Kapitel 18

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Herbst

Kleine, weiße Flocken tanzten durch die Luft und wirbelten um uns herum. Ich fing eine Schneeflocke auf meinem Finger auf und betrachtete lächelnd für einen Bruchteil das filigrane Muster, bevor sie auf meinem Finger zu einem Wassertropfen schmolz und zu Boden tropfte. Zwar war es noch nicht Winter, doch er würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Und damit auch nicht das Ende der Welt.

Gleichzeitig spürte ich wie meine Kräfte wuchsen. Die dunkle Jahreszeit des Winters und der Kälte war die Jahreszeit, in der die Kräfte der Dunklen am stärksten waren. Vermutlich war deswegen auch das Ultimatum am Tag der Wintersonnenwende – der längsten Nacht des Jahres. Denn Dämonen waren – wie auch Dunkle, wenn auch nicht zu vergleichen – Wesen der Nacht und der Dunkelheit und somit auch in dieser am stärksten, auch wenn ihre Kräfte nicht so stark an den Verlauf der Jahres- und Tageszeiten wie bei den Hellen und Dunklen gebunden waren.

Aufgrund der Geschehnisse in Durcas, dem Angriff von Leviathan und auch aufgrund von Gwen waren wir viel langsamer vorangekommen, als eigentlich geplant. Doch nun waren wir fast da. Cimeies hatte mir erklärt, dass die Höllenpforte nur noch einen halben Tagesmarsch von uns entfernt war.

Bei Gelegenheit hatte ich ihm auch von meiner Vision erzählt, doch Cimeies hatte gemeint, dass die Macht für einen König der Hölle normal wäre – vor allem in unmittelbaren Nähe zu einer Höllenpforte und dass das Gezeigte uns nicht davon abbringen sollte, sondern uns nur noch mehr bestärken sollte. Das, was damals passiert war, durfte sich unter keinen Umständen wiederholen und da stimmte ich dem Dämon aus tiefsten Herzen zu. Jetzt mussten wir nur noch die anderen davon überzeugen, dass Cimeies und ich etwas auskundschaften mussten oder uns heimlich wegschleichen und dann konnten wir unseren Plan in die Tat umsetzen und die Hölle betreten.

Bei der Vorstellung krampfte sich mir der Magen zusammen und Übelkeit ergriff von mir Besitz. Ich hatte Angst. Ich hatte Angst davor, wie es in der Hölle aussehen mochte. Ich hatte Angst vor den Dämonen, die vermutlich fast alle stärker als ich sein würden. Ich hatte Angst, dass irgendetwas schief laufen würde, ich von Cimeies getrennt werden würde und für ewig in der Hölle festsaß.

Verdammt, ich hatte zu viele Polter- oder Rachegeister in die Hölle geschickt, alsdass ich sie ohne Bedenken hätte betreten können! Oh, nicht zu vergessen, der wütende Dämon Forcas, der ebenfalls noch nach meinem Tod trachtete... Und da die meisten höheren Dämonen durchaus Dämonenklingen besaßen, würde mir selbst meine Unsterblichkeit nur wenig bringen.

Und doch... hatte ich keine andere Wahl... Seit der Vision zog ununterbrochen ein Wind über die Felder und ließ die wenigen, bunt gefärbten Blätter der Bäume rascheln, wenn wir vorüberzogen. Der Wind zog die Wolken vor uns über den Himmel, sodass es aussah, als würden wir den Wolken folgen und trieb uns voran, indem er uns vorwärts schob. Ich wusste, dass das Element von Lucifer, dem letzten Dämonenkönig, die Luft war und als solches keimte in mir der Verdacht, dass er mich zu sich rief. Mir mit seinem Element mitteilte, dass ich mich beeilen sollte und mir den Weg wies.

Ich sprach meinen Verdacht weder gegenüber den anderen, noch gegenüber von Cim aus. Zu absurd schien er mir bei längerem Überlegen. Doch es war wie eine Ahnung, die durch meine langen, schwarzen Haare fuhr und sie in mein Gesicht wirbelte. Und ich konnte nahezu spüren, wohin ich musste. Meine grauen Augen blickten dem Horizont entgegen, während sich langsam die Sonne verabschiedete um dem Mond und der Nacht Platz zu machen.

»Hier bist du! Ich habe dich schon gesucht!« Die Stimme von Leander riss mich aus meinen Grübeleien und ich zuckte leicht zusammen. Ich hatte ihn nicht kommen gehört. Normalerweise war ich wachsamer.

Der Ruf der Verdammten 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt