Herbst
»W-woher...?«, stotterte die Helle mit rauer, kratziger Stimme, die sich so anhörte, als hätte sie seit Ewigkeiten nichts mehr zu trinken bekommen.
Ich kramte in einen Rucksack und reichte ihr schweigend eine der Wasserflaschen. Sie nahm sie dankend an und trank sie mit schnellen, hastigen Schlucken. Ich legte meine Hand mit dem Handrücken nach oben auf mein Bein und ich konnte sehen wie der Blick ihrer blauen Augen auf meinem Siegel verharrten.
»Du... bist also auch erschaffen? Eine erschaffene Dunkle?«, wollte sie wissen. Ihre Stimme klang schon viel sicherer und auch nicht mehr ganz so kratzig wie zuvor.
Ich neigte lediglich den Kopf. Sie brauchte nicht gleich zu wissen, dass ich zusätzlich noch unsterblich war.
Schweigen senkte sich auf uns, während ich sie fasziniert ansah. Ich hatte noch nie einen anderen Erschaffenen – gleich ob dunkel oder hell – gesehen und fragte mich, wie sie wohl entstanden war... was ihre Geschichte war... welche Gemeinsamkeiten wir hatten und welche Unterschiede es gab. Ich wollte... alles von ihr wissen und fragte mich, ob es für sie wohl genauso war. Doch irgendwie fand ich nicht ganz den passenden Anfang um ein Gespräch einzuleiten.
Sie wiederum blickte wachsam von mir zu Lian, der in der Nähe stand, dann zu Leander, der noch immer bewusstlos auf dem Schlafsack lag und schließlich zu Cimeies, der ein wenig abseits von uns stand – vielleicht um sie nicht zu verschrecken, da die meisten mit Angst auf einen Dämon reagieren würden. Doch sie hatte offenbar kein Problem damit.
»Ihr seid eine ziemlich seltsame Gruppe, wenn ihr mit zwei Dunklen, einem Hellen und einem Dämon durch die Gegend zieht.«, stellte sie schließlich fest.
Ich zuckte mit den Schultern. »Das hat sich irgendwie so ergeben...«
»Und was macht ihr? Durch die Gegend ziehen und Leute retten, die sich nicht selbst helfen können, wie mich? So Robin-Hood-mäßig?«
Ich zögerte. Es wäre nicht gut gleich jedem zu erzählen, dass wir auf einem Himmelfahrtskommando waren um die Welt zu retten. »So in etwa.«, sagte ich deswegen schließlich.
Die Helle musterte uns mit wachen, intelligenten blauen Augen. »Und was habt ihr jetzt mit mir vor?«, wollte sie wissen.
Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht – weder bevor noch nachdem ich herausgefunden hatte, dass sie eine erschaffene Helle war. »Öhm...« Hilfesuchend blickte ich zu Lian und Cimeies. Der Dämon hielt sich zurück, doch ich konnte sehen, dass seine gelben Augen amüsiert funkelten.
Lian erbarmte sich schließlich: »Nun, du bist frei. Du kannst machen was du willst. Du bist keine Gefangene oder so von uns.«, erklärte der dunkle Kronprinz schließlich.
Die Helle blickte zu Boden, dann wanderte ihr Blick unsicher an den massiven Stämmen der Bäume hinaus auf die Stadt der Neutralen. Ich konnte ihre innere Unsicherheit förmlich spüren und wusste, dass sie nicht genau wusste, was sie tun sollte. Doch ich wollte mich nicht einmischen. Es war ihre Entscheidung.
Die Helle starrte auf die leere Wasserflasche in ihrer Hand und schien zu überlegen. Sehr leise fragte sie schließlich: »Wie... bist du zu... zu einer Dunklen geworden?«
Ich konnte die Augen aller auf mir spüren. Lediglich Leander wusste die ganze Wahrheit, auch wenn ich schätzte, dass Cimeies durchaus wusste, wie Dunkle erschaffen wurden. »Ich... wurde getötet. Mit schwarzer Magie.«, erklärte ich schließlich.
»Dann... hast du also auch den Tod überwunden...«, murmelte die Helle leise.
Ich öffnete gerade den Mund um zu fragen, wie sie zu einer Hellen geworden war, da antwortete sie schon. »Ich war todkrank... Eigentlich war alle Hoffnung schon verloren... Doch eine Helle nahm sich meiner an. Sie... versuchte das unmögliche. Und sie schaffte es mich an der Schwelle des Todes zu heilen und zurückzuholen.«
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Der Ruf der Verdammten 2
Fantasy[Band 2: Spoiler zu Band 1 Das Flüstern der Toten!] Cimeies lehnte sich an die Wand und verschränkte mit einem Grinsen und verschmitzt funkelnden Augen die Arme. »Lass mich dir von Unsterblichen zu Unsterblichen einen Rat geben... Das Leben wird int...