Kapitel 37

8 2 13
                                    

Winter

Vergessen war die Kälte. Vergessen war auch die Erschöpfung. Stattdessen strömte reines Adrenalin durch meine Adern und setzte mich unter Strom. Meine Füße schienen sich wie von selbst zu bewegen, auf Brightlight zu, das sich als dunkle Silhouette vor den gierigen, orangen Flammen erhob.

Mein Herz raste, während mir schon klar war, dass das keine natürliche Ursache haben würde. Kein fehlgeschlagenes Experiment mit mächtiger Magie oder so etwas. Das war eine gewollte Explosion, ein direkter Angriff auf die Hauptstadt der Hellen. Auch wenn ich noch nicht wusste, was der Grund dafür war.

Je näher ich kam, desto mehr konnte ich die Ausmaße der Explosion erahnen. Es war schlimm. Das ganze Haupttor schien praktisch nicht mehr zu existieren, genauso wie ein Großteil der stabilen, meterhohen Mauer. Die Häuser, die direkt hinter der Mauer und dem Haupttor gewesen waren, waren ebenfalls nicht mehr vorhanden. Ich wollte mir nicht ausmalen, was mit deren Bewohnern passiert war...

Ich steigerte mein Tempo noch mehr, während ich mich gleichzeitig kampfbereit machte. Schatten eilten an meine Seite, flüsterten verheißungsvoll, doch ich ignorierte sie. Noch brauchte ich ihre Hilfe nicht. Erst einmal musste ich mir einen Überblick verschaffen. Musste verstehen, was hier passiert war.

Sirenen dröhnten in der Luft und ich konnte panische Leute umher rennen sehen. Die meisten wirkten verwirrt und orientierungslos, manche waren verwundet und blutüberströmt, während andere mit geschockten, leeren Augen auf ihre brennende Hauptstadt starrten. Dichter, schwarzer Rauch stieg von der Stadt auf und hüllte alles in übelriechenden Qualm, der mir in der Kehle kratzte und dazu führte, dass ich krampfhaft husten musste.

Bitte, lass die anderen nicht noch in Brightlight gewesen sein... Bitte, lass sie in Sicherheit sein! Ich flehte stumm zu... keine Ahnung wem. Als ich lebte, war ich nicht gläubig gewesen und daran hatte sich jetzt ebenfalls nichts geändert. Trotzdem hoffte ich, dass das irgendetwas brachte.

Je näher ich der Stadt kam, desto heißer wurde es. Schweiß rann mir von der Stirn und der Schnee war um die Stadt fast komplett verschwunden, was mir zeigte, welche Hitze die Explosion und das Feuer haben musste.

Ich schützte mit meinem Arm das Gesicht, während ich mich immer näher kämpfte. Ich wusste nicht einmal, was ich machen wollte... Gegen die Flammen kam ich nicht an, das wusste ich. Weder meine Blut-, noch meine Schattenmagie konnten Flammen löschen.

Doch ich hatte trotzdem das Gefühl, dass ich irgendetwas machen musste! Ich konnte nicht einfach so zusehen! Wobei ich noch nicht einmal wusste, ob ich verbrennen konnte... Irgendwie befürchtete ich, dass das durchaus eine der Methoden sein konnte, einen Unsterblichen zu töten.

Ein wenig unschlüssig stand ich in der Nähe eines Loches, wo die Explosion die Mauer zum einstürzen gebracht hatte. Die Flammen... etwas störte mich an ihnen, auch wenn ich nicht genau sagen konnte, was.

»Mein Kind! Hat jemand mein Kind gesehen?! Wo ist meine Tochter?! Bitte, hat sie irgendwer gesehen?!«, erklang nicht weit von mir entfernt eine panische, weibliche Stimme.

Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend wandte ich mich um und sah eine junge, blonde Frau mit blauen Augen panisch auf mich zu rennen. »Mira! Mira, wo bist du?!«, brüllte sich die Frau panisch ihre Seele aus dem Leib, während die blauen Augen suchend über die verängstigte Menge der Hellen wanderte.

»Mama...« Das Stimmchen war dünn, aber unverkennbar jung und weiblich. Und die Stimme kam direkt aus dem Flammeninferno hinter der Mauer.

Die helle Mutter und ich hatten sie gleichzeitig gehört und drehten uns synchron zu der Feuersbrunst und den zerstörten und vom Feuer eingeschlossenen Häusern. »Nein...«, hauchte die Helle und brach dann in Tränen aus.

Der Ruf der Verdammten 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt