𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟏𝟔 - 𝐦𝐚𝐲

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(Sorry, dass das Kapitel so kurz ist 😬😅)

An diesem Morgen bin ich ohne einen wirklichen Grund mit einem warmen Gefühl in meinem Herzen aufgewacht. Ich konnte und kann mir nicht erklären, wo es herkommt, aber es ist da und es fühlt sich nicht negativ an. Eher ist es ein warmes, gutes Gefühl, welches sich schon seit dem Morgen in meinem Körper breit macht und obwohl ich nicht weiß, woraus es gründet, ist es gut.
Nach einem knappen Frühstück setze ich mich auf das dunkelgraue Sofa in der Hütte. Nicht gerade selten habe ich damals, als ich mit meiner gesamten Familie hier war auf diesem Sofa übernachtet, obwohl ich auch in dem Zimmer mit den Einzelbetten zusammen mit meiner Schwester hätte schlafen können. Inzwischen hält dieses Zimmer als eine Mischung aus einem Arbeitszimmer, einer Bibliothek und einer Abstellkammer her. Immerhin habe ich dort alle möglichen Objekte zur Reinigung der Hütte untergebracht. Der Rest des kleinen Raumes besteht aus einem leeren Arbeitstisch, der schon ein wenig eingestaubt ist und einem Bücherregal, welches die ganze Wand entlang verläuft. Durch das Fenster in dem kleinen Zimmer hat man einen Blick auf den grünen Wald hinter meiner Hütte. Aber da sich hinter dem Fenster in meinem Schlafzimmer das gleiche Bild gibt, verzichte ich meistens darauf in den kleinen anderen Raum zu gehen. Außerdem wüsste ich auch nicht, wozu ich genau jetzt ein Arbeitszimmer bräuchte. Denn immerhin könnte ich mir alles erlauben, außer auch noch in den Sommerferien zu arbeiten. Vor allem jetzt, wo mich alles stressige sofort wieder aus der Bahn werfen könnte.
Ich sehe auf die Uhr, die an der Wand zwischen der Küchenzeile und der Tür zum Badezimmer hängt. 14:19 Uhr ist es und es ist warm. Extrem warm. Laut der Wettervorhersage auf meinem Handy herrschen sogar 32 Grad und in dem Moment halte ich die Wahl meiner Kleidung für diesen Tag für eine gute Entscheidung. Denn während ich am Morgen noch vermutet habe, dass es für eine kurze Hose nicht warm genug ist, glaube ich mittlerweile, dass ich mit der weiten, aber langen Jeanshose, die ich am vorherigen Tag getragen habe vor Hitze schon eingegangen wäre. Und auch das helle, luftige T-Shirt mit Ausschnitt mit feinen Ornamenten aus weißer Spitze, ist definitiv die richtige Entscheidung für das Wetter, welches draußen herrscht.
Etwa zehn Minuten später sitze ich im Schatten auf der Terrasse meiner Hütte. Und wieder einmal sitze ich auf dem alten Holzstuhl, auf dem damals immer mein Vater gesessen hatte. In dem Moment muss ich mich wieder daran erinnern, wie meine Schwester immer dort sitzen wollte und sie und ich uns immer darum stritten, wer das Lieblingskind ist und wem der Stuhl unseres Vaters gebührt. Eigentlich eine dumme Streiterei, stelle ich nun genau zwanzig Jahre später fest und verspotte mein elfjähriges Selbst für das Verhalten damals. Dann sehe ich auf den See hinaus und schließe meine Augen, während ich die warme, fast schon zu warme Luft um mich herum spüre, die ab und zu einen kühlenden Windstoß durch meine offenen Haare fahren lässt. In dem Moment versuche ich einfach nur, an nichts zu denken und den Moment, in dem ich dort sitze, die erhitzte Luft um mich herum wahrnehme und immer noch das wohlige Gefühl in meinem Oberkörper spüre, einfach existieren zu lassen.
Wirklich in der Realität bin ich erst wieder, als ich spüre, dass der Blick von jemandem ganz klar auf mir liegt. Ich öffne meine Augen wieder und brauche, obwohl ich im Schatten sitze einen kurzen Moment, um mich an das helle Licht der Sonne gewöhnen zu können. Dann sehe ich die wenigen Treppenstufen zu dem Kiesweg vor meiner Hütte hinunter und entdecke Delia, die dort mitten in der Sonne steht und mich schon ziemlich lange anschauen muss. Ich brauche einen Moment, um zu reagieren.
"Hey...", begrüße ich sie und stehe auf, um die zwei Treppenstufen hinunterzugehen und ihr direkt gegenüber zu stehen.
"May...", stellt die junge Frau lächelnd fest, als wir uns mit weniger als einem Meter Abstand gegenüberstehen. Delia sieht mich an und ich spüre ihren Blick ganz klar auf meinen Augen liegen, die nun ihren ganzen Körper entlang wandern. Sie trägt ein hellblaues T-Shirt mit weiten Ärmeln und eine kurze Jeanshose, durch die ihre dünnen, langen Beine zum Vorschein kommen. Ihre rotblonden Haare hat sie zu einem unordentlich hohen Zopf gebunden, aus dem vorne ein paar Strähnen hinaushängen. Auch, wenn sie nicht auf alle Menschen perfekt wirken dürfte, sieht sie in meinen Augen auf alle Fälle gut aus. Im selben Moment mustert auch sie mich ganz genau und es fühlt sich für mich so an, als könnte ich spüren, auf welchem Punkt meines Körpers ihr Blick in dem Moment liegt. Fast zehn Sekunden lang beobachte ich Delia dabei, wie sie meinen ganzen Körper von oben bis unten mit ihrem Blick scannt und schüchtern lächelt, als sie wieder in mein Gesicht sieht. Ihre grünblauen Augen strahlen mich an, bringen das warme Gefühl, welches ich schon den gesamten Morgen über in meinem Herzen gehabt habe, direkt zurück.
-"Ähm... Ja... Eigentlich wollte ich nur fragen, wie es dir geht...", meint Delia dann erst schüchtern, bevor sie mir wieder direkt in die Augen sieht, mich dadurch erst wirklich dazu zwingt zu realisieren, was sie dort eben gesagt hat. Sie will fragen, wie es mir geht. Und dafür ist sie extra zu mir gekommen und hat mit Sicherheit Minuten lang in der Sonne gestanden, bis ich sie bemerkt habe. Langsam kehrt ein ganz schlechtes Gefühl in mir zurück. Ich fühle mich schuldig dafür, dass sie sich scheinbar Sorgen um meinen Gefühlszustand hat. Immerhin soll es nicht so sein und ich bereue im nächsten Moment auch direkt, ihr am vorherigen Abend so viel anvertraut zu haben. Nicht, weil ich Delia für unaufrichtig oder eine schlechte Bewahrung für persönliche Sachen und Gedanken halte, sondern weil in diesem Moment das erste Mal die Angst aufkommt, dass sie sich auch um mich Sorgen machen könnte. Schließlich soll das nicht so sein.
-"May?". Erst, als Delia vorsichtig meinen Namen ausspricht, mich damit wieder direkt anspricht, kehre ich aus meiner Gedankenwelt, in der ich auf den blau glitzernden See gestarrt habe, zurück und sehe in Delias Augen. Diese haben fast dieselbe Farbe, wie das große Gewässer, welches hinter den Büschen neben meiner Hütte in der Sonne liegt und an einem solchen Tag wie dem heutigen extrem attraktiv für Segler, Kanufahrer und Schwimmer sein muss.
"Ähm-... Ja... Also... Mir geht's gut", stottere ich und eigentlich habe ich damit nicht einmal gelogen. Denn schließlich ist es mir den gesamten Vormittag ziemlich gut ergangen und ich war kein einziges Mal in einer Situation, in der ich traurig oder gestresst war. Alles war gut, außer vielleicht dieses warme Gefühl in meinem Oberkörper, welches ich immer noch nicht ganz deuten kann. Aber dass es sich verstärkt, wenn ich in Delias Augen schaue, ist auf jeden Fall ein Zeichen.

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