Kapitel 20

14 2 11
                                    


Herbst

Für einen Moment blickten wir sprachlos und geschockt auf die sich leicht kräuselnde Wasseroberfläche unter die Lian gerade verschwunden war. So sehr hatte Cimeies uns eingeschärft, dass alles uns töten wollte und wir vom Wasser und anderem wegbleiben sollten... Das ging schneller als erwartet...

Ich schüttelte meinen Schock und meine Benommenheit ab und entschied mich im Bruchteil einer Sekunde. Ich warf meinen Mantel von mir und meinen Beutel mit den Ritualsachen und nahm einzig und alleine meine beiden Messer in die Hände. Dann lief ich auf den See zu und sprang mit einem Hechtsprung hinein.

Die Kälte traf mich wie ein Schlag ins Gesicht. Ich hatte mit warmen Wasser gerechnet, immerhin war es in diesem Höllenkreis ziemlich warm. Doch das Wasser... schien gerade mal kurz vorm Gefrierpunkt zu sein. Ich spürte wie sich die Kälte in meinen Körper bohrte, mein Blut zu verlangsamen schien und meine Bewegungen steif und ungelenk werden ließ.

Direkt vor mir konnte ich einen tintenfischähnlichen Dämon sehen, der mit seinenTentakeln Lian umklammert hielt, der sich verzweifelt wehrte. Luftblasen wirbelten um die beiden herum, während der Kampf heftig zwischen den beiden tobte. Schnell schwamm ich auf sie zu, in meiner Hand die Dämonenklinge.

In meinem Leben... meinem alten Leben als Mensch... war ich sehr gerne geschwommen und getaucht und das kam mir jetzt zugute. Ich konnte lange die Luft anhalten und mich gut im Wasser bewegen. Binnen weniger Schwimmzüge war ich bei dem Tintenfisch-Dämon, der Lian mit seinen Tentakeln umschlungen hatte.

Der dunkle Kronprinz wehrte sich nach Leibeskräften – Schatten umwirbelten ihn und schnitten in die gummiartige Haut des Dämons. Doch es half einfach nichts, der Griff des Dämons wurde einfach nicht lockerer. Es schien nicht einmal Blut aus den Wunden zu kommen.

Ich erreichte Lian endlich und packte mit meiner freien Hand den glitschigen Tentakel. Er fühlte sich glatt, glitschig und seltsam gummiartig an und ich schauderte vor Ekel. Ich hatte Tintenfische noch nie gemocht –weder in Aquarien zum ansehen, noch zum Essen.

Lian bedeutete mir, dass ich abhauen sollte, doch ich schüttelte energisch den Kopf. Ich würde ihn nicht einfach so zurücklassen! Das würde ich bei keinem meiner Gefährten! Nicht, solange es eine Möglichkeit gab, ihn zu retten!

Einer der anderen Tintenfisch-Arme fuhr plötzlich auf mich hinab und traf mich in den Magen. Ich krümmte mich und ein Schwall Luftblasen entstiegen meinem Mund, doch ich war noch lange nicht am Ende. Ich packte die Dämonenklinge fester und trennte mit einem einzigen, gut platzierten Hieb den Tentakel ab. Der Schrei des Dämons war zwar unter Wasser verzerrt und abgeschwächt, trotzdem dröhnte er in meinen Ohren und führte fast dazu, dass ich meine Dämonenklinge losließ.

Der Griff des Dämons lockerte sich offenbar, denn plötzlich konnte sich Lian losreißen. Mit kräftigen Schwimmzügen brachte er sich außerhalb der Reichweite des Dämons, der wütend aufbrüllte und das Wasser in Bewegung setzte. Lian schwamm so schnell er konnte in Richtung Wasseroberfläche und ich zögerte kaum, als ich ihn folgte.

Ich konnte schon das helle Licht sehen, dass durch die Wasseroberfläche drang. Konnte sehen wie Lian die Oberfläche durchbrach und sich schnell an das sichere Festland rettete. Und konnte plötzlich spüren, wie sich etwas glitschiges um meinen rechten Fußknöchel wand und mich unbarmherzig zurück in die Tiefe zog. Weg vom rettenden Licht der Wasseroberfläche.

Ich brüllte auf. Ob vor Wut oder Verzweiflung konnte ich nicht direkt sagen. Ich wusste nicht, was mit mir passieren würde, wenn mir die Luft ausging. Sterben konnte ich ja nicht, aber würde ich dann bewusstlos werden? Würde ich so lange bewusstlos bleiben, bis ich wieder Sauerstoff zum atmen hatte? Und was, wenn mich der Dämon fraß? Konnte ich das überleben? Oder war das auch eine der Varianten, die meinen sicheren Tod zu Folge hatten – unabhängig von der Tatsache, dass ich unsterblich war? So viele Fragen auf die ich keine Antworten hatte... Und sie vielleicht auch nie erfahren würde...

Der Ruf der Verdammten 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt