𝐤𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟖 - 𝐦𝐚𝐲

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Ich schließe die Tür hinter meinem Rücken und muss tief durchatmen. Was ist das Ganze eben mit Delia nur gewesen? Ich setze mich auf mein Sofa und versuche, mich zu beruhigen. Ich spüre immer noch viel zu viele Gefühle auf einmal in mir, aber keins, welches mir sagt, dass ich mich in Delia verliebt habe. Dafür fühlt es sich so an, als hätte sie sich irgendwie in mich verliebt. Zumindest gibt mir der Ausdruck in ihren Augen dieses Gefühl und die Art, wie sie mich ansieht und wie nervös sie wirkt. Und ich will gerade lächeln, als mir wieder in den Kopf kommt, dass ich nicht mit damit klarkommen würde, wenn sich jemand in mich, das emotionale Chaos schlechthin, verliebt. Denn ich weiß nicht, wie lange ich mein trauriges Inneres hinter einem freundlichen Lächeln und der Sorge um Andere verbergen kann. Plötzlich fühle ich mich gar nicht mehr so gut, wie vor ein paar Minuten noch, als ich mich auf das Sofa gesetzt habe. Mir ist eher nicht körperlich schlecht, außer dass ich ein bisschen Kopfschmerzen habe. Aber ich spüre den Willen, zu weinen und ich spüre einen psychischen Druck auf mir. Ohne, dass ich überhaupt irgendwas leisten muss, sondern eigentlich hier bin, um zu entspannen. Vor allem will ich Delia nicht die Schuld dafür geben, dass sie das alles durcheinandergebracht hat, denn es liegt an mir. Es ist nicht sie, die hin und her überlegt, ob ihr Gegenüber sich komplett in sie verknallt hat und sie ist nicht die, die jede Sekunde kurz davor steht, innerlich auszubrennen.
Ich lasse mich nach hinten auf das Sofa fallen und starre die hölzerne Zimmerdecke an. Aus der kleinen Küche, die vom Wohnzimmer aus direkt zugänglich ist, kann ich das auffällige Ticken der hölzernen Uhr hören. Etwas erschrocken stelle ich fest, dass mein Herz mindestens doppelt so schnell schlägt. Ich versuche, tief durchzuatmen und dabei bleibt mein Blick an der Decke hängen und ich weigere mich, ihn zu lösen. Zu groß ist meine Angst, dass es mich wieder aus der Ruhe bringt, wenn ich direkt wieder etwas anderes sehe und an etwas anderes denke. Eigentlich ist meine ganze Psyche doch total überfordert, denke ich und ich kann mir die Situationen mit Delia vorhin immer weniger erklären, egal, wie schwer es mir fällt. Ich kann mich nicht auf so etwas einlassen, ermahne ich mich selbst und mache mir im nächsten Moment das bewusst, was ich an mir so sehr hasse. Ich versuche immer, alles perfekt zu machen, für jeden perfekt zu sein. Und vor kaum einer Stunde habe ich mich darauf eingelassen, mit einer jungen Frau, die ich erst seit diesem Abend kenne, regelrechte Blickduelle zu führen, bei welchen ihre türkisblauen Augen sich in meinen dunklen Augen zu verlieren beginnen. Der Gedanke daran ist der, der wieder verursacht, dass mein Herz nochmals beschleunigt. Warum nur? Ich weiß es selber nicht, aber warum ist es so? Schließlich bin ich nicht in Delia verliebt. Ich bin mir sogar fast sicher, dass ich mich mit meinem überladenen Gehirn, allen rauschenden Gedanken und meiner allgemein instabilen Emotionen gar nicht verlieben kann. Und das macht mich traurig. Sogar so sehr, dass ich anfange, zu weinen.
Langsam fließen meine Tränen meine stark erhitzten Wangen hinunter und ich kann mich zu meinem eigenen Erschrecken kaum noch beruhigen. Ich liege schluchzend auf meinem Sofa und fühle mich viel zu überfordert und mir ist trotz des warmen Abends plötzlich ziemlich kalt. Und dabei liegt es nicht einmal an Delia oder an irgendetwas anderem. Ich fühle mich einfach überfordert und gleichzeitig leer, aber das ist schon seit Monaten so und wenn ich daran denke, dass ich mich zu Hause oft in den Schlaf geweint habe, dann ist mein Gefühl jetzt nichts Neues. Mit dem einzigen Unterschied, dass meine Gedanken an Delia und meine Gedanken an das Verliebtsein dieses Mal mitmischen.
Seufzend schließe ich meine Augen und versuche, mich selber zu umarmen, damit mir nicht so kalt ist. Ich schlinge meine Arme um meinen Oberkörper und versuche, mich zu wärmen. Irgendwie zumindest. Und das einzige, worüber ich in dem Moment wenigstens ein bisschen froh bin, ist, dass mein Herz nicht mehr so rast, wie vor ein paar Minuten noch.
Nach einiger Zeit starre ich wieder an die Decke und meine Tränen sind getrocknet und besonders kalt ist mir auch nicht mehr. Eher ist mir fast zu warm, aber immerhin merke ich, dass ich mich besser fühle, als vorher. Wie viel vorher weiß ich auch nicht. Das Einzige, was ich weiß ist, dass ich geschlafen habe.
Ich richte mich langsam auf und sehe zu der kleinen Uhr an meiner Wohnzimmerwand. Es ist kurz vor 23 Uhr, erkenne ich. Und ich kann mir vorstellen, dass ich ungefähr eine Stunde lang geschlafen habe. Kurz sehe ich mich im halbdunklen des Wohnzimmers um und mein Blick fällt kurz auf das kleine Küchenlicht am Fenster neben der alten Einbauküche, die ebenfalls schon früher dagewesene ist. Langsam stehe ich auf, und gehe wieder tief seufzend zu dem kleinen Badezimmer in meiner Hütte und betrachte mich im Spiegel. Ich kann erkennen, dass meine braunen Augen stark von getrockneten Tränen unterlaufen sind, ein wenig meiner am Morgen aufgetragenen Mascara verwischt ist. Schnell kämme ich ein paar Kletten aus meinen dunkelbraunen Haaren und starre mich dabei apathisch im Spiegel an. Ich merke, dass ich meine Augen kaum noch offen halten kann, obwohl ich eben erst knapp eine Stunde Schlaf gehabt habe.
Nach dem Zähneputzen taumle ich nur noch in mein Bett, schalte meine Lichterkette, die über dem alten Hochbett hängt aus und lege mich hin. Ich kuschle mich in meine warme Bettdecke und atme tief durch. Dann sehe ich an die Decke, sehe ein wenig den fast vollen Mond durch die Jalousien scheinen. Und dann schließe ich meine Augen und versuche, an nichts mehr zu denken und realisiere erst in dem Moment, wie schwer mir das fällt.

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