"Was war das denn?" nuschelte Loki mehr zu sich selbst.
"Ach, das kommt öfter vor." Eine ältere Küchenmagd hatte sich neben ihn gestellt und die laute Auseinandersetzung beobachtet. "Sie sind wie Hund und Katze, können nicht miteinander aber auch nicht ohne einander. Soll ich euch was zu Essen bringen, Hoheit?"
"Nein, danke. Wohin ist sie gegangen?"
"In den Wald. Es dauert eine Weile, aber dann kommt sie zurück." Die Magd kicherte. "Als die zwei noch Kinder waren, hätten sie sich ihre Köpfe eingeschlagen, wenn wir nicht dazwischen gegangen wären. Gavin weiß am besten, wohin sie gegangen ist. Ihr könnt ihn fragen."
Sie wandte sich ab und verschwand wieder in der Küche. Gavin stand am anderen Ende des Innenhofes. Der Regen hatte vollständig nachgelassen, aber die dunklen Wolken hingen verheißungsvoll am Himmel.
Mit schnellen Schritten ging Loki direkt auf Gavin zu. Er mochte ihn nicht sonderlich, aber er schien zu wissen, wohin Sigyn gegangen ist.
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Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Loki stand dicht neben Gavin und sah ihn finster an. Zusammen mit den anderen Soldaten, mit denen er sich unterhalten hatte, verbeugte er sich tief.
"Such sie!" schleuderte Loki ihm seine Worte um die Ohren.
"Mit Verlaub, Hoheit. Sigyn hat ihren Bogen dabei und ich will heute Abend noch am Leben sein. Sie ist gerade unberechenbar."
"Das war keine Bitte." Gavin sah, wie sich Lokis Gesichtsmuskeln anspannten. Und er wusste, er konnte nichts gegen ihn sagen. Tief seufzend verbeugte Gavin sich vor Loki und lief geradewegs aus dem Innenhof und verschwand im Wald.
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Sigyn rannte vor Wut! Ihre Lungen stachen bereits, aber sie trieb ihre Beine weiter an. Immer wieder blieb der Rock ihres langen Kleides an den Ästen und Sträuchern hängen und hatte einige Löcher in den Stoff gerissen. Unbemerkt rannten Tränen ihren Wangen herunter.
Wie konnte Gavin es wagen!? Wie konnte er ihr so offen seine Meinung sagen!? Natürlich hatte sie in Asgard geweint und natürlich hatte sie sich schnell in Loki verliebt. Aber zu schnell? Wann war ihr alles egal geworden? Warum hatte sie sich ihm hingegeben? Aber war er nicht sowieso ihr zukünftiger Ehemann? Die arrangierte Ehe war unausweichlich, dennoch schien es Gavin zu stören, dass sie sich in Loki verliebt hatte.
Sigyn verlangsamte ihre Schritte und sog die feuchte kühle Waldluft tief ein. Viel zu sehr hatte sie das vermisst. In der Nähe war ein kleiner See; Sigyn kannte den Wald seit ihren Kindertagen und konnte sich blind darin bewegen.
Ein paar Schritte und der See lag direkt vor ihr. Oft war sie mit Gavin hier, in der Dämmerung löschten viele Tiere hier ihren Durst.
Sigyn setzte sich an das Ufer und dachte an die vergangene Nacht. Sie hätte sich Loki nicht hingeben dürfen, Gavin hatte Recht. Und das machte sie wütend. Nicht, weil die Nacht passiert war, nein, weil Gavin vor ihr wusste, dass es nicht rechtens gewesen ist.
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Gavin wusste, er befand sich unbewaffnet in Sigyns Wald. Sie war ihn so scharf angegangen und er fürchtete, ihr direkt vor den Bogen zu laufen. Insgeheim wusste er, dass sie ihn nicht verletzen würde, dennoch fürchtete er einen Warnschuss - denn auch der könnte ins Auge gehen.
Unsicher, ob er sie rufen sollte, bewegte er sich zwar schweigend aber dennoch laut durch den Wald. Der See lag fast vor ihm, als er sie sah. Sigyn!
Sie saß auf dem Boden. Das Knacken der Äste unter seinen Füßen verriet ihn schnell und Sigyn sah direkt in seine Richtung. Abwehrend erhob Gavin seine Hände und lächelte sie verkrampft an.
Ihr Bogen lag neben ihr und irgendwie beruhigte ihn ungemein. Aber ihre Augen waren gerötet und die schniefte. Hatte sie geweint? Langsam kam er näher und Sigyn wandte sich ab und sah wieder auf den See. Sachte setzte er sich und gemeinsam schwiegen sie.
"Hast du mit Sora geschlafen?" Sigyns Worte schnitten wie ein scharfes Schwert durch die Luft.
"Ja."
"Liebst du sie?"
"Ich mag sie. Es war der richtige Zeitpunkt, nichts sprach dagegen."
"Ich habe gefragt, ob du sie liebst..."
"Nein. Jedenfalls jetzt noch nicht, aber es könnte Liebe werden."
Gavin hörte, wie sie tief durchatmete.
"Und du? Liebst du ihn? Loki?"
"Es geht dicht nichts an!"
"Sigyn. Ich bin dir schon immer loyal ergeben. Und jch verspreche dir, sobald du Königin von Vanaheim bist, wird dich daran nichts ändern. Aber ich kann das Selbe nicht von ihm sagen."
Gavin stand auf und hielt Sigyn seine Hand hin. Sie griff danach und er zog sie sanft auf die Füße.
"Dies ist ein schöner Ort." sagte er. "Und nach all der langen Zeit der Freundschaft, bist du mir was schuldig."
Sie sagte nichts und Gavin wusste, wenn er sich jetzt nicht traut, dann würde er nie wieder die Chance bekommen.
"Hier und jetzt, und zwar nur hier und jetzt, sind wir nicht der Hauptmann und die Prinzessin. Wir sind nur Gavin und Sigyn. Denn sonst dürfte ich das nicht machen."
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Kaum hatte Gavin das letzte Wort ausgesprochen, berührten seine Lippen die ihre. Die Zeit schien still zustehen, als Sigyn ihre Augen schloss. Der Wald um sie herum, der Geruch des vergangenen Regens und die Person, der sie am meisten vertraute, dass war es, was sie jetzt brauchte.
Es waren nur Sekunden, als Gavin sich von ihren Lippen löste.
"Das warst du mir schuldig." sagte er, als er ihre Hände losließ.

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Macht
Fiksi PenggemarSigyn ist eine Prinzessin. Ihre Vorfahren waren einst Götter Asgards, als diese sich vor mehreren tausend Jahren dazu entschieden, Vanaheim zu besiedeln, um dort ein einfacheres Leben zu führen. Unter Asgards Schutz haben sich die Vanir eigenständig...