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Die kalten Regentropfen bahnten sich ihren Weg über Sigyn Nacken und direkt ihren Rücken herunter, als sie mit Loki über den Innenhof rannte. Die warme Luft der kleinen Küche kam ihr entgegen, als sie hölzernere Tür aufstieß. Wie jeden Tag wuselten die Köche und Küchenmägde durch die Küche. Etwas blubberte auf dem großen Herd und frisches Brot wurde aus dem Ofen geholt.

Natürlich konnte man die Küche auch von der Burg erreichen, aber Sigyn war immer mit Gavin über den Innenhof hinein gegangen. Früher hatte sie hier gegessen und auch das Wild, welches sie jagten, wurde hier abgegeben.

Niemand beachtete Sigyn und Loki, als sie hineintraten und es fühlte sich an, als wäre sie nie weg gewesen. Zu ihrer linken war eine Speisekammer. Hier hing das Wild, nachdem es ausgenommen worden war. Sigyn öffnete die schwere Tür und griff um die Ecke. Freudestrahlend hielt sie zwei große Umhänge mit Kapuze in der Hand. Eine reichte sie Loki und den anderen warf sie sich um. Wieder griff sie in die Speisekammer und holte ihren Bogen sowie ihren Köcher heraus.

Beim Rausgehen stibitzte sie noch zwei warme Brote. Der Regen schien etwas nachgelassen zu haben. Heute würde sie Loki den Wald zeigen. Sie hatten nicht viel Zeit, denn morgen früh würden sie sich schon wieder auf den Weg nach Asgard machen müssen.

Gavin stand auf dem Platz und sichtete zusammen mit zwei Kameraden eines der neuen Schwerter. Immer wieder sah er zum Brunnen und Sigyn erkannte Sora. Ihr rotes Band leuchtete im fahlen Tageslicht. Behutsam versteckte sie ihr eigenes Band unter dem langen Ärmel.

"Wartest du kurz hier?" wandte sie sich an Loki, bevor sie ihre Kapuze aufsetzte und zu Gavin ging.

"Guten Morgen." strahlte sie ihn an.

"Morgen." Er würdigte sie keines Blickes und Sigyn verstand nicht, was los war. Er müsste doch eigentlich besserer Laune sein.

"Was hast du?" Sigyn griff seinen Arm und endlich sah er sie an. Vorsichtig zog er sie mit sich mit, auf die anderen Seite des Innenhofs.

"Das hätte ich nie von dir gedacht!" schimpfte er sie an.

"Was meinst du?" fragte Sigyn, als er ihren Arm packte und ihren Ärmel leicht nach oben strich. Das rote Band kam zum Vorschein.

"Das!" zischte er sie an. "Ich hätte niemals gedacht, dass du dich ihm so leicht hingibst." Er machte eine abwertende Kopfbewegung zu Loki, der immer noch unter dem kleinen Vordach der Küche stand und in ihre Richtung sah.

Sigyn entriss sich seinem Griff. "Ach ja? Und was ist mit Sora? Ihr Band erstrahlt fast den gesamten Platz! Noch deutlicher hätte sie sich nicht markieren können. Das ist natürlich in Ordnung!" Sigyn gestikulierte wild mit ihren Armen, nachdem sie sich die Vorwürfe ihres Freundes seit Kindertagen anhören durfte.

"Du hattest mich geben, dich zu heiraten, damit du IHN nicht heiraten musst. Schon vergessen? Was hast du über ihn hergezogen, wie sehr hast du geweint, als du mir davon erzählt hast. Und kaum zwei Wochen in Asgard und schon... Und schon..." Gavin funkelte sie böse an und Sigyn konnte sich nicht erklären, warum er so aufgebracht war.

Der Tag fing so schön an und nun hielt Gavin ihr eine ungerechtfertigte Standpauke. Schnaubend ließ sie ihn zurück und stapfte in den Innenhof. Sofort spürte sie seine Hand, die ihren Arm packte und sie zum Anhalten zwang.

"Ich hätte gedacht, als Prinzessin hat man seine Ehre zu wahren. Ich habe mich wohl geirrt." Seine Augen funkelten sie hasserfüllt an.

"Es reicht!" Ihre Worten hallten laut durch den Hof. Auch andere ließen von ihrer Arbeit ab und betrachteten die Szene, die sich vor ihnen bot.

"Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Ich bin Sigyn Lotirdottir, Prinzessin von Vanaheim und deine zukünftige Königin. Behandle mich gefälligst mir mehr Respekt! Sonst bist du schneller den Titel des Hauptmannes los, als du schauen kannst."

Mit einem Ruck löste Sigyn sich aus seinem Griff. Gavin konnte nicht anders und verbeugte sich kurz, um sie dann alleine stehen zu lassen. Sie hatte ihm unweigerlich klar gemacht, welchen Rang er besaß.

Der Griff um den Bogen, den Sigyn in ihrer Hand hielt, festigte sich. Ohne sich weiter umzusehen, verließ sie schnellen Schrittes den Hof und verschwand im Wald. Sie hatte nicht einmal mehr auf Loki geachtet, der alles beobachtet hatte.

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