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Mit schnellen Schritten marschierte Sigyn durch den Palast. Sie wollte direkt in den Teil, indem die Soldaten Vanaheims untergebracht war. Auf dem Korridor kam ihr Vater ihr entgegen.

"Sigyn." Er klang überrascht. "Ich dachte, du bist mit Loki unterwegs?" Sigyn zuckte zusammen, als Lotir den Namen aussprach.

"Ich wollte ein bisschen an die frische Luft, ein paar Worte mit Gavin austauschen."

"Begleite mich, mein Kind. Ich habe dir etwas zu sagen, aber nicht hier."

In Sigyns Magen bildete sich ein Knoten. Hatte Loki bereits erzählt, dass ihr die Hand ausgerutscht war. Wurde die Verlobung gelöst? War Vanaheim wegen ihrer Torheit in Gefahr? Sie muss es ihrem Vater unbedingt erklären.

Gemeinsam liefen sie zu ihrem Gemächern, als Loki, die Hände hinter seinem Rücken verschränkt, ihren Weg kreuzte. Lotir verbeugte sich kurz, aber Loki grinste Sigyn schelmisch an, sodass ihr ein kalter Schauer über den Rücken lief.

"Prinzessin Sigyn." Loki ergriff förmlich das Wort. "Ich würde dir noch gern etwas zeigen. Sobald du Zeit hast, komm doch bitte in meine Gemächer. Du weißt ja, wo diese sind. Ich hole nur etwas und erwarte dich dann dort." Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er weiter und ließ Lotir und Sigyn alleine.

Lotirs Augen leuchteten, als Loki den Korridor verlassen hatte.

"Kind!" Die Freude war in seiner Stimme zu hören. "Ich freue mich sehr, dass ihr euch so gut versteht." Sigyn schnaubte leise. Sie konnte Loki von Anfang an nicht leiden, aber nun hatte er eine selbstgefällige Art angenommen, die sie mehr als abstoßend fand.

Lotir hielt seine Tochter die Tür zu seinen Räumen auf, trat dann selbst hinein und setzte sich an den Schreibtisch. Irgendetwas stimmte hier nicht. Seine Truhen waren gepackt und standen im Raum.

"Was ist hier los?" Sigyn wies auf die Truhen. "Reisen wir ab?" Erleichterung machte sich in ihr breit. Endlich! Obwohl sie nur eineinhalb Tage hier waren, kam es Sigyn wie eine Ewigkeit vor. Sie vermisste Vanaheim und sehnte sich nach ihrem eigenen Bett. Und das Beste: Sie würde Loki nicht mehr sehen müssen!

"Natürlich." Lotir riss Sigyn aus ihren Gedanken. "Vanaheim muss regiert werden, wir müssen schauen, was die Schmiede machen und unsere Hauptmänner können zeitnah den Truppen zeigen, was sie hier von den asischen Soldaten gelernt haben."

Sigyn ließ sich auf das Sofa fallen. "Sehr gut. Dann kann ich heute noch in den Wald gehen. Ich mag das Klima hier nicht, es ist mir zu trocken und zu warm."

"Mein Kind, ich hoffe, dass du dir deiner Aufgabe bewusst bist."

"Aufgabe?" Sigyn richtete sich auf.

"Es ist nun deine wichtigste Aufgabe, dich mit Loki gut zu stellen. Lernt euch kennen. Das hat die höchste Priorität."

"Ich verstehe nicht?"

"Du bleibst hier, mein gutes Kind."


******


Es hatte nicht lange gedauert, bis die Soldaten Vanaheims zusammen mit König Lotir in der großen Eingangshalle des Palastes standen. Feierlich wurden sie von Odin und Frigga verabschiedet. Das Gesicht von Sigyn hatte ein fahles grau angenommen, als Lotir sich liebevoll an sie wandte. "Mach es gut, mein Kind. Du weißt um deine Aufgabe und ich habe keine Zweifel, dass du mich Stolz machen wirst." Wie mechanisch küsste Sigyn ihren Vater auf die Wange.

Lotir hatte sich noch einmal an Odin gewandt, als Sigyn zu Gavin ging.

"Ich kann nicht glauben, dass du mich hier alleine lässt." Sigyn sah ihren langjährigen Freund an. Sie hatte keine Chance gehabt, ihn von ihrem Fauxpas zu berichten. Gavin rührte sich nicht. Er hatte als Hauptmann in der Reihe zu stehen, aber seine Augen verrieten Sigyn, dass es ihm leidtat, gehen zu müssen. 

Die Rüstungen klapperten laut in der großen Eingangshalle, als sich die Soldaten in Bewegung setzten und Lotir durch die hohen Tore nach draußen geleiteten. Ein kurzer Fußmarsch durch die Stadt und dann würden sie durch den Bifröst nach Vanaheim gebracht werden.

Die Tore schlossen sich und Odin und Frigga widmeten sich ihren Verpflichtungen. Verloren stand Sigyn in der Eingangshalle. Sie war alleine.

Eine tiefe Traurigkeit machte sich zusammen mit Heimweh in ihr breit.

Langsam schlurfte sie durch die Korridore. Sie kannte hier niemanden, also wollte sie sich in ihre Gemächer zurück ziehen. Heute würde sie keinen mehr sehen wollen.

Kaum angekommen, sah sie vom Balkon aus den Lichtstrahl aus dem Bifröst, der ihren Vater zurück nach Vanaheim brachte. Sigyn atmete tief durch und ließ sich auf das Bett fallen. Für die nächsten Wochen war Asgard ihr zuhause. Lotir hatte seiner Tochter erklärt, sie würde diese Zeit brauchen, um Loki näher kennen zu lernen. Er würde erst wieder kommen, wenn die Hochzeit stattfindet.

Es klopfte an der Tür, aber Sigyn antwortete nicht. Sie wolle niemanden sehen. Dennoch öffnete sich die Tür und Loki trat herein.


*******


Loki bemerkte Sigyns bedrücktes Gesicht schon beim Abschied von ihren Leuten. Obwohl sie ihm egal war, tat sie ihm irgendwie leid. Frigga hatte ihm Nahe gelegt, sie abzulenken. Loki sah darin eine Chance, sich mit seinem Vater gutzustellen. Vielleicht würde er dann seinen Arrest aufheben.

Vor ihren Gemächern atmete er tief durch und klopfte an. Keine Antwort. Dennoch wusste er, dass sie da war - er hatte gesehen, dass Sigyn hineingegangen war.

Sigyn lag auf dem Bett und starrte an die Decke. Ihr Augenrollen blieb Loki nicht verbogen und es ärgerte ihn, dass sie ihm gegenüber so abwertend reagierte.

"Ich habe dich nicht hereingebeten."

"Und dennoch bin ich hier." Loki setzte sich auf einen Sessel, der zu einer kleinen Sitzgruppe gehörte.

"Wenn du fertig mit Trübsal blasen bist, zeige ich dir die Ställe. Das hatte ich gestern schon vor, aber meine Erinnerung ist etwas lückenhaft. Ich glaube, ich habe einen Schlag abbekommen, seitdem kann ich mich schlecht erinnern." Loki lachte schelmisch auf.

"Nein."

"Nein?"

"Nein, danke." Sigyn drehte sich von ihm weg. Wie konnte man nur so stur sein.

"Dann bleibe ich eben hier und betrachte deinen Rücken." Loki legte seine Füße auf den gegenüberliegenden Sessel und nahm sich das Buch, das auf dem Beistelltisch lag.

Es dauerte eine Weile, als es erneut an der Tür klopfte. "Herein!" rief Loki mit Engelsstimme.

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