Kapitel 36

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Winter

Ich saß auf einem Stein neben der Quelle und schnürte mir meine Stiefel neu. Mir stand wieder ein langer, beschwerlicher Marsch vor und diesmal wollte ich besser vorbereitet sein, als auf dem Hinweg. Ich überprüfte den Sitz meines Beutels, meiner Dämonenklinge, meiner silbernen Messer und der Elysienklinge und kurz kam mir der Gedanke, dass ich mittlerweile ein wandelndes Waffenarsenal war. Vor allem achtete ich darauf, dass sowohl die Elysienklinge, als auch die Dämonenklinge gut verborgen unter meinem schwarzen Mantel waren. Nicht jeder sollte gleich sehen, welche Waffen ich mit mir führte.

Mit völlig lautlosen Schritten nährte sich die Hüterin des Reichs der Geister sich mir und ich verneigte mich leicht vor ihr. »Vielen Dank, für alles, was du für mich getan hast.«

Die Hüterin winkte lächelnd ab. »Das war kein Problem. Ich wahre das Gleichgewicht und dafür war es entscheidend dir zu helfen. Das hier könnte dir ebenfalls von Nutzen sein.«, erklärte die Hüterin und überreichte mir einen robusten Beutel in der Farbe von Sternenlicht.

Ein wenig verzog ich angesichts der unpraktischen Farbe das Gesicht, doch ich war nicht so dämlich eine Gabe der Hüterin abzulehnen oder schlecht zu reden. »Vielen Dank.«, erwiderte ich deshalb höflich.

Die Hüterin lächelte. »Du hast noch nicht einmal den Inhalt gesehen.«

Wärme kroch mir in die Wangen und ich öffnete hastig den Beutel. Er war gefüllt mit frischem Brot, Gemüse und Obst. Außerdem konnte ich mehrere Wasserschläuche erkennen. Wie ich den Weg ohne Proviant bewerkstelligen sollte, hatte mir tatsächlich schon Kopfzerbrechen bereitet, umso mehr wusste ich dieses Geschenk zu schätzen.

»Vielen Dank!«, wiederholte ich, doch diesmal um einiges überschwänglicher und aufrichtiger.

Die Hüterin bedachte mich mit einem sanften Lächeln. »Ich wusste, dass dies praktisch sein würde. Ich habe nicht vergessen, dass ihr Essen und Trinken müsst.« Ich erwiderte ihr Lächeln und warf mir den Beutel über die Schulter.

Mein Blick wanderte zum Torbogen. Dahinter würde mich wieder der raue, erbarmungslose Winter erwarten. Am liebsten würde ich meine Abreise noch ein wenig hinauszögern, nur noch ein wenig die Wärme des Frühlings spüren. Doch das konnte ich nicht. Von mir –beziehungsweise der Elysienklinge – hing so viel ab. Ich konnte nicht einfach trödeln und damit womöglich das Ende der Welt besiegeln.

Trotzdem wandte ich mich noch einmal zu der Hüterin um. »Ich schätze mal, das wird jetzt dann wirklich unsere letzte Begegnung, oder?«, wollte ich wissen.

»Vermutlich. Doch ich habe mich schon das letzte Mal getäuscht. Vielleicht findest du wieder Mittel und Wege um zu mir zu kommen.«, erklärte die Hüterin und etwas verschmitztes trat in ihre weichen Züge. »Man weiß schließlich nie, was das Schicksal für einen bereit hält – vor allem nicht, wenn man unsterblich ist und alle Zeit der Welt hat.«

»Das stimmt auch wieder!«, lachte ich.

Doch plötzlich verdunkelten sich die Augen der Hüterin. »Pass auf dich auf, Alena. Ich kann spüren, wie das Gleichgewicht ins Wanken gerät. Hell und Dunkel verschieben sich und prallen aufeinander. Die Welt steht auf der Kippe und von dir und deinen Gefährten hängt der Großteil ab. Doch Kämpfe um das Schicksal der Welt haben auch immer ihren Preis.«

Ich schluckte, während ich schauderte und sich Gänsehaut auf meinen Armen bildete. Das hörte sich verdächtig nach einer düsteren Prophezeiung an. Auch wenn ich nicht wusste, ob die Hüterin tatsächlich in die Zukunft schauen konnte oder sie das nur vermutete anhand des Gleichgewichts.

Der Ruf der Verdammten 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt