Kapitel 16

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Ich nahm den Zettel in die Hand und las laut vor, was darauf stand.
"Lass dir von der Person, welche in diesen Becher getroffen hat, einen Eiswürfel von Mund zu Mund reichen. Der Eiswürfel darf nicht von Mund zu Mund gefallen werden lassen."
Gegen Ende des Satzes wurde meine Stimme immer leiser und auch meine Freude verschwand mit einem Mal.

Langsam sah ich zu Chris auf, welcher mich nur abwartend musterte.
Ich meinte dabei ein leichtes Grinsen über seine Lippen schleichen gesehen zu haben, doch Emma zog mich direkt aus meinen Gedanken, indem sie mich an meinen Schultern packte.

"Kie, es ist mein Geburtstag", erinnerte sie mich mit einem leichten Unterdruck in ihrer Stimme.
Vermutlich war ihr genauso wie jeder anderen Person hier bereits bewusst, dass ich eigentlich vorhatte, den Becher leerzutrinken.

Emma starrte mich streng an und schüttelte drohend ihren Kopf.
Ich seufzte laut auf.
"Ich mach das nur für dich", antwortete ich Emma, welche mich freudig in den Arm nahm.

"Ich wusste, ich kann auf dich zählen", zwinkerte sie mir glücklich zu.
Im nächsten Moment stand auch schon Rylie neben uns, welche einen Becher gefüllt mit Eiswürfeln in der Hand hatte.

Mein Blick war wie an den Becher geklebt, welcher nun von einer großen Hand umfasst wurde.
Chris, welcher sich langsam vor mir aufbäumte, nahm sich mithilfe seines Zeige- und Mittelfingers einen Eiswürfel aus dem Becher und steckte sich diesen in den Mund.

Mit seiner linken Hand stützte er sich auf dem Tisch ab und lehnte sich anschließend zu mir runter.
Ich wollte ihm gerade entfliehen, da legte er seine Hand an meine Taille und zog mich eng an sich ran, was mir ein leises und erschrockenes keuchen entlockte.

Sein T-Shirt rieb leicht an meinem nackten Bauch, was mich innerlich erschaudern ließ.
Als sein Gesicht direkt vor meinem für einen Moment zum Stehen kam, stieg mir der Geruch von Captain Morgan in die Nase.

Chris schien wohl auch nicht gerade nüchtern zu sein.
Er schob den Eiswürfel zwischen seine Zähne und kam mir noch ein Stückchen näher. Er gab mir keine Zeit um nachzudenken.
Als der Eiswürfel meine Lippen berührte, stellte sich jedes einzelne Härchen an meinem Körper auf.

Das von Chris geschmolzene Wasser lief dabei langsam in meinen Mund.
Als seine Lippen jedoch aus Versehen meine berührten, zuckte ich zusammen und ein Kribbeln durchfuhr meinen gesamten Körper.

Meine Beine wurden weich und ich konnte spüren wie seine Finger etwas stärker in meine Taille griffen.
Als ich den Eiswürfel endlich zwischen meinen Lippen hatte und anschließend in den Mund nahm, löste ich mich nicht wie erwartet stürmisch von Chris.
Wie angewurzelt stand ich vor ihm und starrte in seine Augen, welche mich in seinen Bann gezogen hatten.

Unser Blickkontakt war so intensiv, dass es mir vorkam, als würden Chris' Augen brennen.
Diese ganze Situation wirkte so surreal.

Langsam zog ich meinen Kopf zurück, doch Chris wollte mir keine Atempause gestatten.
Eigensinnig zog er mich wieder an seine Brust und drückte seine Lippen gegen meine.
Diese Situation, gemischt mit dem schmelzenden Eis in meinem Mund, ließ meinen gesamten Körper erschaudern.

Erschrocken öffnete ich nach einigen Sekunden meine Augen und starrte Chris an, welcher keinen Anschein machte, mich gehen zu lassen.
Als nun auch er langsam seine Augen öffnete, löste er sich vorsichtig von mir.

Völlig außer atmen, starrten wir uns gegenseitig in die Augen.
War das gerade wirklich passiert?
Hat mich gerade allen Ernstes Chris geküsst? DER Chris?

"Sorry", flüsterte er leise mit kratziger Stimme und ließ blitzartig von mir ab, um anschließend in der Menschenmenge zu verschwinden, welche das gesamte Geschehen mitangesehen hatte.

Wie in Schock sah ich ihm hinterher, ohne mich auch nur ein kleines bisschen zu bewegen.

Was zur Hölle war gerade passiert?
Sofort kam Bonnie auf mich zu und legte eine Hand auf meine Schulter.
Bonnie sah mindestens genauso schockiert aus wie ich.
Vermutlich hielt niemand hier diesen Moment für real.

Immerhin war jedem hier bewusst, dass Chris und ich uns gegenseitig wie die Pest gehasst hatten. Und das taten wir auch immer noch. Oder?

Die einzige anwesende Person, welche kein bisschen überrascht aussah, war Isaac.
"Ich glaub, ich muss mich übergeben."
Im nächsten Moment suchte ich auch schon direkt das Gebüsch auf und übergab mich in dieses.

Isaac, welcher das Ganze beobachtete, musste voller Schadenfreude loslachen.
Als er jedoch die mahnenden Blicke der anderen wahrnahm, machte er sich ganz schnell auf den Weg, und verschwand genauso wie Chris in der Menge.
Vermutlich suchte er ihn jetzt sogar auf.

"Was ist da gerade passiert?", fragte Bonnie.
Kraftlos sah ich zu ihr auf, welche immer noch Isaac hinterhersah, obwohl dieser schon längst nicht mehr zu sehen war.
"Ich-, ich weiß es nicht..."
Schwach blinzelte ich sie an.

"War der Typ drauf?", mischte sich nun Emma ein, welche ebenso verwirrt war.
"Soweit ich weiß, macht Chris kein Mischkonsum", antwortete ich, während ich versuchte mich wieder aufzurappeln.

Bonnie, welche noch immer vor mir stand, zog eine Augenbraue hoch.
"Und woher genau willst du wissen, dass es kein Mischkonsum war?", fragte sie mich skeptisch.
Als Antwort sah ich ihr nur in die Augen, was sie wissend nicken ließ.

"Vermutlich war er einfach noch betrunkener als ich. Würde mich gar nicht wundern, wenn er so betrunken war, dass er nicht mal gecheckt hätte, wer ich bin. Um ehrlich zu sein würde das die ganze Situation sogar weniger unangenehm machen."

Die Mädels halfen mir daraufhin ins Bad und brachten mir frisches Trinkwasser.
"Das tut gut", atmete ich erleichtert aus, nachdem ich mehrere Schlücke Wasser getrunken hatte.

"War es wirklich so schlimm, dass du dich übergeben musstest?", wendete sich nun Ela an mich, welche sich ihr schelmisches Grinsen dabei nicht unterdrücken konnte.
"Natürlich nicht!", antwortete ich scharf.

"Natürlich nicht?", erwiderte Rylie.
"Ich mein-, also... Ach ihr wisst wie ich das meinte."
Ich verhaspelte mich so sehr, dass ich selbst nicht mehr wusste, was ich eigentlich sagen wollte.

"Eigentlich nicht, nein", antwortete Rylie daraufhin.
"Eigentlich ist es Calebs Schuld. Er war derjenige, der mir einen Shot nach dem anderen zugeschoben hat. Es war einfach nur zu viel", erklärte ich schließlich, nachdem ich mich gesammelt hatte.

Das Kribbeln in meinem Bauch, welches Chris in mir ausgelöst hatte, musste ich ja jetzt nicht unbedingt erwähnen.
Auch, wenn es definitiv dazu beigetragen hatte.

Als ich wieder ausgenüchtert war, brachte mich Emma in ihr Gästezimmer und ließ mich dort mit Bonnie übernachten.

Chris - Because Enemies Don't Look At Each Other Like ThatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt