Herbst
Ich dachte schnell nach. Wahrscheinlich hatten wir nicht viel Zeit. »Lian, geh zurück zu Cimeies! Wir müssen sofort aufbrechen, nachdem wir Leander befreit haben! Packt alles zusammen und wartet auf mich! Ich werde Leander holen!«
Lian starrte mich an. »Bist du wahnsinnig?! Wie willst du alleine einen Menschenhändlerring ausheben?!«
Schmal lächelte ich den Dunklen an. »Ich bin unsterblich, schon vergessen? Das bekomme ich hin.«
Lian zögerte, seine blassblauen Augen musterten mich. »Wenn wir fertig gepackt haben und du noch nicht mit dem Hellen zurück bist, dann komme ich um dich zu holen.«, sagte er schließlich. Etwas leiser fügte er hinzu. »Pass auf dich auf, ich habe bei dieser gesamten Stadt ein ungutes Gefühl.«
Ich grinste nicht, sondern nickte ernst. »Du auch auf dich.« Der dunkle Kronprinz nickte mir noch einmal zu, dann wandte er sich ab und lief den Gang wieder zurück, den wir gerade entlang gegangen waren.
Ich drehte mich zum Geist um, der mich mit großen Augen anblickte. »Unsterblich? Aber... wie ist das möglich? Du... bist doch kein Dämon, oder?«
»Nein... ich bin wirklich eine Dunkle... eine unsterbliche Dunkle... Die Umstände sind unwichtig. Kannst du mich dahin bringen, wo sie die Hellen gefangen halten?«
Der Geist zögerte, blickte mich ängstlich und unsicher an. Doch dann nickte er und erhob sich. Ein paar Zentimeter über den Boden schwebend, bewegte er sich weiter hinein in die Dunkelheit der Gassen von Durcas. Ich hob mein silbernes Messer und folgte dem Geist entschlossen und ohne zu Zögern.
Der Gestank nach verfaulten Abfall wurde immer stärker je weiter wir vorankamen. Dem Geist schien es nicht zu stören und ich fragte mich unwillkürlich, ob Geister wohl keinen Geruchssinn mehr hatten. Gefragt hatte ich das noch nie. Ich hob mir einen Ärmel vor das Gesicht um den Gestank abzuschwächen, doch das half kaum etwas.
Trotz des Gestanks, den der Abfall absonderte, konnte ich einen anderen Geruch deutlich wahrnehmen. Ich erstarrte sofort, als mir der unverwechselbare, metallische Geruch nach Blut in die Nase drang. Suchend blickte ich mich um. Ein paar rote Blutstropfen waren direkt vor meinen Füßen auf der schmutzigen Straße. Das Rot leuchtete deutlich und grell zwischen den trüben Abfall hervor und machte mir Angst. Angst um Leander.
»Wohin müssen wir?«, wandte ich mich flüsternd an den Geist, der mich schweigend betrachtete. Er streckte wortlos einen Arm aus und deutete auf einen Gullydeckel, der in der Mitte der Gasse war. Na toll... Unterirdische Systeme... wie Lian geahnt hat... ich hasse es, dass er Recht behalten hat...
Vorsichtig trat ich näher an den Gullydeckel heran. Er sah – im Gegensatz zu der Gasse – relativ sauber aus. Umso deutlicher hoben sich die Schlieren von rotem Blut auf seiner Oberfläche ab. Ich betete, dass ich nicht zu spät war und Leander nur verletzt war und nicht... Ich verbot mir weitere Gedanken und bückte mich um den Gullydeckel zu inspizieren.
Mit einer Hand versuchte ich ihn anzuheben, doch er war schwerer als erwartet. Bedauernd wurde mir bewusst, dass ich zwar die Unsterblichkeit eines Dämons hatte, aber nicht ihre Stärke und die anderen Fähigkeiten teilte. Ich war gezwungen, mein silbernes Messer wegzustecken, damit ich beide Hände frei hatte. Meine Hände rutschten fast an den Gullydeckel ab, der glitschig vor Blut und Abwasser war und erschwerte mir noch zusätzlich ihn hochzuheben.
Mit einem Klirren, das sicherlich alle in ganz Durcas vorwarnte, fiel er schließlich zur Seite und ich atmete tief ein. Das Loch war vollkommen dunkel und selbst ich konnte nichts erkennen, als ich mich bückte und hineinblickte. Suchend blickte ich mich um und entdeckte einen kleinen Knochen, der wohl von einem Tier oder so stammen musste. Ich hob ihn auf und ließ ihn hinein in die Dunkelheit fallen. Dann lauschte ich. Es dauerte nicht lange, bis ich einen leisen Aufprall hörte. Also ist es nicht tief... Nun gut, dann mal los.
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Der Ruf der Verdammten 2
Fantasy[Band 2: Spoiler zu Band 1 Das Flüstern der Toten!] Cimeies lehnte sich an die Wand und verschränkte mit einem Grinsen und verschmitzt funkelnden Augen die Arme. »Lass mich dir von Unsterblichen zu Unsterblichen einen Rat geben... Das Leben wird int...