Kapitel 19

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Herbst

Das erste, das ich wahrnahm, war die Wärme. Der warme Lufthauch, der mich empfing, war vollkommen ungewohnt für Ende Herbst. Allerdings war er auch nicht diese unbändige Hitze, die ich in der Hölle erwartet hätte. Es war einfach... angenehm. Vielleicht ein wenig zu warm, um für mich angenehm zu sein, doch ich hatte auf der Erde schon Sommertage erlebt, die heißer als das hier gewesen waren.

Demzufolge war ich erst einmal irritiert und öffnete dann vorsichtig die Augen. Die Umgebung, die ich sah, war so gar nicht das, was ich von der Hölle erwartet hatte. Wir standen auf einem kleinen Felsplateau, dass uns eine gute Sicht auf das Gebiet gab. Verblüfft blickte ich auf ein Gebiet, dass mich stark an die Karibik erinnerte. Weißer, makelloser Sandstrand schien sich ewig entlang zu ziehen und säumte die Ränder von unglaublich blauen Flüssen und Seen. Palmen spendeten Schatten und an deren Stämmen konnte ich Kokosnüsse und Feigen oder so etwas erkennen. Der warme Wind ließ das Wasser leicht kräuseln und die großen, saftig grünen Blätter leicht rascheln. Es sah... zu gut aus, um wahr zu sein.

Ich trat zu Cimeies, der sich wachsam umblickte. »Worauf müssen wir achten?«, wollte ich wissen und die anderen, die mittlerweile auch durch die Höllenpforte gekommen waren, scharten sich um uns.

»Zunächst einmal das grundlegendste: Wir sind nicht mehr in eurer Welt, also dem Diesseits. Die Hölle ist – wie auch das Jenseits und das Elysium – eine eigene Welt mit ihren eigenen Regeln und Gesetzen. Sterbliche Bedürfnisse wie Essen, Trinken oder auch auf die Toilette zu müssen, existieren hier nicht. Und das ist auch besser so, denn wer hier unten etwas isst oder trinkt und nicht unsterblich ist, wird die Hölle nicht mehr verlassen können.« Ich konnte sehen wie Lian, Leander und Gwen leicht schluckten.

»Das zählt für mich also nicht?«, vergewisserte ich mich.

Cim zögerte. »So jemanden wie dich gibt es vielleicht einmal in ein paar Jahrhunderten... Ich würde darauf tippen, dass du davon nicht beeinflusst wirst, aber... ich kann dir keine Garantie geben, also wäre es besser wir machen keine Experimente.«, erklärte Cimeies schließlich. Ich nickte und blickte mich nervös um.

»Als nächstes: Ihr seid keine Dämonen, also geht davon aus, dass euch generell alles hier töten will.«

Ich starrte den Sand an und fragte mich, ob es wohl auch Treibsand gab, der uns gefährlich werden konnte. Oder Dämonen, die sich im Sand versteckten und nur darauf warteten uns aus dem Hinterhalt anzugreifen und zu töten. Mein Blick wanderte zum Wasser. Das war mit Sicherheit gefährlich.

Cimeies war offenbar meinem Blick gefolgt. »Haltet euch von Gewässern, Höhlen und sonstigem fern – sie könnten von Dämonen bewohnt werden, die euch umbringen wollen.« Ich konnte ein leises Klirren hören, als Lian seine Mitternachtssense fester packte und sich anspannte.

»Bleibt immer dicht in meiner Nähe oder ihr seid so gut wie tot – vor allem die Sterblichen!«, zählte Cimeies weiter auf und bedachte die Drei mit einem strengen Blick. »Denkt nicht, ihr könntet es mit den Dämonen aufnehmen – ihr habt keine Ahnung zu was die der höheren Kreise fähig sind!«

»In welchem Kreis genau sind wir?«, wollte Lian wissen und zeigte dadurch, dass sich der dunkle Kronprinz wohl näher mit dem Aufbau der Hölle beschäftigt hatte. Aber bei seiner Vergangenheit auch kein Wunder...

»Im fünften. Dieser ist von Sterblichen auch noch betretbar, die ersten als auch das innerste, sind von Sterblichen... nicht so ganz betretbar.«

»Wieso das?«, wollte Gwen nervös wissen.

»Nun in den ersten drei Höllenkreisen herrschen Temperaturen zwischen 100 und 300 °C, was – meiner Erfahrung nach – die Sterblichen ziemlich schnell schmelzen lässt. Und im neunten Kreis der Hölle, also dem Mittelpunkt, herrschen durchschnittlich zwischen -60 °C und -80 °C, was auch nicht den meisten Sterblichen so gut bekommt.«, erklärte Cimeies ein wenig zynisch.

Der Ruf der Verdammten 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt