(Danke für die 300 Reads und sorry für die langsamen Updates...)
-"Delia?...". Erst als ich meinen Namen höre, werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Ich habe allen Ernstes geweint. Vor einer anderen Person und damit nicht nur vor irgendeiner, sondern vor May, die mich nun besorgt anschaut. Und wenn sie wüsste, dass sie oder eher meine Unklarheit über meine Gefühle ihr gegenüber unter anderem der Grund für meinen jetzigen Zustand ist, dann will ich mir gar nicht ausmalen, wie sie reagieren würde. Sicherlich würde sie sich Vorwürfe über ihr Verhalten oder ihre Aussagen der ganzen letzten drei Tage machen, ohne, dass sie eigentlich etwas dafür kann. Das wirkliche Problem liegt schließlich immer noch bei mir. Erst dadurch, dass May mich wieder anspricht, gelange ich in die Realität zurück.
-"Darf ich deine Tränen wegwischen?", fragt sie mit vorsichtiger Stimme und ohne einen wirklichen Grund, was ihre Frage betrifft, merke ich, wie sich in meinem ganzen Oberkörper wieder diese Wärme ausbreitet. An irgendetwas muss das liegen und ich bin mir sogar sicher, dass es daran liegt, welche Art von Gefühlen ich für May entwickelt habe und dass ich ihre Anwesenheit und Nähe genieße, gestehe ich mir ein. Trotz der leichten Unsicherheit aufgrund dieser Gedanken nicke ich schließlich einmal kurz. Und schon im nächsten Moment spüre ich, wie sie mit ihrem Daumen sanft die Tränen unter meinen Augen wegtupft. Ihre Haut ist warm und weich und ich merke, wie ich langsam meine Augen schließe und ihre leichte Berührung in meinem Gesicht zu genießen scheine. Doch schon nach weniger als zehn Sekunden merke ich, wie May sich von mir entfernt. Ich öffne meine Augen wieder und sehe zu der jungen Frau mir gegenüber. In ihrem Blick liegt immer noch ziemlich viel Besorgnis um mich. Und würde es sich bei dem Grund, weswegen ich geweint habe, nicht um sie und meine Gefühle zu ihr gehen, dann hätte ich sie schon längst über den Grund für meine Reaktion aufgeklärt. Aber das geht nun nicht und es tut mir schon fast leid, dass sie sich selbst nun wahrscheinlich ziemlich stresst und wissen will, was mit mir los ist. Denn schließlich will sie das schon seit dem ersten Abend aus irgendeinem Grund. Und während ich ihre besorgte, aber ebenso sanfte Reaktion auf mich innerlich den Gründen für ihr Burnout zuschreibe, sieht äußerlich wieder alles anders aus. Nachdem May mich gefragt hat, ob alles gut sei, habe ich wieder einmal nur stumpf bejaht. Danach herrscht eine ziemlich unangenehme und vielsagende Stille.
"Danke...", wispere ich nach ein paar Sekunden und meine Stimme klingt ungewöhnlich leise und kratzig, was ich aber den Tränen schulde und dem Fakt, dass ich seit mehreren Minuten nicht wirklich gesprochen habe. May lächelt mich an. In ihrem Blick liegt viel Vertrauen und Wärme, beides gibt mir irgendwie das fast schon unbekannte Gefühl, dass meine Emotionen in Ordnung sind.
-"Ist doch okay...", meint May nur mit ruhiger Stimme und legt ihren Kopf schief, während sie mich sichtbar ganz genau mustert. Auch mein Blick wandert in diesem Moment von dem allgemeinen Gesichtsausdruck der jungen Frau zu ihren warmen, dunkelbraunen Augen und dann weiter hinunter zu ihren rosafarbenen Lippen. Ich bleibe mit meinem Blick sogar weiter an diesen hängen, als May weiter redet.
-"Es ist okay, wenn du nicht weißt, was du fühlen sollst, Delia... Du bist auch gar nicht gezwungen immer ein bestimmtes Gefühl festzulegen, an welchem du dich festhältst...". Ihre sanften Worte treiben mir fast wieder Tränen in die Augen, aber dieses Mal unterdrückt irgendetwas diese, als ich in Mays freundliches Gesicht sehe. Schließlich fügt sie noch etwas auf ihre vorherige Aussage bezogen hinzu.
-"Gefühle brauchen Zeit, Delia...", flüstert sie und unwillkürlich kommen wir uns ein paar Zentimeter näher, während unsere Hände aber immer noch aufeinander liegen und ich ihre weiche und warme Haut auf meiner spüre. Allein diese Tatsache gibt mir so viel Ruhe, Wärme und Vertrauen, wie ich es lange nicht mehr gehabt habe. Auf die sanft geflüsterte Aussage von May kann ich in dem Moment nur einmal kurz nicken und mit einem fast lautlosen "Ja..." antworten. Eigentlich will ich mich für ihre Worte, ihre Sanftheit, ihre Präsenz in diesem Moment und am liebsten für ihre ganze Existenz danken, aber das wäre komisch und vor allem das letzte wäre zu viel und noch dazu seltsam.
Mays dunkelbraunen Augen strahlen Wärme aus und die gesamte Gestalt dieser braunhaarigen Frau, die fast einen Kopf größer ist, als ich, hat etwas von Vertrauen und Geborgenheit. Gefühle, die ich selten, wenn sogar noch nie in meinem Leben hatte. Zwar habe ich sicherlich diese zwei Dinge gefühlt, als ich noch ganz klein und meine Eltern noch zusammen gewesen sind und sicherlich auch später bei Personen wie Alina oder Grace. Aber es ist nie in dem Ausmaß gewesen, wie bei May. Dabei kenne ich sie nicht einmal eine Woche lang.
Knapp eine halbe Stunde später sitzen wir immer noch dort. Es wird allmählich dunkel und auf dem See ist kaum noch etwas los. Am Geruch der Luft lässt sich erkennen, dass mehrere Menschen im Umkreis von 200 Metern ihre Grills angeworfen haben und sich auf diesen etwas zum Essen machen. Und wenn ich so darüber nachdenke, spüre ich auch bei mir langsam ein Hungergefühl, welches ganz klar existiert, da ich seit der Mittagszeit nichts mehr gegessen habe. Noch dazu kommt mein trauriges Wissen darüber, dass ich meiner Mutter versprochen habe, nicht lange unterwegs zu sein und zum Abendessen zurückzukommen. Stattdessen sitze ich seit über drei Stunden mit May an diesem Steg. Und nachdem wir uns am Anfang über alles Mögliche unterhalten haben, die Gespräche eher oberflächlich waren, hat mein leichter Gefühlsausbruch für mehr Tiefe gesorgt, ohne, dass ich es eigentlich gewollt habe. In diesem Moment habe ich zusätzlich zu diesem Gedanken auch noch das Gefühl, dass ich die Berührungen von May vermissen werde, wenn ich in weniger als zehn Minuten wohl oder übel zurück zu meiner Mutter gehen muss. Auch, wenn Mays Hand immer noch auf meiner liegt, sie mich somit eigentlich klar berührt, vermisse ich die Art von Körperkontakt, den es gegeben hat, als sie vorsichtig meine Tränen von meinen Wangen wegwischte.
"Sorry... Ich-... Meine Mutter wartet auf mich... Tut mir leid, May", stammle ich und will mich gerade aufsetzen, als May ihre linke Hand vorsichtig von meiner löst und mich für eine Sekunde lang anschaut. Danach streicht sie mit dem Handrücken ihrer linken Hand über meinen rechten Arm und ich merke, wie ich ein wenig zittere, sich meine Haut aber gleichzeitig unter der Berührung erhitzt. Aber genauso schnell, wie diese Berührung begonnen und mit einem angenehmen Wärmegefühl auf meiner Haut verblieben ist, geht sie wieder.
-"Ist in Ordnung Delia... Hm...", flüstert May. Dann lässt sie mit einem vorsichtigen Streichen von meinem Arm ab und schweren Herzens stehe ich auf und gehe davon. Ich könnte fast wieder weinen, aber ich weiß, dass das nichts ändern wird. Und noch dazu, so versuche ich, mich zu beruhigen, werde ich May am nächsten Tag sowieso wiedersehen.
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Fading
Teen Fiction🧡🌈🌱 Delia ist siebzehn Jahre alt und fährt in den Sommerferien gemeinsam mit ihrer Mutter, einer strengen, eher gefühlskalten Person in den Urlaub an einen See. Dass Delia dort jedoch auf eine Person trifft, deren Herzenswärme und Geborgenheit si...