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Es war ein lauer Abend in Asgard, als Loki in den kleinen Saal ging, in dem das Essen serviert wurde. Es wurde leise geredet und auch gelacht. Odin saß zusammen mit seiner Frau am Kopf der Tafel und Loki setzte sich zu seiner Linken. Sofort standen die Bediensteten bei ihm und reichten ihm das Essen, welches in edlen Schalen oder auf großen Tellern lag.

"Vater." Loki nickte Odin mit seinem Kelch Wein in der Hand zu. "Welch eine Ehre, dich heute Abend hier bei uns zu sehen." Odin sah seinen Sohn gespielt arrogant an. "Es war Mutters Wunsch..."

"Morgen werden Gäste in Asgard erwartet. Ich weiß von deiner Langeweile und vielleicht schenken sie dir etwas Ablenkung." Odin zwinkerte Frigga kurz zu und sie musste sich ein Kichern verkneifen. Loki fand, dass sich seine Eltern manchmal wie frisch Verliebte aufführten. Aber diese Leichtigkeit war von den Asen bekannt. "Wieder ein Fest..." Loki seufzte hörbar auf. "Wer wurde denn jetzt zu dir geordert?"

"König Lotir von Vanaheim mit seinem Gefolge wird uns mit ihrer Anwesenheit beehren." Odin strahlte und wollte Loki mit seiner Freude anstecken. "Vanaheim, ja?" antwortete er knapp. "Musst du ihnen wieder aus der Patsche helfen, wie sonst auch?" Auch wenn Odin sich nicht aus der Ruhe bringen lassen wollte, ärgerte ihn die Arroganz seines Sohnes. "Das wirst du morgen sehen. Du hast Anwesenheitspflicht. Wenn du nicht selbst im Thornsaal erscheinst, dann werde ich dich holen lassen. In Ketten, wenn es sein muss." Loki schmunzelte. "Das wäre wirklich ein glorreicher Auftritt."

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Es war noch nicht hell, als Sigyn die Augen aufschlug Die halbe Nacht hatte sie ihre Sachen zusammen gepackt. Sie wusste vom warmen Klima Asgards und hatte vor allem leichte Kleider eingepackt. Ein Blick aus dem Fenster verriet ihr, dass auch die Garde auf den Beinen war. Lotir wollte nur mit kleinem Gefolge anreisen. Obwohl er keine Soldaten in Asgard benötigte, wollte er dem Allvater dennoch sein starkes Heer präsentieren. Sigyn wusch sich schnell und kleidete sich an, um danach im Speisesaal das Frühstück einnehmen zu können. Dort angekommen sah sie widererwartend ihren Vater am Tisch sitzen. Auch erschien früh aufgestanden zu sein und war schon fast mit dem Essen fertig. Die Sonne ging gerade erst auf und schien durch die hohen Fenster in den Saal.

"Sigyn, mein liebes Kind." Er winkte seine Tochter zu sich. "Lass dich ansehen. Du bist zu einer wirklich sehr hübschen jungen Frau herangewachsen. Du siehst deiner Mutter zum verwechseln ähnlich." Dieser Satz machte Sigyn unheimlich stolz. Ihre Mutter war eine starke Frau gewesen. Unüblich für die damalige Zeit, war sie in die Schlacht gegen die Eisreisen geritten, immer an der Seite ihres Mannes. Laufey selbst, der König der Eisriesen, hat ihre Mutter auf dem Schlachtfeld niedergestreckt, kurz bevor Odin den Kampf erreichte und die Eisriesen in die Knie zwang. Sigyn war noch ein Kleinkind, als dies passierte und sie erinnerte sich nicht an ihre Mutter.

Gegessen hatte Sigyn nichts, viel zu aufgeregt war sie gewesen. Im Hof entdeckte sie Gavin in voller Rüstung. "Gavin!" rief sie und lief auf ihren Freund zu. "Du kommst mit?" Gavin traute seinen Augen kaum, als er Sigyn sah. So hübsch hergemacht hatte er seine Freundin aus Kindertagen noch nie gesehen. Er musste schlucken, bevor er sie grüßen konnte. Ihr dunkelgrünes Kleid fiel wallend bis zu den Knöcheln und verdeckten ihre braunen Lederstiefel. Noch nie war ihm ihre schmale Taillie aufgefallen, die durch Lederbänder gekonnt geschnürt worden war. Ihre Haare ihre wellig Haare trug Sigyn offen. Ihre Wangen leuchteten rosig. Sie musste den Weg hier her gerannt sein.

"Ja, alle Hauptmänner und gut 300 Soldaten werden König Lotir nach Asgard begleiten. Und du offensichtlich auch, kleine Waldfee." Gespielt verbeugte er sich vor Sigyn. Siygn lachte laut auf und knickste damenhaft. Kaum hatten sie ihre Show beendet, fielen sie sich lachend die Arme.

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Odin stand im Thronsaal und betrachtete sein Volk vor ihm mit Freude. Der Thron lag in einer Anhöhe, die über mehrere Stufen zu erreichen war. Frigga stand zu seiner Rechten. Sie sah, wie immer, sehr hübsch aus. Das Haar hatte sie teilweise hochgesteckt und die kleinen Locken, die offen waren, umspielten ihre Schultern und reichten ihr zur Hüfte. Entgegen Odins Erwartungen war Loki pünktlich im Thronsaal angekommen und stand zu seiner Linken. Auch hatte er die Kleidung getragen, die man ihm ins Zimmer hatte kommen lassen. Schwarzes, asgardisches Leder in Kombination mit grünen Stoffen und goldenen Schulterplatten machten aus seinem zweitgeborenen Sohn einen stattlichen Prinzen. Er wusste, dass Loki eine solche Zuschaustellung verachtete. Um so stolzer war er jetzt, dass Loki ihm diesem Gefallen getan hatte.

Die großen goldenen Tore des Thronsaales öffneten sich und die Asen, die anwesend waren, grüßten im Applaus die Gäste Odins. Lotir schritt mit geschwollener Brust durch den Gang und sah Odin, seinen Allvater und vor allem seinen Freund, freundlich an. Hinter ihm lief Sigyn, die ihr Staunen verstecken musste. Schon seit ihrer Ankunft in Asgard konnte sie sich kaum satt sehen. Asgard war so anders als Vanaheim. Der goldene Palast imponierte ihr und die Asen, denen sie begegnet waren, grüßten sie allesamt freundlich. Ihr Blick richtete sich nach vorne, als sie Odin sah, der langsam die Stufen herunter kam, um ihren Vater freundlich zu umarmen. Seine Augen strahlten Güte aus, als er sie danach ansah. Sigyn knickste tief und Odin fasste ihr Kinn, um ihr in die Augen zu sehen.

"Allvater." Sigyn versuchte ehrfürchtig zu wirken, als sie Odin begrüßte. "Willkommen in Asgard." Odin wandte sich zurück an seinen Freund Lotir. "Du erinnerst dich doch sicher an Frigga, meine Frau." Frigga kam die Stufen herab und Lotir küsste sanft ihren Handrücken. "Natürlich. Wie könnte ich euch nur je vergessen." Lotir sah in ihre sanften Augen.

"Und mein Zweitgeborener, Loki." Loki war gleichzeitig mit seiner Mutter die Treppe herabgestiegen. Er nickte Lotir kurz zu, während Lotir sich tief verbeugte, um sich danach an seine Tochter zu wenden. "Meine Tochter, Prinzessin Sigyn."

Sigyn sah zum ersten Mal in die eisblauen Augen Lokis, als er sie von oben herab musterte. Ein kalter Schauer überzog ihren Körper und sie wusste sofort: Sie mochte ihn nicht.

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