein und sobald du den Tesserakt hast, machen wir uns auf den Weg nach Midgard."

Sigyn stand vom Bett auf und ging auf Loki zu. Ihr Herz hüpfte und in ihrem Bauch flogen Schmetterlinge.

"Dann lass uns sofort loslegen, solange ich noch mutig genug bin!"

******

Loki verließ Sigyns Gemächern. Natürlich war es so gelaufen, wie er es geplant hatte. Und natürlich war es gefährlich. Aber er liebte Sigyn und wollte ihr die neun Welten zu Füßen legen. Laufey musste büßen für das, was er ihr angetan hatte!

Und es hatte einen kleinen, aber nicht zu unterschätzenden Nabeneffekt: Heimdall würde Odin sofort davon erzählen, sobald die Eisriesen Midgard angriffen. Und Thor, selbsternannter Beschützer der mickrigen Menschen, würde zur Hilfe eilen. Bei all den 'Helden', die Midgard hatte, wären die Eisriesen ein starker Gegner für sie. Und sicherlich wird es der ein oder andere schaffen, Thor zur Strecke zu bringen.

Loki mochte seinen Bruder, aber er stand ihm im Weg. Nur durch seinen Tod ist der Weg auf Asgards Thron frei. Und nur dann kann Loki zusammen mit Sgyn über die neun Welten herrschen. Und sie hätte es mehr als verdient. Zusammen würden sie den Frieden bringen, wenn nicht sogar über mehr als die bisher neun Welten herrschen.

Es war sein Geburtsrecht. Und es war Sigyns Geburtsrecht.