Kapitel 26

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Lily:

Die restlichen Wochen bei meinen Großeltern vergingen rasend schnell und ehe ich mich versah war es Sonntag und ich saß mit meinem Großvater im Auto, auf dem Weg nach Grünwald. „Danke dass ich bei euch bleiben durfte, Opa." Mein Großvater sah kurz zu mir rüber und lächelte mich an. „Jederzeit meine Kleine. Wir freuen uns immer dich zu sehen. Auch Oma." „Das weiß ich, ja. Kommst du denn wirklich alleine klar mir ihr?" Ich machte mir wirklich Sorgen, die kurze Zeit die ich bei meinen Großeltern war, hatte ich gemerkt wie schlecht es um Omas Geisteszustand stand. „Mach dir keine Sorgen. Wenn ich es allein nicht mehr schaffe, weiß ich wo ich mich hinwenden kann. Es gibt da ein ganz nettes Heim, in das wir ziehen könnten." Ich nickte nur und sah aus dem Fenster. Wir waren nicht mehr weit von zu Hause weg, vielleicht noch etwa eine Stunde.


Opa parkte vor dem Haus, wie vor drei Wochen als er mich abgeholt hatte. Er stieg aus und öffnete den Kofferraum um mein Gepäck rauszuholen. Also stieg ich auch aus um ihm zu helfen. Wir gingen die Treppe hoch und da wurde die Tür auch schon aufgerissen.

„Lily! Ich bin so froh dass du wieder da bist!" Mein Vater kam auf mich zu und zog mich sofort in seine Arme. „Papa, bitte. Du erdrückst mich!" murmelte ich. „Tut mir leid! Ich bin nur so froh dass du wieder da bist. Wir haben dich sehr vermisst." Dann ging sein Blick zu meinem Großvater. „Hallo Phillip." „Theodor", nickte mein Großvater Papa zu, ehe er mit meinem Gepäck ins Haus ging. „Guten Tag, ich bin Susanne. Theodors Frau." hörte ich auch schon die Hexe. Ein kurzes grinsen schlich sich über mein Gesicht, irgendwie hab ich meine Familie ja auch vermisst. Papa und ich gingen ebenfalls rein. „Möchtest du noch etwas trinken, Phillip? Es war eine lange Fahrt." fragte Papa meinen Großvater. „Ja, danke, ein Kaffee wäre wirklich toll." antwortete der ihm. Währenddessen trug ich meine Sachen in mein Zimmer und wunderte mich über die Stille im Haus. Klar, man hörte meine Eltern und Opa reden, aber sonst war zumindest Nerv immer zu hören. Ich stand in meinem Zimmer, vor meinem Bett. Bilder stiegen in meinen Kopf. Sofort schüttelte ich diesen und lief nach unten. Das Bild das sich mir bot, ließ mich stocken. Papa und Opa saßen tatsächlich an einem Tisch und unterhielten sich, friedlich. Und damit meine ich nicht ein gezwungenes friedlich, nein, sie beide saßen sich entspannt gegenüber und unterhielten sich. „Lily, möchtest du auch einen Tee?" Ich sah die Hexe an, seit dem Vorfall nannte sie mich zum Glück auch endlich Lily. Paul war eigentlich immer der einzige der mich bei vollem Namen ansprach, es tat daher gut dass mich jeder mit meinem Spitznamen ansprach. Dankend nickte ich und setzte mich zu Opa und Papa an den Tisch. „Wo sind eigentlich Maxi und Nerv?" fragte ich, nachdem die beiden kurz schwiegen. „Die sind beim Training. Im Teufelstopf." erwiderte mein Vater.

„Lily, du hast nächste Woche am Mittwoch einen Termin bei einer Psychotherapeutin." Ich sah meinen Vater an. Okay, jetzt war es also soweit. Ich musste wohl oder übel alles was ich bis jetzt halbwegs erfolgreich verdrängt hatte, hervor holen. Also nickte ich nur und starrte auf meine Tasse.


Zwei Stunden später war mein Opa wieder gefahren. Es war ein tränenreicher Abschied, ich vermisste ihn und Oma schrecklich. Aber ich würde sie schon bald wieder besuchen.

„Lily, können wir reden?" Papa kam in mein Zimmer. Ich saß an meinem Schreibtisch. „Klar, was gibt's?" fragend sah ich Papa an. Dieser setzte sich auf mein Bett.

„Willst du ein neues Bett? Ich meine, wegen dem was hier war." Etwas verwirrt zog ich meine Augenbrauen hoch. „Ähm...ich weiß auch nicht..."

„Weißt du was, wir werden am Montag gleich fahren, okay?" schlug er vor. „Okay...war das alles?" Papa seufzte. „Nein...Lily, ich muss dir was sagen. Es geht um Paul." begann Papa.

Er war also nicht mehr in U-Haft. Die Angst, die ich langsam abgelegt hatte, kehrte wie ein Schlag ins Gesicht zurück. „Es wird dir nichts passieren! Wir, Maxi, Nerv, Susanne und ich, wir werden auf dich aufpassen." Ausdruckslos starrte ich vor mich hin. In meinem Kopf kreisten nur die drei Worte: Paul war frei. Er würde wiederkommen und dann...

„Lily?" Papa legte seine Hand auf meine Schulter. Ich zuckte erschrocken zusammen. „Warum?" flüsterte ich.

„So lange keine Fluchtgefahr besteht oder er Zeugen beeinflusst, dürfen sie ihn nicht festhalten. Er hat eine einstweilige Verfügung dass er sich dir nicht nähern darf." erklärte mir Papa.

„Denkst du denn wirklich er hält sich dran? Denkst du dass denn wirklich Papa?!" schrie ich meinen Vater an. „Es wird immer wer bei dir sein." versuchte er mich zu beruhigen. Meine Augen füllten sich mit Tränen. „Er wird nicht aufhören, ehe er sein Ziel erreicht hat. Er will mich Papa, er wird nicht aufhören." schluchzte ich. Papa nahm mich in seine Arme, ich ließ es zu und weinte mich in Papas Armen in den Schlaf.

Maxi:

„Glaubst du sie ist schon da und weiß es?" Nerv sah mich fragend an. Wir gingen gerade die Treppe zum Haus hoch. „Ich weiß es nicht, finden wir es raus." erwiderte ich knapp.

Wir betraten das Haus. Es war verdächtig ruhig. „Hallo? Jemand zu Hause?" rief ich. Keine Antwort. Nerv zuckte mit den Schultern und ging in die Küche. „Beim Sternschnuppen funkelnden Drachenschleim! Hast du mich erschreckt!" Sofort lief ich zu Nerv. Vor ihm saß eine leichenblasse Lily am Boden. „Lily! Ist alles okay? Geht's dir nicht gut?" Besorgt lief ich zu ihr. Ihre Augen waren rot und geschwollen. „Er ist frei. Er wird kommen und es wieder tun. Ich hab solche Angst!" begann meine Schwester zu schluchzen. Natürlich wussten Nerv und ich sofort von wem Lily da sprach. „Wo ist Papa und Mama?" fragte Nerv.

„Ich weiß es nicht. Papa hat es mir vorhin erzählt und dann bin ich eingeschlafen. Als ich wach wurde waren sie nicht da. Was wenn er sie hat?" wieder schluchzte Lily. Ihr ganzer Körper zitterte. Da hörten wir den Schlüssel im Schloss. Eine Minute später stand Papa und die Hexe vor uns. „Was ist passiert?" Papa sah genauso erschrocken zu uns wie Nerv und ich vorhin. „Wo verdammt nochmal seid ihr gewesen!?" schrie ich meine Eltern an. Auch Nerv sah ziemlich sauer zu ihnen. „Wir waren nur kurz etwas einkaufen." erwiderte Papa tonlos.

„Kurz einkaufen? Und ihr dachtet nicht daran eine Nachricht für Lily zu hinterlassen? Sie dachte Paul hätte was damit zu tun verdammt!" schimpfte ich.

„Lily, das wollten wir nicht! Wir wollten dich nicht wecken und wir waren ja nur 1 Stunde weg. Wir dachten du würdest schlafen." Papa nahm Lily entschuldigend in die Arme, diese verspannte sich leicht bei der Umarmung.

„1 Stunde? 1 Stunde?! Was ist nur los mit euch?" Ich konnte mich einfach nicht beruhigen.

„Maxi! Jetzt beruhig dich mal, es ist ja wirklich nichts passiert." Ungläubig starrte ich meine Schwester an. „Nichts passiert? Du hattest Angst verdammt nochmal! Und das nicht das erste mal! Kacke verdammte!" Stilles, betretenes Schweigen machte sich breit. Lily, die inzwischen aufgestanden war, ging auf die Tür zu, dann drehte sie sich nochmal um. „Egal ob Paul wieder frei ist oder nicht. Ja, ich hab verdammt nochmal Angst vor ihm, aber ich lass mir mein Leben nicht mehr von ihm zerstören!" In ihren Augen funkelte es, aber nicht von Tränen, ich wusste nicht was genau es war aber es war eher wie Entschlossenheit.

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