Kapitel 12

11 3 13
                                    


Herbst

Ich hastete sofort zu den beiden regungslosen Körpern. Einer davon war tatsächlich Leander! Sofort drehte ich ihn auf den Rücken und strich ihm die blutverkrusteten, blonden Haare aus dem Gesicht. Er war blass... viel blasser als sonst und für einen Moment stockte mir der Atem. Doch dann sah ich, dass sich seine Brust schwach hob und senkte. Er atmete! Wenn auch flach, doch irgendwie würden wir ihn schon versorgen können.

Mein Blick wanderte zu der zweiten Gestalt. Es war ein Mädchen mit kurzen, gelockten und hellbraunen Haaren. Ihre Augen waren geschlossen, auf ihrer Wange prangte ein Schnitt über dem sich schon eine leichte Kruste gebildet hatte. Ich kann sie nicht hierlassen... wenn ich das tue, dann käme das einem Todesurteil gleich...

Doch beide tragen konnte ich auch nicht, ich wusste ja noch nicht einmal, ob ich Leander würde tragen können. Da hatte ich wohl den Plan nicht zu Ende gedacht. Mal wieder...

»Ich habe mich schon gefragt, wer in die unterirdischen Katakomben eingedrungen ist und warum...«

Ich wirbelte beim Klang der fremden Stimme herum und stellte mich schützend vor die beiden Bewusstlosen. Gegenüber an der anderen Wand stand ein hochgewachsener Mann mit dunkelbraunen Haaren und musterte mich mit regungsloser Miene. Ich wusste sofort, dass das der war, der den ganzen Menschenhandel organisierte.

»Aber damit hätte ich nie gerechnet.«, fuhr der Neutrale fort, während sein Siegel – ein braunes Seil – leicht leuchtete. »Dass eine Dunkle sich für einen Hellen in Lebensgefahr begeben würde und es alleine auch noch so weit schaffen würde...«

»Ich schätze mal, der ganze Menschenhandel geht auf dein Konto?«, knurrte ich wütend.

Der Neutrale zuckte mit den Achseln. »Die Idee hatten andere, doch ich war der einzige, der sich getraut hat, diese auch wirklich umzusetzen. Also könnte man deine Frage wohl mit 'Ja' beantworten.«

»Das ist unmenschlich! Ein grausames Verbrechen, dass bei weitem nicht alle Helle verdient haben!«, knurrte ich und die Schatten wirbelten wieder um mich herum auf und bildeten meine Schatten-Sense. Doch ich bemerkte, dass sie bei weitem weniger Kraft hatte, als die mit der ich die Tür gespalten hatte.

Die Miene des Neutralen wurde hart. »Du weißt nichts über uns! Du hast keine Ahnung wie die meisten der Neutralen leben oder behandelt werden! Wir alle – ganz Durcas – wurde von den Hellen vergessen und verbannt! Wir verarmen immer mehr, haben kaum mehr genug Geld um uns am Leben zu halten, während die Hellen dabei zusehen! Aber im Gegensatz zu euch Dunklen haben wir auch nicht die Macht und Mittel um uns gegen die Hellen aufzulehnen! Wir sind machtlos!«

»Und das lässt ihr an unschuldigen Hellen aus, die eure Stadt aufsuchen?! Worin liegt da bitte die Logik?!«, rief ich und meine Sense glühte wütend auf.

»Durch den Menschenhandel sammeln wir Geld und Soldaten an... und irgendwann werden wir stark genug sein um uns wie ein Phönix aus der Asche der Hellen zu erheben!«

»Das... ist verrückt...«

Verschlagen blickte mich der Neutrale an. »Ich frage mich... was wohl eine unsterbliche Dunkle auf dem Sklavenmarkt für Preise erzielen würde...«

Ich erstarrte. Woher konnte er das wissen? Außer... war er etwa so gut darin die Aura und die Magie zu erkennen, dass er sogar wahrgenommen hatte, dass ich unsterblich war? Konnte ein Neutraler das wahrnehmen?

Er deutete meinen Gesichtsausdruck offenbar richtig, denn ein Grinsen huschte um seine Mundwinkel. »Oh ja, ich kann die Aura der Unsterblichen durchaus wahrnehmen, sogar besser als die meisten der Neutralen. Und auch wenn es mir nicht sofort klar war, als ich dich die Stadt betreten gesehen habe, so habe ich doch etwas... ungewöhnliches gespürt. Aber normalerweise tragen nur Dämonen diese Aura, deshalb habe ich es nicht sofort als das erkannt, was es war.«

Der Ruf der Verdammten 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt