Kapitel 26

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Winter

Ich stand an einem der Fenster und blickte hinaus auf den dunklen Nadelwald. Die Nacht war mittlerweile hereingebrochen und sämtliche Geräusche schienen verstummt zu sein. Und doch fühlte ich mich seltsam beobachtet.

Wir waren Lucifer natürlich durch das Flirren gefolgt, was hatten wir denn großartig für eine andere Wahl? Von seiner Mithilfe hing das Schicksal der Welt ab. Wir hatten nicht erwartet, dass wir in eine Art fliegendes Schloss über dem Waldgebiet des siebten Kreises der Hölle teleportiert werden würden. Wir waren von einigen schweigsamen Dämonen empfangen worden und schließlich auf Zimmer verteilt worden. Uns wurde mitgeteilt, dass wir uns ausruhen sollten und morgen alles weitere mit Lucifer bereden würden. Danach wurde mir schließlich auf das Zimmer ein wahres Festmahl gebracht mit der Notiz, dass der Genuss für Sterbliche und mich keine gesundheitlichen Folgen nach sich ziehen würde, doch ich rührte kaum etwas an.

Zu tief saß der Schock über Lucifers Enthüllung und eine seltsame Furcht, dass der Höllenkönig Cimeies etwas antun könnte. Denn er schien auf den Marquis nicht gerade gut zu sprechen zu sein. Ich hatte versucht mich mit einer warmen Dusche von meinen Sorgen abzulenken, die an mir nagten und mich einfach nicht mehr loslassen wollten, doch das hatte nichts gebracht. Wenigstens den Schmutz, den Sand und das brackige Seewasser war ich losgeworden und meine schwarzen Haare fielen mir wieder glatt über meinen Rücken.

Natürlich hatte man uns auch davor gewarnt, die Zimmer zu verlassen, da es gefährlich sein konnte, doch ich war – im Gegensatz zu meinen Gefährten –nicht sterblich. Ich wollte mit Cimeies reden. Ich musste mit Cimeies reden. Auch wenn ich nicht wusste, was ich sagen sollte.

Ich wandte mich vom Fenster ab und drückte vorsichtig die Klinke der Tür hinunter. Ein Teil von mir rechnete fest damit, dass die Tür verschlossen sein würde. Doch sie sprang auf und ich trat hinaus in den Flur. Ein wenig unsicher blickte ich mich um. Ich wusste nicht, wo auch nur ein einziger meiner Freunde untergebracht worden war. Alleine das machte mich schon extrem nervös.

Gedämpfte Stimmen drangen von einer Seite des Ganges an mein Ohr und sofort wollte ich mich in die entgegengesetzte Richtung aufmachen. Ich hatte kaum drei Schritte gemacht, da erkannte ich die Stimme. Es war Lucifer.

Sofort wandte ich mich wieder um und schlich vorsichtig auf eine Tür zu, die lediglich angelehnt war. Ein schmaler Streifen Licht fiel hinaus auf den Gang und ich hielt die Luft an, während ich lauschte.

»Ich kann das nicht zulassen.«, erklang gerade Lucifers Stimme aus dem Raum. Schweigen antwortete dem Höllenkönig. »Ich bin der Beschützer der Sterblichen und als solcher verurteile ich deine Tat zutiefst.« Langsam ahnte ich, mit wem Lucifer sprach, auch wenn ich mir noch nicht zu hundert Prozent sicher war. »Du hast keine Ahnung, was du ihr damit angetan hast, als du ihr die Sterblichkeit genommen hast.«

»Ich wollte sie retten.«, sprach zum ersten Mal Lucifers Gegenüber und meine Vermutung bestätigte sich. Cimeies war dort zusammen mit Lucifer in dem Raum.

»Mag sein und trotzdem hast du sie verdammt.«

»Das war nicht meine Absicht.«, wehrte Cimeies ab.

»Aber du kennst –wie jeder andere Dämon, der dazu in der Lage ist – die Bestrafung, die ich über jeden verhänge, der so sehr in das Leben der Sterblichen eingreift.«

Wieder antwortete Lucifer nur Schweigen und er sprach weiter. »Sterbliche sind nicht für ein Leben als Unsterbliche gemacht. Sie werden zu etwas, dass immer halb zwischen unsterblich und sterblich schweben wird, zu Verdammten, die nirgendwo hingehören. Seit meinem Fall hat es vielleicht ein Dutzend dieser Verdammten gegeben und keiner in den letzten eintausend Jahren – mit Ausnahme von Alena. Und das hat auch seinen Grund, Marquis. Denn ich kann das Rufen der Verdammten, der sterblichen Seele, die in einem unsterblichen Körper gefangen ist, hören. Und genau deshalb muss ich den Pakt annullieren und deine Existenz beenden um ein Exempel zu statuieren.«

Der Ruf der Verdammten 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt