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Sigyn zog sich um. Sie brauchte passende Kleidung, Leinenhose, Stiefel und eine Tunika. Auch Loki wollte sich umziehen. Jetzt, während der Palast noch schlief, hatten sie die perfekte Zeit, um ihren Plan zu beginnen.

Die Aufregung war groß, als Loki erneut vor ihrer Tür stand und sie abholte. Die Wachen auf dem Korridor beachteten sie gar nicht und Loki führte Sigyn in Richtung Schatzkammer. Hinter der letzten Ecke blieben sie stehen.

"Also gut." flüsterte Loki. "Ich werde dich nun unsichtbar machen. Das kostet viel Kraft, du musst dich also beeilen. Der Tesserakt steht als drittes oder viertes Relikt auf der rechten Seite. Er sieht aus wie ein blauer Würfel. Du kannst ihn nicht verfehlen. Ich lenke die Soldaten ab."

Sigyns Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie durfte keinen Fehler machen. Einen Plan, was sie Odin sagen sollten, sollte er nicht aufgehen, hatten sie nicht.

"Okay." flüsterte Sigyn. Loki küsste sie und schon spürte sie seinen Zauber über sich.

Fast lautlos schlich sie zu den zwei Wachen, die vor dem Eingang der Schatzkammer standen, aber sie sahen sie nicht. Hinter ihr hörte sie Loki die Wachen rufen, die sich, wie geplant, auf den Weg zu ihm machten. Die Tür der Schatzkammer ging verhältnismäßig laut auf Sigyn hielt die Luft an, bewegte sich nicht und lugte über die Schulter. Aber keiner kam.

Schnell hindurch geschlüpft betrat sie die Schatzkammer. Fast ehrfürchtig sah Sigyn sie große Treppe hinab. An den Wänden hingen Fakeln und beleuchteten so ihren Weg. Wie durch Loki angekündigt sah sie die ersten Relikte, die auf Säulen in Nischen in den Wänden eingelassen standen. Und tatsächlich! Das vierte Relikt auf der rechten Seite entsprach genau der Beschreibung des Tesserakts!

Sigyn hielt inne. Eine kleine leise Stimme in ihr sagte, dass es nicht richtig war, was sie hier tat. Aber der Wunsch nach Vergeltung war einfach größer, sodass sie den Tesserakt an sich nahm. Irgendwie wartete sie auf einen Alarm, auf Schritte von Soldaten oder Odins strafenden Blick, aber nichts passierte.

Langsam schlich Sigyn zurück zur Tür und erkannte, dass die Soldaten noch nicht zurück auf ihrem Posten waren. Wieder machte die Tür ein lautes Geräusch und leider fiel sie nicht so leise ins Schloss wie geplant, aber es kümmerte Sigyn nicht. Mit schnellen Schritten ging sie zu Loki, als sie fast mit einem der Wachleuten zusammen stieß, der vor der Schatzkammer wache hielt. Sie konnte sich gerade noch ducken, als die Wachen um die Ecke bogen, um ihren Posten einzunehmen.

"Bitte sehr!" fast fröhlich hielt Sigyn Loki den Tesserakt unter die Nase.

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Es schien fast einfacher als gedacht, als Loki den Tesseskt an sich nahm. Odin sollte wirklich sein Sicherheitssystem überdenken, wenn Loki zurück ist. Er selbst werde sich darum kümmern, sobald er Allvater ist.

"Halt dich fest!" sagte er und zog Sigyn fest an sich.

Lautlos nutzte Loki die große Macht de Tesserakts und er und Sigyn brauchten nur Sekunden, bis sie auf  Midgard waren.

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Midgard war kalt und das erste, was Sigyn wahrnahm war die schlechte Luft. Zudem war es laut. Unheimlich laut. Loki hatte sie auf das Dach eines großen Hauses gebracht, von unten drangen seltsame Geräusche in ihre Ohren. Hier gab es keine Bäume und Massen an Menschen drangen über die Wege unter ihren Füßen.

"Willkommen auf Midgard." sagte Loki trocken.

"Und was jetzt?" fragte sie ihn.

"Wir warten. Bald wird jemand kommen. Aber ich hoffe, es sind die Eisriesen und nicht Thor."

"Thor? Warum sollte er kommen?" Sigyn verstand nicht. Natürlich war der Tesserakt verschwunden und es würde bald auffallen, aber dennoch glaubte die, dass Odin höchst persönlich auftauchen und die zwei zur Rechenschaft ziehen würde.

"Naja, Thor gehört zu diesen Helden, die Midgard vor allen beschützen."

"Aber das bedeutet ja, dass er gegen Laufey kämpfen muss! Loki! Ich dachte, wir lassen Asgard aus dieser Angelegenheit raus!"

Sanft legte Loki seine Hand auf Sigyns Wange, aber sie war viel zu aufgebracht.

"Was ist, wenn er verletzt wird? Wir müssen sofort zurück! Wir bringen den Tesserakt nach Asgard, als wäre nie etwas passiert! Loki, bitte!"

Doch es war bereits zu spät. Sigyn spürte die unsagbare Kälte, die in jede Faser ihres Körper kriechen konnte, hörte sie ersten Schreie der Menschen und sah die Zerstörung, die die Eisenriesen mit sich brachten.

"Komm, wir müssen höher stehen." Sigyn spürte erneut den festen Griff um ihre Taillie und stand plötzlich auf einer Plattform, vor einer großen Fensterfront. Loki hatte den Tesserakt erneut genutzt.

"Wer seid ihr denn?" Sigyn drehte sich abrupt um, als sie ein Mann in einer seltsamen roten Rüstung sie ansprach. Sofort stelle sich Loki vor sie und zückte seine Dolche.

Noch bevor jemand antworten konnte, sah Sigyn im Augenwinkel die ihr bekannten leuchtenden Farben des Bifrösts. Das schlechte Gewissen machte sich in ihre breit. Odin würde kommen und das Chaos sehen, was sie angerichtet haben.

"Loki! Sigyn!" Thors Stimme durchschnitt die Schreie, die von den Menschen ausgingen.

"Thor. Was ist hier los?" sprach der Mann in der roten Rüstung und Sigyn erkannte augenblicklich, dass es nicht Odin war, der gekommen ist.

"Musst du immer Chaos anrichten!?" Thor schrie Loki an, der selbst aber nur grinste.

"Thor, wir müssen was tun." der Mann mit der Rüstung schien nun eine Art Helm zu tragen und wies auf das Chaos, dass sich unter ihren Füßen abspielte.

Die Eisriesen gingen erbarmungslos mit den Menschen in den Straßen um und Sigyn bekam eine Ahnung, mit welcher Wucht sie Vanaheim getroffen hatten. Das wollte sie nicht und Thor schien ihren verzweifelten Ausdruck zu sehen.

"Es ist zu spät." sagte Loki. Er ist bereits her. Bruder! Wir können ihn bezwingen! Für alles, was er getan hat!"

Es wäre, als würde sich alles in Sigyn sträuben. Während Thor und Loki weiter stritten und die Situation in den Straßen unter ihnen weiter eskalierte, spürte Sigyn einen stehenden Blick in ihren Nacken. Blitzschnell drehte Sigyn sich um und schaute in die feuerroten Augen, die sie seit Wochen in ihren Träumen verfolgten.

Übermächtig von ihrer Angst, fiel Sigyn rücklings vor Loki auf die Füße. Sofort machten sich Thor, Loki und der Mann in der Rüstung, Sigyn hörte, wie Thor in Stark nannte, bereit für den Kampf.

Auch Laufey hatte Verstärkung dabei. Obwohl Sigyn mehr als fehl am Platz war, war sie wie gelähmt, konnte sich keinen Zentimeter bewegen. Die Angst vor Laufey war einfach zu groß.

Sigyn spürte einen Ruck, als jemand sie unter den Armen anhob. Eine Frau mit wunderschönen roten Haaren zog Sigyn zurück auf ihre Füße.

"Weg hier!" rief sie ihr zu. Die Geräusche des Kampfes dröhnten in ihren Ohren und Sigyns Augen suchten Loki, der gegen mehrere Eisriesen kämpfte. Geschickt setzte er seine Dolche ein, erzeugte Doppelgänger, die nicht nur Laufey, sondern auch Thor und die kleine Gruppe, die an seiner Seite kämpften, verwirrte.

Pfeile sausen durch die Luft, als die Rothaarige Sigyn ins Innere des Gebäude drängte. Immer wieder sah sie sich um, als  ihr der Atem stockte. Etwas unheimlich großes, grünes bahnte sich den Weg zu den Eisriesen und wütete mit einer Kraft, dass nicht nur die Eisriesen töteten. Auch Gebäudeteile flogen durch die Luft.

Kaum umgedreht, sah Sigyn, dass der Kampf sich erst auf das Dach des Nebengebäudes, dann auf die Straße weit unter ihr ausgeweitet hat.

"Bleib hier." Sagte die Rothaarige, bevor sie sich selbst schwungvoll vom Gebäude stürzte.

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