Kapitel 30

873 30 1
                                    

"Hast du alles?"
Mit müden Augen saß meine Mutter an der Küchentheke.
Sie nahm gerade einen Schluck von ihrem Kaffee.

"Vermutlich nicht, du kennst mich ja. Aber egal was es diesmal ist, ich kann es zur Not mit Sicherheit irgendwo kaufen."
Unnatürlich gelassen zog ich meinen riesigen Koffer hinter mir her und stellte ihn im Flur ab.

Dass ich jedes Mal etwas vergesse, wenn ich verreise, war für meine Mutter nichts Neues mehr, weshalb sich mich jetzt schon zum fünften Mal in den letzten 18 Stunden gefragt hat, ob ich alles hätte.

Und trotzdem wusste sie genauso gut wie ich, dass mal wieder irgendwas Dummes fehlte.
Wie ich das schaffte, fragte ich mich jedes Mal.
Ist ja nicht so als hätte ich extra eine Checkliste mit all den Dingen, die man für eine Reise einpacken musste.
Und dennoch würde ich etwas vergessen.
Meistens sogar die banalsten Dinge.

Kann man nichts machen.

Wartend sah ich meine Mutter dabei zu, wie sie müde ihre Arme und Beine von sich streckte, nachdem sie den letzten Schluck ihres Kaffees getrunken hatte.
Müde tapste sie zu mir in den Flur.

Es tat mir ja leid, dass sie mich um halb 4 zur Schule fahren musste, aber immerhin konnte ich dafür nicht wirklich etwas.
Unsere Lehrerin will nun mal unbedingt Mittags in Italien ankommen und dafür mussten wir früh genug losfahren.

Der einzige Grund weshalb ich nicht genauso müde wie meine Mutter war, war der, dass ich den gesamten letzten Sonntag geschlafen hab, um die Nacht über wach bleiben zu können.
Denn so wie ich mich kannte, hätte ich es niemals geschafft, um 4 Uhr aufzustehen.
Vermutlich wäre ich gar nicht erst aufgewacht.

Während meine Mutter sich ihre Schuhe anzog, öffnete ich die Tür.
Ich nahm kurz einen tiefen Atemzug der frischen Nachtluft und zog anschließend meinen Koffer zum Auto.

Nachdem ich ihn in den Kofferraum geschmissen hatte, machte ich es mir auf dem Beifahrersitz bequem und wartete auf meine Mutter.

Gerade als sich das Auto schön warm wurde, kamen wir an der Schule an.
Einige meiner Klassenkameraden und Schüler aus meiner Paraklasse standen bereits auf dem Parkplatz im Dunkeln.
Einige konnten vor Müdigkeit kaum stehen, was ziemlich lustig aussah.

Ich verabschiedete mich bei meiner Mutter und machte mich auf zu den anderen.
Während Emma und Bonnie miteinander redeten, saß Rylie auf dem Boden, mit ihrem Koffer zwischen ihren Armen und Beinen.

"Pennt sie?", fragte ich Bonnie und Emma als ich bei ihnen zum Stehen kam.

"Tatsächlich haben wir sie hier so aufgefunden", kam es lachend von Emma.
Anders kannte man Rylie aber auch nicht.
Rylie war die Art von Person, die in der Lage wäre einen Weltrekord im Schlafen aufzustellen.

Als von hinten jedoch jemand 'Hi Leute.' rief, schien Rylie aufzuwachen.
"Rylie was sitzt du denn schon wieder schlafend auf dem kalten Boden?", kam es von Ela, welche sich soeben neben uns gestellt hatte.

Sie kniete sich zu Rylie hinunter, welche Ela nur müde in die Augen blinzelte.
Natürlich war Elas Stimme mal wieder das Relevanteste für Rylies Ohren.

Ela zog eine dünne Decke aus ihrem Rucksack und packte Rylie anschließend darin ein.
Emma, Bonnie und mich brachte der Anblick zum Lächeln.
Ela war die einzige Person, von der sich Rylie befürsorgen ließ.

Während sich Bonnie und Emma wieder unterhielten, sah ich mich einmal um, um zu sehen, wer bereits da war.

Mein Blick blieb an Chris hängen, welcher es sich auf einer Bank bequem gemacht hatte und somit die gesamte Bank für sich alleine beanspruchte.

Mit seinen Armen eng an seinen Körper gezogen, schien auch Chris etwas zu frieren.
Und dennoch schaffte er es genauso wie Rylie vor sich hinzudösen.

Ich wollte gerade Bonnie und Emma darauf aufmerksam machen, da rief uns unsere Lehrerin und die der Parallelklasse zusammen, was die Jungs dazu brachte Chris aufzuwecken.

Die Lehrer teilten uns mit, dass nur noch wenige der Schüler fehlten, weshalb sie unsere Koffer abnahmen und uns in den Bus ließen.

"Hey, ich geh noch schnell aufs Klo, reserviert ihr einen Platz für mich?", gab ich Emma und Bonnie Bescheid, ehe ich zu den Toiletten flitzte.

Als ich wieder zurückkam, standen nur noch die Lehrer draußen, um auf die restlichen Schüler zu warten.

Man konnten von außen bereits hören, dass in dem Bus schon lautstark Musik lief.
Natürlich war niemand anderes dafür verantwortlich als Elias und Marcus.
Die Zwillinge waren immerhin als die beiden Klassenclowns bekannt.

Ein Glück hatten sich die zwei Idioten relativ weit vorne hingesetzt, wohingegen sich Bonnie, Emma, Rylie und Ela für die hinteren Plätze entschieden hatten.

Direkt neben den zwei Plätzen auf denen Bonnie und Emma saßen, waren noch zwei weitere Plätze frei.
Ich bedankte mich bei den beiden und setzte mich anschließend auf den Fensterplatz, um mich dort anzulehnen.

Die Musik der Zwillinge hörte man hier hinten zwar immer noch, aber immerhin deutlich gedämpfter.

Nachdem wir weitere zehn Minuten gewartet hatten, saß nun auch der letzte Schüler im Bus, sodass wir startklar waren.

Elias und Marcus wurden von den Lehrern zwar gebeten, die Musik auszumachen, ihre bescheuert lauten Stimmen konnte man aber trotzdem bis ganz hinten hören.

Nichtsdestotrotz schloss ich meine Augen und versuchte mich zu entspannen.

Als ich es nach geschlagenen 20 Minuten endlich geschafft hatte die beiden auszublenden, wurde meine Ruhe wieder gestört, indem jemand meine schulter angestupst hatte.

Erschrocken öffnete ich meine Augen und sah zu dem Störenfried hinauf.
Wer sonst, wenn nicht Chris sollte da mal wieder vor mir stehen?

"Ist der Platz noch frei? Die zwei Idioten da vorne halten einfach nicht ihren Mund."
Mit dunklen Augenringen und verwuschelten Haaren, als hätte er seit zwei Tagen nicht geschlafen, stand Chris neben dem leeren Platz an meiner Seite.

Ich nickte ausdruckslos, woraufhin er sich kraftlos in den Sitz sacken ließ.
Statt irgendwas Weiteres zu sagen, zog Chris die Kapuze seines Hoodies über seinen Kopf und verschränkte seine Arme ineinander.

Als die Lichter beim Start des Motors ausgemacht wurden, zog auch ich eine Decke aus meinem Rucksack und machte es mir ebenfalls bequem.
Mit meinen Kopfhörern in den Ohren wurde ich schließlich müde und schlief langsam ein.

Chris - Because Enemies Don't Look At Each Other Like ThatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt