Kapitel 6

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Herbst

Ein lauter Knall ließ mich von meinem Bett aufschrecken. Etwas verwirrt blinzelte ich und erkannte, dass wir alle senkrecht in unseren Betten saßen. Irgendwann mussten Leander und Lian wieder aus Twywood zurückgekehrt sein, denn ich konnte im Zwielicht drei Gestalten erkennen, die sich aufgesetzt hatten und wachsam umherblickten.

Leander blickte verwirrt umher, während Lian, Cimeies und ich sofort erstarrten. Wir konnten die dunkle Magie, die in der Luft lag, deutlich wahrnehmen und wussten, dass wir am Arsch waren.

»Wir werden angegriffen!«, flüsterte Lian eindringlich und seine mondhellen Augen blitzten in der Dunkelheit hell auf.

»Wer?«, wollte Leander wissen und ich konnte sehen, dass seine Hand nach dem königlichen Schwert des Lichts tastete, dass neben ihm auf den Boden lag.

»Dunkle.«, erklärte ich und sprang sofort auf. Binnen weniger Augenblicke standen wir alle auf den Füßen und lauschten.

»Das Haus ist umzingelt.«, stellte Cimeies schließlich fest.

»Was?«

Der Dämon verstand meine Frage sofort richtig. »Hauptsächlich Geister, Skelette und Zombies, doch... ich kann auch die Aura von dem einen oder anderen Dämon spüren.«

Die Blicke von allen richteten sich auf mich. Ich kannte das Haus wie meine Westentasche und ich wusste, dass die anderen erwarteten, dass ich irgendeinen Trick oder einen magischen Kniff hatte um uns zu retten. Tja, den hatte ich tatsächlich.

»Percival! Ich brauche dich! Bitte!«, flüsterte ich in die Luft und hoffte, dass er kommen würde.

Percival war der Hausgeist, der hier wohnte und irgendwie... ich wusste ehrlich gesagt nicht einmal, wieso er Neo und mir immer geholfen hatte und er ausgerechnet hier wohnte. Doch er war so etwas wie ein geisterhafter Butler geworden und gleichzeitig ein Freund und ein Vertrauter.

»Ich bin hier, Meisterin Alena. Und ich habe ihn mitgebracht.«, wisperte die geisterhafte Stimme Percivals ruhig durch die Luft und der schimmernde Geist schwebte durch die Decke und kam vor uns zum stehen. Seine viktorianisch anmutende Kleidung war – wie immer –makellos und sein Blick wach und aufmerksam.

Vor ihm schwebte eine kleine Schatulle in der Luft. Percival konnte zwar nichts berühren, doch er konnte so viel Energie sammeln um zumindest kleine Gegenstände bewegen zu können. Das hier... war damals Neos und mein Geheimplan gewesen für den Fall eines Angriffes, den wir nicht zurückschlagen konnten.

»Was ist das?«, wollte Leander wissen.

»Unser Notfallplan.«, murmelte ich und umklammerte die Schatulle. Dann hob ich den Blick meiner grauen Augen zu Percival. »Du kommst zurecht?«, erkundigte ich mich bei dem Geist, der mich traurig anlächelte.

»Ich bin unsterblich und körperlos. Mir wird nichts passieren, Meisterin Alena. Machen Sie sich um mich keine Sorgen. Ich schätze, früher oder später werden wir uns wieder begegnen.«

»Danke, Percival. Du warst ein guter Freund die letzten Jahre.«

Mit bangen Blicken hatten die anderen unsere Verabschiedung beobachtet und ich wandte mich ihnen zu. »Wir werden nie mehr hierher zurückkommen können... Sammelt unsere Vorräte ein und macht euch bereit! Wir brechen auf!«

Ich öffnete die Schatulle, in der zwei Edelsteine lagen. Sie summten vor dunkler Magie und in ihrer Oberfläche waren Flüche und Verwünschungen eingraviert. Der eine war pechschwarz, während der andere einen rötlichen Schimmer aufwies. Ich trat an das Fenster, dass zum Vorhof führte und umklammerte den schwarzen Edelstein. Dann warf ich ihn durch das Fenster und dorthin, wo die Mitte des Beschwörungskreises war.

Der Ruf der Verdammten 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt