Epilog

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Winter

Schneeflocken tanzten durch die Luft, wirkten vor dem bleigrauen Winterhimmel schon fast zu hell. Doch ich blickte ihnen lächelnd hinterher. Der Winter hatte nun so viele Bedeutungen für mich – gute wie schlechte. Doch ich war fest entschlossen diese Jahreszeit immer in meinem Herzen zu tragen. Denn der Winter bedeutete nicht nur Tod und Kälte.

Man brauchte den Tod, um das Leben erst schätzen zu lernen, das wusste ich nun. Und man brauchte ebenso die Kälte um sich auf ein warmes Feuer oder... Zuhause zu freuen. Mochte sein, dass man vom Winter nur das schlechteste sah – ähnlich wie bei den Dunklen – doch es gab ebenso viele gute Seiten, die man immer wieder übersah.

Ich stand auf einem Hügel, der Wind zerrte an meinem schwarzen Umhang und meinen schwarzen Haaren, während meine grauen Augen auf die Stadt hinunterblickten ,die ich so lieben und hassen gelernt hatte. Es war Zeit ein neues Kapitel aufzuschlagen in meinem unsterblichen Leben.

Es war ein knappes Jahrhundert her, dass wir alle zusammen die Apokalypse verhindert hatten. Ein knappes Jahrhundert, seit Leander mir seine Liebe gestanden hatte und gestorben war. Ein knappes Jahrhundert, seit Gwen sich in Kronprinz Cyrus verliebt hatte und schließlich an seiner Seite die Königin der Hellen geworden war. Ein knappes Jahrhundert, seit ich mich für Lian entschieden hatte.

Und knappe zehn Jahre seit Lians Tod, während ich noch immer so aussah wie vor knappen hundert Jahren. Ich alterte wirklich nicht mehr, ich war wie ein Dämon, gezeichnet mit dem gleichen Fluch, den Cim niemals wollte. Und noch immer machte ich ihm deswegen keinen Vorwurf. Es war, wie es war.

Meine Freunde waren ins Elysium eingegangen – dessen hatte ich mich doppelt und dreifach versichert - und ich war geblieben um weiterhin ein wachsames Auge auf diese Welt zu haben. Irgendwann... irgendwann würde ich ins Nichts eingehen, wenn mir meine unsterbliche Existenz zu langweilig wurde – oder ich den falschen Dämon reizte.

Doch bis dahin schützte ich all jene, die es verdient hatten. Ich würde mich um die Lebenden, sowie die Toten kümmern. Ich würde mich darum kümmern, dass sich die Hellen nicht mehr zu viel Macht herausnahmen und die Dunklen damit unterdrückten und ich würde mich darum kümmern, dass sich die Dunklen an Regeln hielten und nicht mehr ungehindert für Rituale mordeten. Ich würde versuchen ein Gleichgewicht in dieser Welt zu schaffen und ich wusste, dass ich es schaffen konnte. Dafür hatte ich gute Verbündete.

»Bist du soweit?«, fragte ich ohne mich umzusehen.

Das Band war mittlerweile so stark geworden, dass ich ihn spüren konnte, auch wenn ich ihn nicht sah. Und ich hatte seine Anwesenheit immer in meiner Nähe gespürt, auch das letzte Jahrhundert über.

Ich wusste, dass er an sich keine Wahl hatte – nicht mit dem Fluch Lucifers, doch ich wusste auch, dass nicht der Fluch dazu führte, dass er in meiner Nähe blieb. Es waren unsere gemeinsamen Erlebnisse, alles was wir zusammen durchgemacht hatten – und die Tatsache, dass wir die einzigen waren, die davon noch lebten. Das schweißte stärker zusammen, als jeder Fluch, den man über uns verhängen könnte.

»Natürlich. Wir können los.«, meinte Cim in meinem Rücken.

Ich nickte knapp. »Gleich. Ich muss nur noch kurz..« Ich wandte mich zum höchsten Punkt des Hügels, wo ein schlichtes Grab war.

Er hatte nicht in der Hauptstadt auf dem königlichen Friedhof begraben werden wollen. Er hatte gesagt, er wäre nicht nur mehr der dunkle König, sondern wolle eine Brücke zwischen den Hellen und den Dunklen sein. Also hatte ich diesen Hügel ausgesucht, auf dem wir uns die Treue geschworen hatten.

Ich kniete nieder und zog eine einzelne, schwarze Rose aus meinem Umhang hervor. Ich hoffe, du bist glücklich mit Leander und Gwen und Adrik im Elysium. Verzeiht mir, dass ich nicht zu euch kommen kann.

Ich erhob mich und blickte noch einen Moment lang auf das schlichte Grab des ersten dunklen Königs, der sich um Frieden zwischen Hellen und Dunklen bemüht hatte. Den Mann, den ich liebte.

Theoretisch wäre ich nach dem Tod Lians zur Herrscherin der Dunklen geworden, doch ich wusste, dass das nicht meine Aufgabe war. Ich hatte an die Seite Lians gehört, auch wenn das bedeutet hatte, dass ich eine Zeit lang Königin gewesen war. Doch das war nicht mein Schicksal. Außerdem wusste ich, dass Loelia – Kuros älteste Tochter – eine gute und gerechte Königin sein würde, genauso wie ihr Onkel.

»Wir können aufbrechen.«, erklärte ich und wandte mich von dem Grab ab. Es hatte alles mit einem Grab – meinem Grab – angefangen und nun würde es mit Lians enden. Obwohl... genau genommen war es ein Neuanfang, kein Ende.

»Verzeiht die Frage, Lady Alena... Aber wohin gehen wir?«, wollte Percival wissen.

Er hatte Cimeies vor ein paar Monaten gefunden und somit war aus unserem geplanten Duo ein Trio geworden. Offenbar hatte es der Geist, der so viele Jahrzehnte lang Neo gedient hatte und schließlich auch mir, es alleine nicht ausgehalten. Doch ins Elysium wollte er auch nicht eingehen, das hatte ich ihm angeboten.

Ich fuhr mir durch die schwarzen Haare, in denen ein paar weiße Flocken hingen. Der Schneesturm schien immer stärker zu werden, doch das kümmerte mich nicht. Im Gegenteil, ich genoss dieses Wetter förmlich, während ich mich umwandte. Ich wusste schon genau, was ich tun wollte. Was ich schon seit hundert Jahren versprochen hatte und nun endlich einlösen konnte.

»Wir gehen ein paar Geistern die letzte Ruhe geben.«, erklärte ich beim Gedanken an das Busunglück und die traurigen Seelen, der Verstorbenen, die nicht ins Elysium eingehen konnten.

»Und danach?«

Angesichts der Ungeduld des Geistes glitt mir ein Lächeln über das Gesicht. Schien so, als würde man selbst als Unsterblicher nicht zwingend Geduld lernen. »Danach... sehen wir wohin der Wind uns trägt.«, meinte ich schulterzuckend. »Wir haben schließlich alle Zeit der Welt. Wofür brauchen wir also Pläne?«

Und so machten sich eine unsterbliche Dunkle, ein Dämonen-Marquis und ein mittelalterlicher Geist auf um die Welt ein bisschen besser zu machen und den rastlosen Seelen beim Übergang zu helfen.  

Der Ruf der Verdammten 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt