Die Nacht war kurz, als Sigyn am nächsten Morgen ihre Augen öffnete. Ihr Bett war größer als das in Vanaheim und sie kam sich etwas verloren darin vor. Lange war sie noch wach gewesen und hatte an die Worte ihres Vaters gedacht. Obwohl sie es nicht wollte, hatte sie sich ihrem Schicksal zu beugen. Natürlich hatte sie das; es ging um Vanaheim und wenn es das Beste für ihre Heimat war, würde sie Loki heiraten.
Sigyn rollte die Augen. Er war ihr einfach zuwider. Auch wenn sie ihn besser kennenlernen sollte, würde sich nichts daran ändern, dass sie einfach zu unterschiedlich waren. Bevor sie gestern zurück in ihre Gemächer gegangen war, hatte sie ihrem Vater versprochen, heute ein paar Stunden mit Loki zu verbringen. Sie wusste von seiner Angst, dass Odin die Verbindung wieder auflösten konnte; und dann war Vanaheim womöglich ungeschützt, wenn sie sich den Zorns Odins auf sich ziehen sollten.
Gähnend stieg Sigyn aus dem Bett und streckte sich. Ihre Gemächer waren groß und lichtdurchflutet. Die leichten Vorhänge an Fenster und Balkon wehten im warmen Wind, als sie sich auf den Balkon stellte und einen wunderbaren Blick über die Stadt hatte. Die Regenbogenbrücke leuchtete im Hintergrund und das Meer rollte sich in kleinen Wellen.
Ihr Magen knurrte, als Sigyn sich wusch und ankleidete. Kaum war sie fertig, klopfte es. Lotir stand in der Tür und sah sehr stattlich aus und Sigyn hakte sich bei ihm ein.
Gemeinsam gingen sie durch den Palast zum großen Festsaal. Das Frühstück wurde gerade aufgedeckt und die Asen, die anwesend waren, standen auf, um König Lotir standesgemäß zu begrüßen. Odin und Frigga waren noch nicht da. Sie setzten sich an ihre Plätze bei der langen Tafel. Sofort brachte man ihnen das Frühstück.
Sie saßen eine Weile da, als Odin und Frigga in den großen Festsaal kamen. Andächtig nickten sie ihrem Volk zu und begrüßten Lotir und Sigyn freundlich. Kaum hatten sie sich gesetzt und ein Gespräch mit Lotir begonnen, betrat Loki den Saal. Mit schnellen und großen Schritten eilte er zum Tisch - und würdigte Sigyn keines Blickes.
Sigyn konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie etwas gemeinsam haben könnten. Ihr Blick schien Bände zu sprechen, als Lotir seine Tochter mit seinem Ellenbogen anstieß und sie ihr Brot auf den Teller fallen ließ.
"Oh Sigyn, Loki wollte dich heute einladen, etwas Zeit mit ihm zu verbringen." sagte Frigga freundlich und sah zwischen ihrem Sohn und Sigyn hin und her. Sigyns Augen verengten sich, als Loki sie ansah. Lange schwiegen sie und Sigyn wollte es darauf ankommen lassen. Sie würde nicht als erste das Eis brechen.
"Wenn du Lust hast." kam es gequält aus Lokis Mund. 'Ha! Niederer Knecht!' schoss es Sigyn in den Kopf.
"Ein nettes Angebot, ich wollte heute aber eigentlich..." antwortete Sigyn, wurde aber sehr eindringlich von Lotir angesehen. Sie durfte ihren Vater nicht verärgern. "Ich, äh, also, sehr gerne." Odin zwinkerte Lotir schelmisch zu.
Eigentlich wollte Sigyn sich heute die Stadt ansehen und nach Gavin suchen. Eventuell konnten sie einen Ausritt unternehmen, sofern er Zeit dazu hätte. Nun hatte sie Loki an der Backe und das gefiel ihr gar nicht. Natürlich hatte sie die Worte ihres Vater im Kopf, aber mit dem Erscheinen Lokis, rückten sie in weite Ferne. Sie mochte ihn einfach nicht, daran konnte auch ihr Vater nichts ändern.
Sigyn stütze ihren Kopf auf eine Hand und sah verträumt aus dem Fenster. Sie dachte an Vanaheim und was gerade auf der Burg passierte. Ob die Schmiede mit ihrer Arbeit bereits begonnen haben? Wie war das Wetter? Heimweh machte sich in Sigyn breit und sie seufzte laut. Ein Schatten legte sich auf ihrem Gesicht und holte sie zurück in die Gegenwart. Loki stand vor ihr.
"Worauf hast du Lust?" fragte er und machte sich nicht einmal die Mühe, nicht gelangweilt zu klingen. Sigyn musste tief durchatmen, als sie aufstand. "Keine Ahnung, was du willst." Loki drehte sich um und Sigyn trottete hinter ihm her. Lautes Gelächter von Odin und Lotir erklang, als sie den Saal verließen.
Schweigend gingen sie die Korridore entlang. "Was machen wir hier?" Sigyn blieb stehen. Schon seit einiger Zeit kam ihnen niemand mehr entgegen. "Ich zeige dir die Ställe." Loki drehte sich zu ihr um.
"Nein, ich meine: Was machen WIR hier?"
"Wir lernen uns kennen." zischte Loki ihr entgegen. Sigyn bemerkte, dass es ihm auch zuwider war und dies konnte sie sich zu nutze machen.
"Ich will nicht heiraten." Sie sah ihm fest in die Augen. Wenn alles nichts half, dann blieb ihr nur noch die Ehrlichkeit.
"Meinst du, dir bleibt eine Wahl?" Loki lachte verächtlich. "Glaubst du, du kannst dich frei entscheiden? Ich bin Loki Odinson. Gott des Schabernacks und Prinz von Asgard. Und ich kann es nicht. Warum denkst du, dass du ein Mitspracherecht hast."
Loki sag Sigyn von oben herab an. Nichts als Verachtung lag in seinem Blick. "Und dann muss ich dich heiraten und werde König von einer unterentwickelten Welt wie Vanaheim."
Der Knall schallte durch den Flur. Lokis Kopf, der nach der Ohrfeige von Sigyn leicht zur Seite geflogen ist, drehte sich langsam zurück. Tränen standen in ihren Augen und ihr Brustkorb hob und senkte sich beträchtlich. Sie konnte ihre Wut ihm gegenüber nicht mehr zurückhalten, als sie sich von ihm wegdrehte und ging.
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Macht
FanfictionSigyn ist eine Prinzessin. Ihre Vorfahren waren einst Götter Asgards, als diese sich vor mehreren tausend Jahren dazu entschieden, Vanaheim zu besiedeln, um dort ein einfacheres Leben zu führen. Unter Asgards Schutz haben sich die Vanir eigenständig...